Den Satz sagt Malin Gut ganz am Ende des Gesprächs. Eine halbe Stunde lang hat sie erzählt, über ihren Kreuzbandriss, den mühsamen Weg zurück alleine im Kraftraum. Über Momente, in denen es ihr nicht gut ging. Nun wird sie gefragt, wie sie ihre Zukunft sieht. Malin Gut strahlt und sagt dann: «Im letzten Jahr habe ich mich zum ersten Mal nicht mit der Zukunft befasst, sondern nur mit der Gegenwart. Mein Traum war es nur, wieder gesund zu werden. Jetzt hätte ich eigentlich Platz für einen neuen Traum. Aber was der sein wird, das weiss ich noch nicht.»
Die Gegenwart, sie ist genau das, was sich Gut gewünscht hat. Die 21-jährige Aargauerin sitzt in einem Sitzungszimmer im Hotel Seedamm in Pfäffikon, trägt das Outfit des Schweizer Nationalteams. Endlich wieder.
Im Mai 2021 reisst sich Malin Gut im Training von Arsenal das Kreuzband im linken Knie. Die Zeit danach: Reha, Kraftraum, viel Arbeit. «Erst wenn man eine so schwere Verletzung erlebt, weiss man was das wirklich bedeutet», erzählt Gut heute. Auf gutem Weg zurück rutscht sie im November beim Wandern aus. Es wirft sie um Wochen zurück.
Schon da ist sie wieder in der Schweiz, die Reha will sie in gewohntem Umfeld absolvieren. Im Winter unterzeichnet Gut immer noch verletzt einen Vertrag bei GC.
Auf Instagram schreibt sie daraufhin, mit der Zeit bei Arsenal sei ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Doch der Traum, er stellte sich in der Realität als weniger rosiger heraus als in der Vorstellung. Die junge Fussballerin vermisste trotz Spielzeit ihr gewohntes Umfeld und sah nach der Verletzung keinen Grund, länger in London zu bleiben. Die Mittelfeldspielerin stellte sich in dem Jahr bei Arsenal eine Grundsatzfrage und kam zum harten Schluss: «Das Profileben passt momentan nicht zu mir!»
Gut führt aus, dass sie ein breit interessierter Mensch sei, der sich nicht nur auf den Fussball fokussieren möchte. «Ich bin dankbar, durfte ich das Profileben kennen lernen. Doch für mich ist es derzeit nicht ganz das richtige.»
Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz beginnt die Aargauerin in Zürich ein Psychologie-Studium, bricht es aber wieder ab, weil es ihr nicht gefällt. «Zudem war es nicht einfach, das Studium mit dem Fussball unter einen Hut zu bekommen», sagt sie. Die Prüfungszeit etwa wäre genau während der Vorbereitungsphase für die EM gewesen. «Danach habe ich in einer Primarschule als Klassenassistenz gearbeitet. Das hat mir sehr gefallen», schwärmt Gut. In der schweren Zeit habe das andere Leben neben dem Fussball für den nötigen Ausgleich gesorgt. In Gut wuchs die Erkenntnis, dass sie neben dem Fussball anderes braucht.
Sie findet es wichtig und richtig, dass der Frauenfussball professioneller wird. Für viele Spielerinnen passe das, sagt Malin Gut. «Und ich bleibe auch offen dafür, das Profileben nochmals zu probieren.» Klar ist für sie aber: Würde sie wieder Profi, dann würde sie die Zeit daneben sinnvoll nutzen wollen. Wo es weitergeht für die talentierte Mittelfeldspielerin, ist noch offen. Der Vertrag bei GC lief aus.
Malin Gut gilt als Wunderkind des Schweizer Frauenfussballs. Mit 15 debütiert sie für den FC Zürich, sie ist im zentralen Mittelfeld gesetzt. Sie sieht Räume, die andere nicht sehen, hat ein wunderbares Spielverständnis. Bereits als junge Spielerin zieht sie die Fäden im zentralen Mittelfeld. Mit 18 spielt sie für die Schweiz. Der heutige Nationaltrainer Nils Nielsen sagt über Gut: «Malin ist auf ihrer Position eines der grössten Talente Europas.» Schon der damalige Arsenal-Manager Joe Montemurro hatte nach der Verpflichtung gesagt: «Malin wird eine der besten der Welt sein.»
Schon in sehr jungen Jahren wird Gut mit Zürich dreimal Schweizer Meister, gewinnt dreimal den Schweizer Cup und spielt regelmässig in der Champions League. Doch wie jetzt mit der frühen Rückkehr in die Schweiz, fällt sie eine Entscheidung, die von aussen überrascht. Im Sommer 2019 schliesst sie sich Stadtkonkurrent GC an. «Ich wollte ausbrechen und etwas Neues probieren. Bei den Grasshoppers konnte ich in eine andere Rolle schlüpfen», so Gut. Ein Jahr ist sie bei GC eine Leaderin, nach der Matura wechselt sie zu Arsenal. Dort spielt sie zu Beginn mit ihren Nati-Kolleginnen Lia Wälti und Noelle Maritz meistens, verliert gegen Ende Saison ihren Stammplatz aber immer häufiger. Und dann kam die Verletzung. Der Abgang bei Arsenal war einer durch die Hintertür.
Nun träumt Malin Gut von der Rückkehr nach England – für die Europameisterschaft. Ob es für die einstige Senkrechtstarterin einen Platz im definitiven Kader gibt, hängt in erster Linie von Guts Fitness ab. Nationaltrainer Nielsen schwärmt von seiner Spielerin in den höchsten Tönen, sagt aber auch: «Sie ist weit, hat aber noch keine Spielzeit. Es muss sich noch zeigen, wie gut sie sich erholen kann.»
Malin Gut selber sagt, sie fühle sich schon gut und sie wolle unbedingt beim Turnier dabei sein. «Aber ich setze mich nicht unter Druck. Schon nur, dass ich jetzt hier sein darf, ist eine riesige Belohnung für mich.» Für all die harten Stunden auf dem Weg zurück.