Josip Drmic brachte die Schweiz in der 4. Minute mit ihrem ersten Angriff sogleich in Führung, am Ende bewahrte ein Flachschuss des eingewechselten Fabian Frei in der 87. Minute den Zwölften des FIFA-Rankings vor einem resultatmässig misslungenen Abschluss der ersten Tranche unter dem neuen Trainer Vladimir Petkovic. Frei durfte erstmals seit Februar 2012 (gegen Argentinien) wieder im A-Nationalteam spielen, sein erstes Tor machte aus der drohenden fünften Niederlage des Jahres noch ein Remis.
Der kalte Wind, der 90 Minuten lang durch die fast ausverkaufte Breslauer EM-Arena von 2012 blies, konnte weder dem Spielfluss noch der guten Stimmung etwas anhaben. Die Schweizer Auswahl, in deren Startformation noch vier Spieler aus der Partie gegen Litauen standen, trug ihren Teil zum attraktiven Duell bei.
Dass sie sich primär vor der Pause wieder mehrere Torchancen erarbeitete, war die Fortsetzung der spielerisch durchaus sehenswerten Auftritten unter Petkovic. Es bestätigte sich in diesem zwölften und letzten Länderspiel des Jahres 2014 aber auch, wo das grösste Schweizer Manko zu finden ist: In der Chancenverwertung. Durch Drmic und Shaqiri kamen sie vor dem Seitenwechsel zu vier sehr guten Möglichkeiten.
Die sieben Neuen, die im Vergleich zum 4:0-Sieg gegen Litauen zum Einsatz kamen, knüpften in Sachen Effizienz an die Leistung der Teamkollegen in der Schlussphase vom Samstag an. Dieses Mal dauerte es nicht mehr 66 Minuten bis zum ersten Tor, sondern nur 232 Sekunden. Den ersten Schweizer Angriff schloss Drmic zum 1:0 ab. Der Leverkusener verwertete Shaqiris optimal getimtes Zuspiel im Stile eines Goalgetters. Jene Form hatte Drmic in der letzten Bundesliga-Saison 17 Treffer und den Transfer zu Bayer eingetragen.
Bei der Werkself dürften die guten Leistungen des Edelreservisten im Dress des Schweizer Nationalteams mit Interesse zur Kenntnis genommen werden, für Drmic sind sie Werbung für mehr Einsätze im Klub. Überhaupt war zum wiederholten Male augenfällig, wie spielfreudig sich Drmic an der Seite von Shaqiri zeigt.
Das war an der WM gegen Honduras schon so, das war am letzten Samstag nach seiner Einwechslung so. Shaqiri fiel vor allem vor der Pause in der Rolle des Spielgestalters mit präzisem Passspiel und durch viel Laufbereitschaft auf. Als ob er der harschen Kritik von Bayern Münchens Trainer Pep Guardiola, die in der Boulevardzeitung «Bild» (fehlende Spielintelligenz, zu wenig weiterentwickelt, nicht clever genug) verbreitet wurde, entgegenwirken wollte.
Einen dauerhaft guten Eindruck hinterliess Roman Bürki. Der Keeper rechtfertigte sein Debüt mit einer Reihe von erstklassigen Paraden, die erste davon bereits nach 54 Sekunden. Daneben wehrte er schwierige Bälle ab, mehrmals gegen Polens Captain Robert Lewandowski (17./34./8.), oder auch gegen Maciej Rybus (24.). Beim zweiten Gegentor wäre er aber in einem Wettbewerbsspiel kaum mehr zwischen den Pfosten gestanden.
Beim Herauslaufen rannte er den heranstürmenden Lewandowski um und sah dafür nur gelb. Der folgende Freistoss durch Ajax Amsterdams Youngster Arkadiusz Milik führte zum 2:1 für Polen. Der war zu präzise getreten, um abgewehrt zu werden. Deshalb sprach Bürki im TV-Interview von gemischten Gefühlen. «Ich hatte zwar einige Möglichkeiten, mich auszuzeichnen. Aber beim Herauslaufen vor dem zweiten Gegentreffer zögerte ich, weil ich weder ihn noch mich selber verletzten wollte.»
Petkovic konnte mit einer gewissen Gelassenheit zur Kenntnis nehmen, dass auch der zweite Anzug ziemlich gut sitzt. Auf der Goalieposition hat die Schweiz ohnehin ein Luxusproblem, Linksverteidiger François Moubandje empfahl sich gegen den Leader der EM-Qualifikationsgruppe D als dauerhaften Backup für Ricardo Rodriguez, Gelson Fernandes agierte im Mittelfeld wie gewohnt defensiv solider als im Spiel nach vorne. Der Nati-Trainer meinte nach dem Spiel dann auch zufrieden: «Ich glaube, man hat gesehen, dass das Team Lust hat, Fussball zu spielen. Wir haben in den letzten drei Spielen zehn Tore erzielt und uns 30 oder mehr Chancen erspielt.» (si/cma)