Es hat sich abgezeichnet – nun herrscht Gewissheit: Nati-Trainer Vladimir Petkovic bestätigt zum Auftakt der Pressekonferenz in San Marino, dass die Schweiz am Dienstag die ersten Punkte der EM-Qualifikation ohne Gökhan Inler einfahren muss.
«Ich gehe davon aus, dass er nicht dabei sein wird. Eine Muskelverletzung muss man akzeptieren, auch aus Respekt gegenüber Napoli. Wenn ein Spieler nicht hundertprozentig fit ist, dann muss ich ihn ersetzen», erklärt Petkovic den Entscheid.
Inler hat die Reise nach San Marino zwar mitgemacht, doch er wird der Mannschaft nur als Leader neben dem Feld zur Verfügung stehen. Für ihn rutscht wohl Pajtim Kasami in die Startelf. Valon Behrami traut sich zu, in der Abwesenheit des Nati-Captains die Rolle des Spielmachers zu übernehmen: «Ich habe die Qualität dazu. Wir sind zwar verschiedene Typen und ich komme nicht so oft zum Abschluss wie er, doch dafür kann ich unsere Aussenverteidiger Stephan Lichtsteiner und Ricardo Rodriguez optimal einsetzen.»
Eine negative Überraschung bietet sich dem Schweizer Delegation beim Abschlusstraining im «Stadio Olimpico di Serravalle»: Zwar ist das Schmuckkästchen mit 6'664 Plätzen äusserlich gut in Schuss und idyllisch gelegen, doch der Rasen hat seine besten Zeiten schon hinter sich.
SRF-Radio-Experte Mauro Lustrinelli weiss als ehemaliger Goalgetter, dass die Schweiz dadurch eher benachteiligt ist: «Das sieht gar nicht gut aus. Hoffentlich gibt es in der Nacht noch Feuchtigkeit, dann ist der Platz wenigstens nicht stumpf.»
Die Fans kommen dafür rund ums Stadion auf ihre Kosten. Eine Statue erinnert an Formel-1-Champ Ayrton Senna, der 1994 beim Grand Prix von San Marino auf dem Kurs von Imola verstorben ist.
100 Meter nebenan bietet sich ein kurioses Bild. Bei einer Aussentemperatur von 25 Grad fahren die San Marineser Ski! Glauben Sie nicht? Ist aber so! Das Zauberwort heisst Geo-Ski: Auf einer kurzen Piste von rund 50 Metern stürzen sich die wagemutigen Einheimischen in voller Montur auf einem Kunststoffbelag in die Tiefe.
Stephan Lichtsteiner gibt Auskunft über das Nati-Programm nach der Ankunft auf dem Flughafen von Rimini: «Wir haben den Nachmittag für eine Videoanalyse von San Marino genutzt. Sie spielen ein kompaktes 5-4-1 mit engen Linien und haben das Zentrum zu. Das heisst, wir müssen gut über die Seiten spielen.»
Das Problem: Die Innenverteidiger des Gegners sind gross gewachsen und gelten als Kopfballstark – ein Prädikat, welches die Schweizer Offensivabteilung nicht unbedingt für sich beanspruchen kann. Wer soll die Flanken verwerten? Mit Nati-Neuling Michael Frey (1,88 m) hätte Vladimir Petkovic für dieses Szenario ein Ass im Ärmel.
Stephan Lichtsteiner bildet nach Inlers Ausfall mit Steve von Bergen gegen San Marino die schrumpfende Senioren-Fraktion. Der 30-Jährige nimmt seine Mitspieler in die Pflicht: «Jeder weiss, was es geschlagen hat. Wir stehen immer noch mit null Punkten da, jetzt mag es nur noch wenig verleiden. Ich hoffe, dass das auch die Jungen kapiert haben – und wenn nicht, dann werde ich dafür sorgen.»
Lichtsteiner warnt vor allem davor, die Aufgabe nonchalant anzugehen: «Im heutigen Fussball darfst du niemanden mehr unterschätzen. Eine oder zwei Sekunden nicht aufgepasst – und schon ist ein Ball drin. Wir sind klarer Favorit und müssen gewinnen. Je schneller das Spiel entschieden ist, desto besser ist das für das Team.»
Auch SRF-Kommentator Sascha Ruefer ist in San Marino ein gefragter Interviewpartner. Er geht das Länderspiel gegen den Fussballzwerg locker an: «Die Motivation ist da, ich freue mich – aber die Anspannung ist lange nicht so gross, wie vor einem Spiel gegen England. Ich werde auch nicht jedes Tor so extrem bejubeln, da muss man sich schon anpassen.»
Für Ruefer kommt ein Scheitern der Nati gar nicht in Frage: «Ich habe versucht, mir das vorzustellen, aber es geht einfach nicht. Die packen das schon noch.»
Was sagt der TV-Mann eigentlich zum «Nocommentator», dem Gerät, welches ein Basler Toningenieur entwickelt hat, um die «nervigen Kommentatoren» auszublenden? Ruefer: «Ich habe davon gehört und wünsche ihm viel Glück damit. Wenn es eine Nachfrage gibt, dann wird er Erfolg haben. Ich persönlich lasse mich bei einem Fussballspiel lieber gut unterhalten.»