
Nationalspielerin Lara Dickenmann wünscht sich, dass dem Frauenfussball mehr Respekt gezollt wird.Bild: KEYSTONE
Frauenstreik
Anlässlich des Frauenstreiks spricht die Rekordnationalspielerin Lara Dickenmann über die Schwierigkeiten des Schweizer Frauenfussballs. Sie hadert mit der fehlenden Gleichberechtigung sowie dem ausbleibenden Fortschritt – und zeigt zugleich mögliche Lösungswege auf.
14.06.2019, 14:2314.06.2019, 12:27
lara dickenmann / ch media
«Die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist im Fussball ja offensichtlich. Das Argument, weshalb die Männer so viel mehr verdienen als wir, ist ja häufig, dass sie viel mehr Geld generieren als wir Frauen. Das stimmt natürlich. Aber in Lyon, wo ich gespielt habe, hatten die Frauen einen extrem positiven Einfluss auf das Image des Klubs. Das ist ja auch wichtig für das Geschäft.
Als Frau muss man in unserem Sport immer extrem um alles kämpfen, damit man etwas bekommt. Und meistens bekommt man dann nicht das, was man wollte, und gibt sich dann trotzdem damit zufrieden. Ich möchte die Leistungen der Männer keinesfalls schmälern. Aber sie müssen in unserem Sport auf höchstem Level um nichts kämpfen. Klar wird auch verhandelt. Aber grundsätzlich ist es doch so, dass sie grössere Stadien, bessere Trainings-Infrastrukturen etc. erhalten – vom Lohn wollen wir gar nicht erst sprechen.

2017 wurde Lara Dickenmann Schweizer Sportlerin des Jahres.Bild: KEYSTONE
Letztlich hat doch alles mit Wertschätzung zu tun. Wenn ich sehe, wie viel wir Frauen in unseren Sport investieren, daneben noch arbeiten und trotzdem kaum Unterstützung erhalten, dann stimmt mich das traurig. Gerade in der Schweiz hinken wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gewaltig hinterher. Dabei hätten wir in unserem Land ja die Mittel dazu. Es wäre schön, wenn wir mal eine Vorreiterrolle einnehmen würden. Und zwar nicht nur, damit am Ende die Bilanz aufgeht, sondern aus Prinzip, aus Überzeugung. Auf so ein Zeichen warte ich in der Schweiz vergebens. Ich finde es sehr traurig, wie der Frauenfussball in unserem Land immer noch belächelt wird. Man muss doch nur in unser Nachbarland nach Frankreich schauen, wo derzeit die WM stattfindet. Schauen Sie sich mal an, was dort abgeht. Auch in anderen Ländern wie Deutschland. Das ist kein Vergleich.
Was es in der Schweiz bräuchte? Jemanden, der einfach mal Geld in unseren Sport investiert, der ein Profiteam gründet, das auch international mithalten kann. So gehen unsere besten Spielerinnen alle ins Ausland. Ich persönlich könnte nie in der Schweiz spielen. Nicht wegen des Niveaus, sondern schlicht und einfach, weil ich meinen Sport nicht professionell ausüben könnte. Das ist letztlich ein Teufelskreis. Ohne die besten Spielerinnen, wird auch die Attraktivität der Liga nicht besser. Jetzt muss mal jemand einen Schritt machen. Und zwar einen grossen. Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen und kosmetischen Eingriffen bleiben.»
So erleben andere Sportlerinnen die Ungleichheit
Belinda Bencic (Tennis):
«Bei den Grand-Slam-Turnieren spielen die Männer manchmal über vier Stunden, während bei uns ein Spiel 6:1, 6:2 endet. Da verstehe ich, dass die Männer nicht so happy sind, dass es dafür das gleiche Preisgeld gibt. Anderseits sind die Preisgelder bei anderen Turnieren bei den Frauen tiefer. Generell haben viele Top-Athletinnen in den letzten Jahren den Weg geebnet – etwa bei den Sponsoren. Ich finde, man sollte aufpassen mit den Forderungen: Viele Frauen übertreiben es und wollen noch mehr. Ich finde: Gleichberechtigung heisst, dass beide Geschlechter gleich behandelt werden. Dafür stehe ich ein.»

Bild: EPA/EPA
Heidi Diethelm-Gerber (Schiessen):
«Ich fühlte mich als Frau noch nie benachteiligt in meiner Sportart. Wer erst mit 40 zu schiessen beginnt, darf keine Mimose sein. Wir erhalten gleich viel Preisgeld und geben seit 2017 mit der Luftpistole 60 Schuss ab. Bis dahin war das Programm für die Frauen mit 40 Schuss kürzer. Wer will, kann sich nun mit den Männern vergleichen. Wir Frauen schauen manchmal, wie hoch die Qualifikationshürde für den Männerfinal gewesen wäre. Es fehlt oft nicht viel. Selbst die Schweizer Schützen, die oft als konservativ gelten, begegnen mir mit Respekt. International wurde das Schiessen frauenlastiger mit mehr Disziplinen und gleich grossen Teilnehmerfeldern. Streiken werde ich heute auf keinen Fall.»

Bild: AP/AP
Karin Weigelt (Ex-Handball):
«Es ist wichtig, dass auf die Gleichstellung aufmerksam gemacht wird. Anderseits bezweifle ich, dass ein Streik das richtige Mittel ist. Das Thema darf nicht zu einem Kampf «wir gegen Männer» werden. Aber, ja: Die Schweiz ist zu wenig weit, auch im Sport. Ich sehe zwar ein, dass Männersport oft mehr Sponsorengelder generiert. Und ich finde es daneben, wenn erwartet wird, dass Fussballerinnen gleich viel verdienen sollen wie ihre männlichen Kollegen, die riesige Stadien füllen. Aber: Medien und Sportverbände müssten ein Gleichgewicht schaffen. Es geht nicht, dass Verbände Auswahl-Spielerinnen tiefere Taggelder auszahlen. Es geht auch darum, aufzuzeigen: Sport ist keine Männerdomäne! Ich habe in meinen Jahren in Norwegen eine weit offenere Gesellschaft erlebt.»

Bild: KEYSTONE
Salomé Kora (Leichtathletik):
«Wir haben in der Leichtathletik den Vorteil, dass Männer und Frauen bei den gleichen Meetings starten, die WM und die EM zusammen austragen. Deshalb nehme ich keinen Unterschied in der Aufmerksamkeit wahr. Natürlich ist die Einschaltquote beim 100-m-Final der Männer etwa an Olympischen Spielen am grössten. Die Zuschauer wollen sehen, wer der schnellste Mensch der Welt ist – und das ist eben der Mann. In der Schweiz profitieren wir zudem davon, dass die Frauen, etwa Mujinga Kambundji, Selina Büchel oder Lea Sprunger, sehr erfolgreich sind. Auch die Staffel bekommt viel Aufmerksamkeit. Es ist jedoch eine Tatsache, dass Frauen in der Leichtathletik mehr Haut zeigen. Früher habe ich mich dabei nicht wohl gefühlt. Heute stört es mich immer weniger. In der Leichtathletik arbeiten wir stark mit dem Körper, er steht im Vordergrund, ist unser Kapital. Da gehört es auch ein bisschen dazu.»

Bild: KEYSTONE
Frauenstreik am 14. Juni 2019
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Frauenstreik am 14. Juni 2019
quelle: keystone / peter klaunzer
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Chris69
Nicht alle Problem sind von Männer verursacht. Frauen, geht ins Stadion, unterstützt andere Frauen und das Problem ist bald gelöst
neutrino
raues Endoplasmatisches Retikulum
Ihr Lösungsvorschlag:
"Jemanden, der einfach mal Geld in unseren Sport investiert, der ein Profiteam gründet, das auch international mithalten kann."
Das trifft auf jede (!) Sportart zu. Würde jemand Millionen ins Unihockey buttern, wo die CH immerhin absolute Weltspitze ist, dann hätten wir da auch Profis und nicht nur Hobby-Spieler und Halbprofis.
Nur interessieren sich halt nicht so viele Menschen für Unihockey. Oder Handball, oder Basketball oder Turnen oder oder oder..