Das Coronavirus wird auch in der Formel 1 immer mehr zum Thema. Im Fahrerlager in Melbourne, wo am Sonntag die Saison mit dem Grand Prix von Australien inklusive Zuschauer eröffnet wird, sind die ersten drei Verdachtsfälle aufgetreten.
Bei den Betroffenen handelt es sich um einen Angestellten des Teams McLaren und um zwei Mitarbeiter der Equipe Haas. Sie befinden sich derzeit isoliert in ihren Hotelzimmern. Die beiden Rennställe haben die Fälle bestätigt. Es handle sich um Vorsichtsmassnahmen, man warte die Ergebnisse der Tests ab. Dabei soll herausgefunden werden, ob sich die Mitarbeiter mit Virus infiziert haben.
Auf der Plattform change.org wurde derweil eine Petition ins Leben gerufen, die eine Austragung des Grand Prix an diesem Wochenende verhindern soll. Unter dem Titel «Don't bring Coronavirus to Melbourne» macht man sich gegen eine Durchführung stark. Am Mittwochmorgen hatten bereits mehr als 8500 Menschen virtuell unterschrieben.
Das ist noch unklar. Eigentlich hätte der Kalender der Formel-1-WM in diesem Jahr 22 Rennen und damit so viele wie noch nie beinhaltet. Ob die Rekordzahl wegen der Ausbreitung des Coronavirus aber wirklich erreicht werden kann, ist mehr als fraglich.
Der Grand Prix von China gilt offiziell zwar nur als verschoben. Noch wurde für den am 19. April geplant gewesenen vierten WM-Lauf aber kein Ersatzdatum bestimmt. Wegen des dicht gedrängten Kalenders deutet vieles daraufhin, dass das Rennen in Schanghai ersatzlos gestrichen wird.
Auch andere Grands Prix stehen auf der Kippe. Der eine Woche nach dem Auftaktwochenende in Australien angesetzte Grosse Preis von Bahrain wird wegen des Coronavirus ohne Zuschauer stattfinden. Ein grosses Fragezeichen steht weiterhin hinter der Premiere in Vietnam. Das Rennen auf dem Stadtkurs in Hanoi ist als dritte WM-Prüfung geplant.
Ebenfalls neu beziehungsweise wieder im Kalender figuriert der Grand Prix der Niederlande. Die Formel 1 kehrt nach 35 Jahren Absenz in die Heimat von Max Verstappen zurück. Gefahren wird Anfang Mai in Zandvoort. Eine Steilkurve soll zusätzlich für Spektakel sorgen. Gekippt wurde die Traditionsveranstaltung auf dem Hockenheimring. Das Risiko eines Minusgeschäfts war für die Organisatoren nicht mehr tragbar.
Nein, es gibt nur EIN neues Gesicht. Die Formel-1-Teams setzen 2020 weitgehend auf bewährtes Personal. Von den zehn Equipen haben lediglich Williams und Renault einen Fahrer getauscht. Der einzig richtige Neuling ist Nicholas Latifi. Der Kanadier mit iranischen Wurzeln ersetzt bei Williams den Polen Robert Kubica, der fortan in der DTM und als Ersatz- und Testpilot für Alfa Romeo tätig sein wird.
Latifi ist für einen Debütanten mit seinen 24 Jahren verhältnismässig alt, sein Leistungsausweis überschaubar. Allein mit dem 2. Gesamtrang in seiner sechsten Saison in der Formel 2 dürfte er die Verantwortlichen bei Williams nicht überzeugt haben. Mit seinem Vater Michael Latifi, der einst als Jugendlicher aus dem Iran floh und heute zu den reichsten Unternehmern Kanadas gehört, weiss er aber einen potenten Geldgeber an seiner Seite.
Beim zweiten «Neuling» im Starterfeld handelt es sich um einen Rückkehrer. Esteban Ocon hatte nach drei Jahren als Grand-Prix-Fahrer von Manor und Racing Point in der vergangenen Saison die Rolle des Ersatzfahrers bei Mercedes innegehabt. Viele dachten deshalb, der talentierte Franzose würde auf diese Saison hin im Weltmeister-Team zum Stammfahrer aufsteigen und Valtteri Bottas als zweiten Fahrer hinter Lewis Hamilton ablösen.
Weil die Silberpfeile aber wie alle anderen Topteams an ihrer Fahrerpaarung festhielten, landete Ocon bei Renault. Der 23-Jährige ersetzt den Deutschen Nico Hülkenberg und soll gemeinsam mit Daniel Ricciardo dafür sorgen, dass sich das potente französische Werkteam (endlich) der Spitze nähert.
Bevor die Formel 1 2021 durch weitreichende Reformen umgekrempelt wird, erfährt das Reglement auf diese Saison hin nur wenige Retuschen. Die von der FIA vorgenommenen Änderungen im Detail:
2019 wurde eine LED-Tafel eingeführt, die das offizielle Ende eines Grand Prix anzeigen sollte. Nachdem ein Fehler in der Software das Rennen in Japan eine Runde zu früh beendet hat, zählt ab 2020 wieder die schwarz-weiss karierte Flagge als offizieller Rennschluss.
Die Testfahrten vor dem Saisonstart wurden von acht auf sechs Tage reduziert. Die ersten Tests mit den ab 2021 gültigen 18-Zoll-Reifen finden nach der Saison in Abu Dhabi an drei statt zwei Tagen statt.
Bis zum letzten Jahr durften die Formel-1-Fahrer die gesamte Saison mit nur einem Helmdesign absolvieren. Lediglich bei einem Rennen war es ihnen erlaubt, eine spezielle Bemalung zu verwenden. 2020 kippte die FIA diese Regel. Künftig dürfen die Fahrer ihre Helmdesigns wieder nach Belieben ändern.
Der Antrieb besteht aus sechs verschiedenen Systemen. Eines davon nennt sich MGU-K. Bei dieser Motorkomponente wird beim Bremsen frei werdende kinetische Energie in Strom umgewandelt. In diesem Jahr dürfen die Fahrer zwei statt wie bisher drei Einheiten davon verwenden. Bei den anderen Komponenten wie Batterie und Steuergeräten sind weiterhin zwei Stück erlaubt.
Zwar haben die Fahrer bei den Starts nach wie vor ein paar elektronische Hilfen zur Verfügung. Das richtige Gefühl im Finger der Piloten ist aber wichtiger als in den Jahren zuvor. Fortan hängt 90 Prozent des Motor-Drehmoments am Kupplungshebel des Fahrers.
Die üblichen Verdächtigen. Allen voran Titelverteidiger Lewis Hamilton, dann sein Teamkollege Valtteri Bottas, die beiden Ferrari-Piloten Sebastian Vettel und Charles Leclerc sowie der unberechenbare Max Verstappen im Red Bull.
Zumindest zum ersten Grand Prix wird Mercedes als Favorit antreten. Die Titelverteidiger sollen einen zeitlichen Vorsprung von zwei bis drei Zehnteln auf den erwarteten ersten Verfolger Red Bull haben. Die Angaben beruhen natürlich wie immer auf Annahmen nach den Testfahrten ohne exakte Grundlagen in Bezug etwa auf Benzinmenge oder Motorprogramm.
Surf vibes in Melbourne 🌊
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Zum Selbstläufer wird für Hamilton der neuerliche Triumph auf jeden Fall nicht werden. Max Verstappen sieht die Voraussetzungen erfüllt, am Thron des Engländers rütteln zu können. Der Niederländer glaubt, mit dem neuen Red Bull über ein Auto zu verfügen, das es ihm erlaubt, ganz vorne mitzumischen. Der noch einmal verbesserte, von Honda gelieferte Antrieb stärkt Verstappens Zuversicht zusätzlich.
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Und Ferrari? Nach Hochrechnungen liegt die «Scuderia» im Vergleich mit Mercedes mit vier bis sechs Zehnteln pro Runde im Hintertreffen. Vermutungen, sie hätten bei den Testfahrten im Februar die Motorleistung absichtlich zurückgeschraubt, dementierten die Entscheidungsträger der Scuderia.
«Mehr geht im Moment nicht. Wie gross unser Rückstand effektiv ist, werden wir aber erst in den Rennen sehen», sagt Teamchef Mattia Binotto. Sebastian Vettel haut in die gleiche Kerbe. «Wir sind nicht so schlecht, wie es möglicherweise von aussen aussieht. Wir sind aber auch nicht so gut, wie wir es uns wünschen», sagt der Deutsche, der sich erneut auch dem internen Duell mit Charles Leclerc stellen muss. Der junge Monegasse hat sich den Status des gleichberechtigten Fahrers nach dem gelungenen ersten Jahr im Dienst von Ferrari redlich verdient.
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Auch das steht noch in den Sternen. In Hinwil glauben sie, dass das neue Auto, der C39, zur Verbesserung der Position in der Konstrukteure-Wertung taugt. In den letzten zwei Jahren hat es jeweils zu Rang 8 gereicht. Erster Garant für die Steigerung soll Kimi Räikkönen sein. Der mittlerweile 40-jährige Finne hatte in der ersten Saison nach seiner Rückkehr von Ferrari den Grossteil des Punktetotals beigesteuert.
Im zweiten Auto sitzt wie im vergangenen Jahr Antonio Giovinazzi. Obwohl er lange Zeit Mühe bekundet und den ersten WM-Punkt erst im neunten Grand Prix eingefahren hatte, hielt Vasseur im Sinne von Partner Ferrari am Italiener fest. Ansonsten hat Alfa Romeo vor allem technisch aufgerüstet. Der vor kurzem in Betrieb genommene Fahrsimulator soll das Team einen Schritt nach vorne bringen, ein entscheidender Nachteil im Vergleich zur direkten Konkurrenz wurde damit wettgemacht.
Kimi 🗣️“It doesn’t really matter if it is the start or the end of the season, every race is worth the same amount of points. We all did our homework and I am confident that we can achieve good results in Melbourne.”
— Alfa Romeo Racing ORLEN (@alfaromeoracing) March 9, 2020
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Eine Garantie für bessere Platzierungen ist das allerdings noch lange nicht, denn die Konkurrenz hinter den «Big 3» ist gross. Mit Renault hat Alfa Romeo ein Werkteam zum Gegner, das endlich den nächsten Schritt Richtung Spitze machen will. Racing Point scheint mit dem neuen Auto, einem Nachbau des letztjährigen Mercedes, die Basis für weitere Fortschritte gelegt zu haben. McLaren will den in der letzten Saison gemachten Quantensprung zumindest bestätigen. AlphaTauri, das bisher als Toro Rosso firmierte, Haas, das zweite Kundenteam von Ferrari, und selbst Williams, im vergangenen Jahr deutlich abgefallen, müssen ernst genommen werden. (pre/sda)