Ferrari im ganz grossen Freudentaumel: 910 Tage nach dem letzten GP-Sieg von Sebastian Vettel in Singapur 2019 stand endlich wieder ein Fahrer der «Scuderia» zuoberst auf dem Podest. Charles Leclerc gewann zum Saisonstart den GP von Bahrain und weil sein Teamkollege Carlos Sainz auf Rang 2 fuhr, feierte Ferrari gar einen Doppelsieg. Die zweitlängste Durststrecke in der langen Geschichte des italienischen Rennstalls war damit endlich beendet.
Starting the 2022 season in the best way possible. No words to describe this ❤️#essereFerrari 🔴 #BahrainGP pic.twitter.com/7Uqks2NmJk
— Scuderia Ferrari (@ScuderiaFerrari) March 20, 2022
«Genau so startet man eine Saison! Doppelsieg, Baby! Mamma Mia!», funkte Leclerc nach seinem Triumph an die Box. Später wurde der Monegasse dann etwas analytischer: «Wir wussten, dass die Reglements-Änderung unsere grosse Chance ist, und das Team hat uns jetzt dieses grossartige Auto gebaut.»
Der neue Ferrari F1-75 ist tatsächlich eine Wucht, das musste sogar die Konkurrenz eingestehen. «Der Motor von Ferrari ist extrem stark, das Auto aber auch insgesamt. Man hat gesehen, wie Leclerc immer wieder von Verstappen wegfuhr. Er hat zudem einen Gewichtsvorteil gegenüber Red Bull und uns, denke ich», erklärte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Rennen.
This moment 🤩#essereFerrari 🔴 #BahrainGPpic.twitter.com/5ylEaWxT9r
— Scuderia Ferrari (@ScuderiaFerrari) March 20, 2022
Red-Bull-Boss Helmut Marko pflichtete bei: «Was uns überraschte, war der Topspeed von Ferrari, mit dem sie das Rennen durchfahren konnten», musste er eingestehen. Er legte aber sofort nach, dass man «nicht weit weg» von Ferrari sei. Dennoch ist klar, wer in den kommenden Rennen der Gejagte sein wird. Die «Scuderia» hat bislang alles richtig gemacht, vor allem aber mit dem Motor. Offenbar hat Ferrari 25 Extra-PS gefunden, dank denen sich Pole-Mann Leclerc immer wieder ohne grössere Probleme gegen die zahlreichen Attacken von Titelverteidiger Max Verstappen wehren konnte.
Dass Ferrari einen Doppelsieg feiern durfte, lag auch am unrühmlichen Rennende von Red Bull. Verstappen und sein Teamkollege Sergio Perez schieden kurz vor Schluss an Position 2 und 4 liegend aus. Offenbar hatten beide Fahrzeuge ein Problem mit der Benzinversorgung, wie der österreichische Rennstall kurz nach Rennende vermeldete.
«Zum Schluss ist es irgendwo in der Benzinzufuhr bei beiden Autos gescheitert», erklärte Helmut Marko im ORF. «Das ist auch der Grund, warum sich Perez gedreht hat, weil er in der Kurve keine Leistung mehr hatte.» Obwohl noch ausreichend Benzin im Tank war, kam bei beiden Boliden kein Sprit mehr im Motor an, wodurch dieser trocken lief.
Woher das Problem mit der Benzinpumpe kam, konnte der 78-jährige Österreicher nicht erklären. «Wir haben keine schlüssige Erklärung», so Marko. «Es ist etwas, das völlig neu aufgetreten sein muss. Ob es ein Defekt ist, in der Elektronik liegt oder was auch immer.»
Doch auch sonst war es nicht der Tag von Red Bull: Zwar konnte Verstappen insgesamt dreimal an Leclerc vorbeiziehen, doch jedes Mal konnte der Ferrari-Pilot scheinbar mühelos kontern. Also versuchten es die «Roten Bullen» an der Box, doch die beiden Undercuts scheiterten, weil Verstappen auf Anweisung seines Teams die neuen Reifen nicht gleich voll belasten durfte, da es deutlich länger dauert, diese auf Betriebstemperatur zu bringen.
Nach dem zweiten gescheiterten Versuch platzte Verstappen der Kragen. «Es ist das zweite Mal, dass ich eine ruhige Out-Lap gefahren bin. Ich hätte ganz locker in Führung sein können», schimpfte der 24-Jährige. «Ich werde das nie wieder machen», kündigte er an.
Später kamen bei Red Bull dann auch noch Lenkprobleme hinzu. «Es war fast unmöglich zu lenken und gab immer so etwas wie eine Verzögerung, bevor das Auto reagiert hat», erklärte Verstappen, der zusammen mit seinem Team nun über die Bücher muss. Für Red Bull war es schliesslich der erste Doppelausfall seit dem Österreich-GP von 2020, der damals im Corona-Jahr auch den Saisonauftakt darstellte.
Trotz eines schwierigen Wochenendes reiste Mercedes mit einem Podestplatz ab. Den dritten Rang von Lewis Hamilton sowie Rang 4 von George Russell hatten die «Silberpfeile» aber vor allem Red Bulls Doppel-Ausfall zu verdanken. Denn aus eigener Kraft hätte Mercedes beim Auftaktrennen kein Top-4-Ergebnis sicherstellen können. Rund eine Sekunde verlor der W13 im Schnitt pro Runde auf den Ferrari von Charles Leclerc und den Red Bull von Verstappen.
Doch Mercedes-Boss Wolff sieht die Situation beim Speed nicht allzu dramatisch: «Mit den Soft-Reifen sind wir fast dran, bevor der Verschleiss einsetzt. Nicht an Leclerc, aber an den anderen. Dann aber fällt der Verschleiss zu gross aus.» Daran müsse nun gearbeitet werden.
Sometimes life comes at you fast. 😂 pic.twitter.com/HAW9XKyflE
— Mercedes-AMG PETRONAS F1 Team (@MercedesAMGF1) March 20, 2022
Arbeiten muss Mercedes aber auch bei der Abstimmung: Russell sprach nach dem Rennen von «eher viel Luftwiderstand» und auch das Bouncing-Problem – das Hüpfen des Boliden bei Top-Speed – ist noch nicht komplett gelöst. «Ich denke, wir hatten wahrscheinlich zu viel Flügel und damit zu viel Luftwiderstand. Das liegt aber nur daran, dass uns momentan Teile fehlen», gab Wolff zu bedenken, ohne dabei allerdings in die Details zu gehen.
Man wisse, wo der Anspruch sei, führte Wolff weiter aus. «Aber es fehlt an der Performance – und zwar durchwegs. Am Chassis, am Motor, an den Boxenstopps. Es gibt nicht einen Bereich, wo ich sagen würde, wir performen so, wie wir das sollten.» Bleibt die Frage, wie Mercedes diese Defizite wettzumachen plant. Wolff wollte sich hier nicht festlegen. «Es wird nicht über Nacht gehen», erklärte er.
Dem pflichtete auch Lewis Hamilton bei. Er stellte «keine rasche Trendwende» in Aussicht und meinte: «Das ist uns als Team bewusst. Aber wir halten schon so lange zusammen und werden dranbleiben.» Die unerwarteten Ränge 3 und 4 nimmt man bei Mercedes deshalb als Motivation, möglichst schnell wieder dorthin zu kommen, wo die eigenen Ansprüche liegen.
Morning Team. 👊 We know there's still lots of work to do but we can't help smiling today. pic.twitter.com/cUbS2MltbG
— Mercedes-AMG PETRONAS F1 Team (@MercedesAMGF1) March 21, 2022
Auch damit hat man nicht rechnen dürfen: Alfa Romeo bringt im ersten Rennen nach der grossen Regel-Revolution gleich beide Autos in die Top 10. Valtteri Bottas als Sechster und Neuling Zhou Guanyu als Zehnter sammeln für den Zürcher Rennstall neun WM-Punkte.
Nach dem Saisonauftakt deutet vieles darauf hin, dass nach zwei schwierigen Jahren wieder bessere Zeiten auf die Hinwiler Equipe zukommen werden. Im Werk im Zürcher Oberland hat man offenbar ein Auto gebaut, das es erlaubt, wieder regelmässig in die Punkteränge zu fahren. Auch der von Ferrari bezogene Antriebsstrang scheint deutlich leistungsstärker zu sein.
Schon am Samstag liess Valtteri Bottas mit Startplatz 6 im Qualifying aufhorchen. Im Rennen büsste der von Mercedes gekommene Finne in der Startrunde zwar gleich acht Positionen ein, kämpfte sich danach aber kontinuierlich wieder nach vorne. Dass er sich am Ende hinter dem verblüffend starken Dänen Kevin Magnussen im Haas als Sechster genau an jener Stelle klassierte, von welcher er in das Rennen gestartet war, war auch den Ausfällen geschuldet.
First race, first points finish for @ZhouGuanyu24!#BahrainGP #F1 pic.twitter.com/OctEuV4I4z
— Formula 1 (@F1) March 20, 2022
Davon profitierte letztlich auch Zhou Guanyu. Der von Startplatz 15 losgefahrene Chinese war unmittelbar nach dem Start ganz ans Ende des Feldes zurückgefallen. Doch wie Bottas konnte sich auch der talentierte Asiate im Verlauf des Rennens steigern. Letztlich holte sich Zhou beim Debüt als erster Chinese in der Formel 1 einen WM-Punkt.
Ein Auftritt, den vor der Saison nur die kühnsten Optimisten für möglich gehalten hätten, und der den Alfa-Romeo-Fahrer selbst sehr emotional zurücklässt: «‹Emotional› ist das richtige Wort. Ich war so darauf fokussiert, mich im Feld wieder nach vorne zu arbeiten. Wann immer sich die Gelegenheit zu überholen bot, habe ich sie wahrgenommen.»
Im ersten freien Training überraschte Pierre Gasly mit der Bestzeit und auch im Rennen war der Franzose schnell unterwegs: Bis kurz vor Schluss lag er in seinem AlphaTauri auf Punktekurs. Doch zehn Runden vor Schluss ging sein überhitzter Bolide wegen eines technischen Defekts plötzlich in Flammen auf.
Richtig bedrohlich war die Situation für Gasly aber offenbar nicht. Ohne grosse Hektik sprang der 26-Jährige aus dem Auto, während ein Feuerwehrmann den Brand zu löschen begann. Das Visier von dessen Helm blieb dabei die ganze Zeit oben – schliesslich ist so ein Heck-Feuer in der Formel 1 offenbar keine grosse Sache.
Überarbeitet wurde auf die neue Saison auch das Anzeige-Design der Live-Resultate, die jeweils am Bildschirm-Rand eingeblendet werden. Dieses wurde allerdings «verschlimmbessert»: Kleinere Zahlen, Startnummern statt Teamlogos und ein schlechterer Farbkontrast sorgen vor allem auf kleineren Bildschirmen für ein klar schlechteres Seherlebnis.
Ein kleines bisschen Schadenfreude hat sich am Schluss dann auch noch eingestellt, als die Bullen kurz vor Schluss den Geist aufgaben. Die überheblichen RBler hatten einen kleinen Dämpfer nötig (jaja, Verstappen Fans, steinigt mich :p).
Dass Ferrari wieder vorne mitfährt, ist umso schöner.