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Wie die Netflix-Serie «Drive to Survive» die Formel 1 wieder populär macht

Die vierte Staffel ist bereits auf Sendung.
Die vierte Staffel ist bereits auf Sendung.bild: netflix

Wie die Netflix-Serie «Drive to Survive» die Formel 1 wieder populär gemacht hat

Im März startete die 4. Staffel der Formel-1-Serie «Drive to Survive». Es stehen Persönlichkeiten im Vordergrund, die manchmal vergessen, dass die Kamera mitläuft. Nicht jeder ist deshalb Fan davon, allen voran der amtierende Weltmeister nicht. Für Netflix und die Formel 1 ist es trotzdem ein grosses Geschäft.
26.03.2022, 08:48
Pascal Däscher / ch media
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Es ist ein gewöhnlicher Tag in Spaniens Hauptstadt Madrid. Carlos Sainz, Formel-1-Rennfahrer bei Ferrari, sitzt mit seinem Vater und seinem Bruder zu Hause vor dem Fernseher. Wenige Tage später ist Sainz in Italien bei einem Fotoshooting für Ferrari, auch sein Teamkollege und der Teamchef strahlen in die Kamera. Dann ist Sonntag, nur noch wenige Augenblicke bis zum Start der Formel-1-Saison. Die roten Lichter gehen aus, das Spektakel beginnt. Sainz ist mittendrin. Willkommen bei «Drive to Survive».

Der Trailer zur 4. Staffel.Video: YouTube/FORMULA 1

Die Serie beleuchtet die Formel 1 hinter den Kulissen. Auch in der vierten Staffel geht es um schillernde Persönlichkeiten, eiserne Rivalitäten sowie um frühstückende und fluchende Teamchefs aus der vergangenen Saison. Zusammenfassungen einzelner Rennen sind fester Bestandteil der jeweils zehn Folgen einer Staffel. Das Drehbuch der Staffel schrieb sich aufgrund des spannenden Titelkampfs 2021 von selbst.

Das letzte Rennen der Saison 2021 in der Formel 1 war wohl das spannendste in der Geschichte. Eigentlich hätte es gar keine Doku-Serie gebraucht, um das Saisonfinale nochmals Revue passieren zu lassen.

So wurde Max Verstappen 2021 Weltmeister.Video: YouTube/SRF Sport

Eines vorweg: Die Darstellung des finalen Rennens in Abu Dhabi war weniger dramatisch als die Live-Bilder im Dezember. Gelungen ist hingegen, dass während der gesamten Staffel der Kampf um den Titel stets präsent ist. Der Crash in Silverstone war bis zum Saisonfinale die Krönung einer Rivalität, die praktisch die ganze Welt in zwei Lager spaltete. Lewis Hamilton im Mercedes touchierte den späteren Weltmeister Max Verstappen im Red Bull, sodass dieser aus dem Rennen ausschied. Hamilton gewann später das Rennen, Red Bull war ausser sich.

Die Formel 1 ist beliebter denn je

Neben dem Titelkampf ist die Episode um Nikita Masepin beim Rennstall Haas ein Beispiel dafür, wie sehr manche Teams von Sponsoren abhängig sind. Masepins Vater Dmitri ermöglicht seinem Sohn Nikita mit seinen Millionen den Traum der Formel 1.

Doch der Moskauer und das Team verstehen sich nicht. Er möchte keine Fehler zugeben, stattdessen gibt er trotzige Antworten. Auch sein Vater mischt sich ein und droht, als Sponsor auszusteigen, falls das Auto nicht bald besser werde. Manche im Team haben Angst – es droht zu zerbrechen. Der Vermittler: der fluchende unterhaltsame Günther Steiner, Teamchef von Haas.

Eine Zusammenfassung der Odyssee zwischen der Familie Masepin und dem Team Haas.Video: YouTube/Kanej Brekkdown

Die Formel 1 profitiert von «Drive to Survive», in den USA sind die Zuschauerzahlen über 40 Prozent gestiegen. In der neuen Saison steht neben dem Grand Prix in Austin ein Rennen in Miami auf dem Programm. Nicht ohne Grund: Waren beim Rennen in Austin 2018 noch 264'000 Zuschauer anwesend, waren es 2021 400'000. Es wurde etwa eine Milliarde Dollar mehr Umsatz generiert. Und das in einem Rennen.

Im Jahr 2021 hat die Formel 1 weltweit 73 Millionen Fans hinzugewonnen. Nelson Sports hat ermittelt, dass 77 Prozent der neuen Anhänger zwischen 16- und 35-jährig sind. Dadurch ist das Durchschnittsalter der Zuschauer gleich um vier Jahre gesunken. In den sozialen Medien zählt die Formel 1 rund 50 Millionen Follower, Tendenz stark steigend. Es ist der positive Nebeneffekt des neuen, jüngeren Publikums.

Selbstverständlich verdient Netflix kräftig mit, es ist eine Win-win-Situation. In 27 Ländern war die Serie auf Platz eins der meistgesehenen Serien. Leider gibt Netflix keine näheren Zahlen bekannt.

Persönlichkeiten prägen die Serie

Doch was macht die Serie so erfolgreich? Es sind die Einblicke über Persönlichkeiten, die man während der Rennwochenenden nicht hat. Man sieht Günther Steiner, der mit Kollegen in die Berge geht oder wie Christian Horner und Toto Wolff zu Hause bei ihren Familien sind und sich liebevoll um ihre Kinder kümmern. Es sind die Momente, wo die sonst so unverwüstlichen Persönlichkeiten ihre sensible Seite zeigen.

Nicht die besten Freunde: Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Red-Bull-Boss Christian Horner.
Nicht die besten Freunde: Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Red-Bull-Boss Christian Horner.bild: imago-images.de

Andererseits sind es die Rivalitäten zwischen den Fahrern und den Teamchefs, welche ein fester Bestandteil der Serie sind. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Rivalitäten? Leider konnten die Macher der Serie es nicht lassen, mit der Wahrheit zu spielen. Ein konkretes Beispiel: McLaren-Pilot Lando Norris sagt, dass Funksprüche von verschiedenen Rennen kombiniert wurden, um der angeblichen Rivalität mit Teamkollege Sainz mehr Würze zu verleihen.

Max Verstappen hat sich für einen drastischen Schritt entschieden: Er will sich nicht mehr in der Serie äussern. Der Weltmeister wirft Netflix vor, Dinge bewusst zu verfälschen oder gar zu erfinden – unter anderem auch die Rivalität zu Lewis Hamilton. Die Lösung besteht darin, Red-Bull-Teamchef Christian Horner mehr Sendezeit zu geben. Er duelliert sich gerne mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Auch hier wirkt die Rivalität überzogen. Wenn es um den WM-Titel geht, wird mit härteren Bandagen gekämpft.

Netflix und die Polemik um das Saisonfinale

Nach dem letztjährigen Saisonfinale kam die Polemik auf, dass Rennleiter Michael Masi absichtlich falsche Entscheidungen getroffen hätte, um die Dramatik für die Serie zu erhöhen. Es ist in der Tat eine sehr gewagte Interpretation. Masi wurde inzwischen entlassen, das ist die harte Realität. Aber: Würde Netflix stets bei der vollen Wahrheit bleiben, wären solche Diskussionen gar nicht aufgekommen.

Die fünfte Staffel von «Drive to Survive» wurde noch nicht offiziell angekündigt. Andere Sportarten wie Golf wollen ein ähnliches Format umsetzen, sogar die Schweizer Fussballnationalmannschaft plant die Ausstrahlung einer Doku-Serie mit mehreren Episoden.

Die Frage ist, welchen Mehrwert «Drive to Survive» noch generieren kann. Die Serie nimmt zuweilen eine repetitive Note an, wie bereits in den Staffeln zwei und drei im Vergleich zur ersten Staffel festzustellen war. Die vierte Staffel war durch den Titelkampf eine Ausnahme. Es braucht mehr persönliche Geschichten, es dürfen keine künstlichen Rivalitäten mehr kreiert werden. Eine weitere Alternative: Man hört auf dem Höhepunkt auf.

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