Das Video dauert 23 Sekunden. Es zeigt einen Jungen im Barcelona-Trikot. Er blickt in die Kamera und sagt: «Hello Lionel Messi. I love you.» Dann schnappt er sich einen Fussball, jongliert diesen gekonnt, zum Abschluss vollführt er einen perfekt ausgeführten Fallrückzieher, der Ball landet im Tor. Arat Hosseini heisst der Junge, sechs Jahre alt ist er, auf Instagram hat er 4,1 Millionen Follower.
Hosseini ist das neuste Beispiel eines talentierten Fussballwunderkindes. Er stammt aus dem Iran, mit seinem Vater ist er inzwischen nach England gezügelt mit der Hoffnung bei einem grossen Profiklub zu unterschreiben. Inzwischen trainiert der Sechsjährige, der schon ein Sixpack besitzt, in der Liverpool Academy. Der englische Meister FC Liverpool kann ihn aber nicht unter Vertrag nehmen. In diesem bekannten Fall würde es wohl auffallen, wenn ein Vertrag unterschrieben würde. Internationale Transfers von Kindern sind verboten. Die Website des Fussballweltverbandes Fifa bezeichnete Hosseini in einem Artikel als neuen Lionel Messi.
Ausgerechnet. Mit Lionel Messi startete der lukrative Kinderhandel im Fussball. 13 Jahre als ist Messi, als der FC Barcelona 2000 auf den kleinwüchsigen Jungen aus Argentinien aufmerksam wird. Der spanische Topklub verpflichtet Messi, ermöglicht ihm eine Hormontherapie, damit er wächst, seine Eltern erhalten Jobs. Später ist Lionel Messi Millionen wert, er wird sechs Mal Weltfussballer.
Um den Handel mit Minderjährigen zu verbieten, hat die Fifa 2001 den Paragrafen 19 im Transferreglement eingeführt. Spieler unter 18 Jahren dürfen nicht international transferiert werden, innerhalb der EU (inklusive Schweiz) liegt diese Grenze bei 16 Jahren. Lange kümmern sich die Topvereine wenig um den Paragrafen, ehe 2014 der FC Barcelona eine zweijährige Transfersperre kassiert. Mindestens zehn Spieler unter 16 Jahren hat Barcelona verpflichtet. Zum Beispiel Takefusa Kubo aus Japan, der mit 10 Jahren zum FC Barcelona wechselt und nach der Bestrafung des Vereins nach Japan zurückkehrt. Heute gehört er Real Madrid.
Wer dachte, Kinderhandel gehöre damit der Vergangenheit an, täuschte sich. Später wurden auch Atletico Madrid und Chelsea bestraft. Häufig schaffen es die Topvereine aber, Schlupflöcher zu finden. So wird versucht, die Familie ins Land des Vereins zu lotsen. Dies wäre nicht erlaubt, ein Umzug müsste unabhängig vom Fussball geschehen. Bei Andreas Christensen fliegt es auf. Als der Däne mit 16 Jahren zu Chelsea wechselt, erhält sein Vater einen Job im Verein.
Besonders dreist ist der Handel mit Talenten aus ärmlichen Verhältnissen. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich 15'000 Kinder und Jugendliche von Beratern nach Europa verschleppt werden, in der Hoffnung Fussballprofis zu werden. Die wenigsten finden einen Verein, viele landen auf der Strasse.
Dreist ist auch das Vorgehen des englischen Spitzenteams Manchester City, wie Fussball-Leaks aufgedeckt hat. Der reiche Verein lässt sich die Fussball-Akademie mit dem Namen «Right to Dream» in Ghana eine Million Euro jährlich kosten. Durch die Investition sichert sich Manchester City das Vorkaufsrecht für die Talente. «Das kann man auch als innovative Ausbeutung bezeichnen. Oder sogar als eine Art von Sklaverei», sagt Sportwissenschaftler Earnest Acheampong von der Universität Winneba gegenüber NDR. Die Talente verkommen zur Spekulationsware. Eine andere Strategie wird Real Madrid und Barcelona vorgeworfen. Die Talente werden nicht offiziell verpflichtet, sondern zügeln angeblich unabhängig vom Fussball nach Spanien und spielen zunächst für ein Farmteam in der Region. Wenn sie sich gut entwickeln, werden sie von den Topvereinen verpflichtet.
Transfers von Minderjährigen innerhalb eines Landes sind legal. Dennoch sorgte der Transfer von Supertalent Youssoufa Moukoko im Alter von 11 Jahren von St. Pauli ins über 300 Kilometer entfernte Dortmund für Schlagzeilen. Ähnlich war es bei zwei 13-Jährigen, die von Berlin nach Hoffenheim wechselten.
Fälle von Schweizer Talenten, die illegal transferiert wurden, sind nicht bekannt. Doch oft wechseln sie mit 16 Jahren zu Topklubs. Was mit Philippe Senderos oder Johan Djourou begann, ist immer noch häufig. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Sturmtalent Bradley Fink, der im Sommer 2019 mit 16 von Luzern zu Dortmund wechselte.