Die Gruppe D ist jene, die schon direkt nach der Auslosung als «Todesgruppe» bezeichnet wurde. Mit England und Frankreich sind zwei absolute Spitzenteams dabei. Dazu kommen die Niederlande, die 2017 im eigenen Land den europäischen Titel holten, und Wales, das einfach hofft, nicht allzu brutal abgeschossen zu werden.
Sowohl die Löwinnen aus England und den Niederlanden wie auch Les Bleues wollen am Ende die Trophäe in die Höhe stemmen. Doch alle drei Teams schlagen sich vor dem EM-Start auch mit gewissen, oft sehr ähnlichen Problemen herum. Wir verschaffen dir den Überblick.
Nummer 5 der FIFA-Weltrangliste.
Die Titelverteidigerinnen aus England werden natürlich auch drei Jahre nach dem Triumph vor einem Anhang wieder hoch gehandelt. Mit Sarina Wiegman steht die vermutlich beste Trainerin der Welt an der Seitenlinie der Lionesses (wobei auch sie nicht unumstritten ist, siehe weiter unten).
Leah Williamson ist eine der besten Verteidigerinnen der Welt, gleiches gilt für Torhüterin Hannah Hampton, die vergangene Saison Chelsea zum Meistertitel, Cupsieg und Erfolg im Ligacup hexte. Toreschiessen ist gegen die Engländerinnen eine extrem schwere Aufgabe. Die grösste Stärke ist am Ende aber wohl Englands Kadertiefe. Ausser Spanien kann wohl kein anderer EM-Teilnehmer auf so viele Starspielerinnen zurückgreifen.
Und trotzdem war das englische Kader auch schon besser besetzt. Goalie Mary Earps und Mittelfeldspielerin Fran Kirby, die beide beim EM-Sieg 2022 wichtige Rollen spielten, schockten Fussball-England kurz vor dem Turnier in der Schweiz mit ihrem Rücktritt. Als Grund gaben die Spielerinnen Unzufriedenheit mit Trainerin Wiegman und ihrer direkten, gnadenlosen Art an. Wenig später zog sich auch Innenverteidigerin Millie Bright zurück, um sich auf ihre mentale Gesundheit zu konzentrieren. Das sind kombiniert 218 Länderspiele, die England fehlen.
Andere Stars wie Lauren Hemp, Alex Greenwood oder Georgia Stanway sind zwar dabei, kamen aber allesamt erst gerade von Verletzungen zurück. Stanway hat in der ganzen vergangenen Saison nur 60 Minuten gespielt. Sollte der Auftakt gegen Frankreich oder am Ende gar die Titelverteidigung gelingen, sind alle Sorgen und all die Kritik an Wiegman schnellstens vergessen.
Nummer 10 der FIFA-Weltrangliste.
Die Französinnen befinden sich in Topform. Sie haben in der Nations League als erstes Team überhaupt alle sechs Spiele gewonnen und sich in der EM-Qualifikation zuallererst die Teilnahme am Turnier in der Schweiz gesichert. 2025 sind Les Bleues noch ungeschlagen.
Frankreich ist ein Team ohne grosse Schwächen. Die Offensive und Defensive funktionieren bestens. Eine grosse Stärke ist zudem ihre Physis – viele der Spielerinnen sind gross und kräftig. Unter dem neuen Trainer Laurent Bonadei rückte Sakina Karchaoui vom Flügel ins Zentrum. Die PSG-Spielerin zieht nun die Fäden im Angriff. Vorne strahlt Superstar Marie-Antoinette Katoto viel Torgefahr aus.
Frankreich gehört an jedem Turnier zu den Mitfavoritinnen, einen Titel haben Les Bleues aber noch nie gewonnen. Nach dem Halbfinal-Out vor drei Jahren soll es nun endlich klappen. Der Druck aus der Heimat ist riesig.
Und Trainer Bonadei hat nicht nur populäre Entscheidungen gefällt. Wenige Wochen vor dem EM-Start entschied sich der 55-Jährige grosse Stars zuhause zu lassen: Captain Wendie Renard, Vizecaptain Eugénie Le Sommer sowie Rekordnationalspielerin Kenza Dali sind in der Schweiz nicht dabei. Bonadei erklärte sich folgendermassen: «Ich wollte andere Resultate als an früheren Turnieren, also nahm ich andere Spielerinnen mit.» Klar ist aber auch, dass der Coach sich so angreifbar gemacht hat. Sollte der Auftakt gegen England misslingen, wird bald gefragt werden, warum Renard, Le Sommer und Dali zuhause vor dem TV sitzen.
Nummer 11 der FIFA-Weltrangliste.
Im Vergleich mit England oder Frankreich sind die Niederlande sicher etwas schwächer einzuschätzen. In der Rolle der Spielverderberinnen können die Spielerinnen von Trainer Andries Jonker ohne riesigen Druck in die EM starten.
Im Sturm können die Oranje Leeuwinnen nach längeren Verletzungssorgen doch wieder auf Vivianne Miedema zählen – eine der besten Knipserinnen der Welt. Dahinter hält die erst 19-jährige Aufsteigerin Wieke Kaptein das Mittelfeld zusammen. Zwischen den Pfosten sorgt die grosse Daphne van Domselaar für die nötige Stabilität.
Wie England und Frankreich schlägt sich auch die Niederlande mit Wirrungen rund um den Trainer herum. Der niederländische Verband hat Andries Jonker mitgeteilt, dass er bis und mit der Europameisterschaft in der Schweiz noch an der Seitenlinie stehen darf. Danach wird der 62-Jährige aber ersetzt. Die Gründe dafür? «Da müssen Sie Sportdirektor Nigel de Jong fragen», gab Jonker angesäuert zu Protokoll.
Jetzt ist die Frage: Beflügelt dieses letzte Hurra unter Jonker das Team oder wird es von der unsicheren Zukunft gelähmt? Die Form lässt zweiteres vermuten. Beinahe hätte die Oranje die EM verpasst. Nur weil sie im letzten Gruppenspiel gegen Norwegen in der Not noch einen Punkt geholt haben, schafften sie die direkte Qualifikation. Das Problem: Die Niederländerinnen mussten oft auf Stürmerin Miedema und andere wichtige Spielerinnen verzichten und schossen deshalb zu wenige Tore. Das soll nun in der Schweiz anders werden.