In weniger als drei Wochen fällt der Startschuss zu David Beckhams neustem Fussball-Projekt in den USA: Inter Miami nimmt mit dem Beginn der Saison 2020 den Spielbetrieb in der MLS auf, am 1. März bestreitet das Expansionsteam beim Los Angeles FC seine grosse Premiere. Am 14. März folgt das erste Heimspiel. Die Mannschaft ist bereit, rundherum gibt es aber noch die eine oder andere Baustelle zu bearbeiten.
Am Anfang war es nur ein Hirngespinst, doch dann wurde es immer konkreter: Als David Beckham 2007 in die USA wechselte, erhielt er von der Liga ein Zückerchen. Für 25 statt 150 Millionen Dollar durfte Beckham die Rechte an einem Expansionsteam erwerben. Nach dem Karriereende des Engländers 2013 wurden die Gespräche darüber intensiviert. Mehrere mögliche Standorte für ein neues Team wurden ins Auge gefasst und Anfang 2014 war klar, dass dieses nach Miami kommen wird.
Ende Januar 2018 gab die Liga dann grünes Licht: Der Gruppe um Beckham wurde das Franchise zugeteilt, im September 2018 war schliesslich der Club Internacional de Fútbol Miami – kurz Inter Miami – geboren. Das Motto des Vereins lautet «Libertad. Unidad. Fortuna.» («Freiheit. Gleichheit. Glück.») Mit dem spanischen Namen und Motto wollen Beckham und Co. vor allem die Latino-Bevölkerung ansprechen, denn fast drei Viertel aller Einwohner des Grossraums Miami haben lateinamerikanische Wurzeln.
Wenig Freude am Namen des neuen Beckham-Klubs hatte ein gewisser Klub aus Italien. Inter Mailand reichte zum Schutz der eigenen Marke, die seit 2014 in den USA urheberrechtlich geschützt ist, und gegen die weitere Verwendung des Namens Klage ein. Noch ist unklar, ob Inter Miami seinen Namen wirklich ändern muss. Gemäss law.com ging die erste Runde im Rechtsstreit soeben an die Mailänder.
Inter Miami gehört nicht Beckham allein. Neben dem ehemaligen Fussball-Superstar haben auch der bolivianisch-amerikanische Mobilfunkanbieter Marcelo Claure («Sprint»), die Bauunternehmer-Brüder Jorge und José Mas sowie der japanische Medienmogul Masayoshi Son – gemäss «Forbes» der reichste Mann Japans – Anteile am Klub. Am Ende ist es aber die Marke David Beckham, die dem Projekt sofort Gewicht und eine Strahlkraft verleihen soll, wie es sie im US-Fussball sonst höchstens bei «Becks» Ex-Klub LA Galaxy gibt.
Trotz dieser illustren Runde ist Inter als momentan einziger MLS-Klub noch ohne Hauptsponsor. Wie The Athletic berichtet, laufen entsprechende Gespräche momentan aber auf Hochtouren und mit dem Scheichstaat Katar soll Beckham einen äusserst finanzkräftigen Partner an der Angel haben. Neben dem Trikot-Sponsoring geht es offenbar auch um die Namensrechte für das neue Stadion (dazu später mehr).
Beckham pflegt dank seiner Zeit bei Paris St-Germain sehr gute Beziehungen nach Katar und insbesondere zu Nasser Al-Khelaifi, der als Präsident von PSG waltet. Gut möglich also, dass der Deal bald verkündet wird.
Wie im US-Sport üblich, hat es auch für die beiden neuen MLS-Teams einen Expansion Draft gegeben: Am 19. November 2019 durften sich Inter Miami und Nashville SC bei der Konkurrenz bedienen und je fünf nicht-geschützte Spieler aussuchen. Das restliche Kader musste Sportchef Paul McDonough zusammen mit dem uruguayischen Trainer Diego Alonso, der einst bei Valencia und Atlético Madrid spielte, am Reissbrett entwerfen.
Win. Win. Win.
— Inter Miami CF (@InterMiamiCF) January 20, 2020
The goals are clear to Diego Alonso.#InterMiamiCF pic.twitter.com/y8LyUcKiIa
Immer wieder fielen grosse Namen wie Sergio Agüero, David Silva, Luis Suarez, Luka Modric, Gerard Piqué, Sergio Ramos, Edinson Cavani oder Neymar, noch fehlt aber ein Superstar im Inter-Kader. Immerhin: Mit Cavani, dessen Vertrag bei PSG im Sommer ausläuft, soll es gemäss Klubboss Jorge Mas Gespräche gegeben haben und Neymar scherzte in einem Gespräch mit Beckham für den Youtube-Sender «Otro» vor einigen Tagen, dass er dereinst für Miami spielen werde. Auch Antoine Griezmann zeigt Interesse: «Ich möchte meine Karriere in der MLS beenden. Wenn Beckham mich in seinem Klub will, dann werde ich dorthin gehen», erklärte der französische Weltmeister vor kurzem der «Equipe».
Bis Neymar oder Griezmann kommen, muss Beckham noch kleinere Brötchen backen. Für die kommende Saison sind zwei 19-jährige argentinische Talente die bislang teuersten Transfers: Matias Pellegrini und Julian Carranza haben beide einen Marktwert von 6 Millionen Euro. Im 26-Mann-Kader steht auch Jerome Kiesewetter. Der deutsch-amerikanische Doppelbürger stammt aus der Jugend von Hertha BSC und absolvierte 2015 für den VfB Stuttgart zwei Bundesliga-Spiele.
Ein Kader voll gespickt mit Topstars ist in der MLS aber ohnehin nicht möglich. Wie in den anderen grossen Sportarten gibt es eine Gehaltsobergrenze und die «Designated Player»-Regel schreibt vor, dass diese nur für maximal drei Topstars überschritten werden darf. Nachhaltiger Erfolg ist nur mit eigenen Talenten möglich.
Noch hat Inter Miami kein einziges offizielles Spiel absolviert und doch hat der Verein bereits drei eigene Fanclubs. Als die U13 von Miami im September ein Testspiel absolvierte, tauchten plötzlich ein paar Dutzend Anhänger in den Inter-Farben auf. Sie hatten Trommeln, Fackeln und Flaggen dabei und stimmten die ersten Schlachtgesänge an. Für einen Sport-Event in den USA ein ziemlich sonderbarer Anblick.
Wie der Klub selbst musste auch die Fanszene in Miami völlig neu aufgebaut werden. Förderlich war dabei sicher, dass in Florida viele Latinos leben, die eine höhere Affinität zum Fussball haben als beispielsweise Bewohner im Mittleren Westen. Das bestätigt auch Max Ramos-Paez von «The Siege», einem der drei offiziellen Fanclubs von Inter Miami: «Miami ist ein wahnsinniger Schmelztiegel von Menschen. Viele kommen aus Mittel- und Südamerika und sie hatten seit 2001 und der Auflösung des MLS-Klubs Miami Fusion nicht mehr die Möglichkeit, Fussball live im Stadion zu schauen. Wir möchten versuchen, die lateinamerikanische Fankultur hier zu etablieren und haben dazu schon ein paar Lieder aus Südamerika adaptiert.»
Noch haben die Fans von Inter Miami eine Möglichkeit, die es sonstwo kaum noch gibt: Sie werden mit ins Boot geholt. «Dies ist ist ein Milliarden-Projekt», sagt Ramos-Paez, «aber ich habe schon mit Miteigentümer Marcelo Claure ein Bier getrunken, ich habe Beckhams Hand geschüttelt, und ich habe Klubboss Jorge Mas getroffen. Ich hatte sofort das Gefühl, selbst Teil dieses Klubs zu sein.
In den ersten beiden Saisons spielt Inter Miami nicht in Miami, sondern etwas weiter nördlich in Fort Lauderdale. Im «Venedig Amerikas», wo später Inters Farmteam beheimatet sein wird, wurde anstelle eines alten American-Football-Stadions aus dem Jahr 1959 für 60 Millionen Dollar eine neue 18'000 Zuschauer fassende Arena gebaut. Daneben soll in Zukunft ein Trainingskomplex und die neue Akademie von Inter Miami entstehen.
Ab 2022 will Inter Miami dann in den brandneuen Miami Freedom Park ziehen. Das 25'000 Zuschauer fassende, reine Fussballstadion, das mit Palmen und einer eleganten Cocktailbar auf dem Dach aufwartet, soll bis dann zusammen mit einem Hotel und einem Geschäftskomplex auf dem Gelände des Melreese Golf Course unweit des internationalen Flughafens entstehen. Die Kosten für das Prestigeprojekt sind mit rund einer Milliarde Dollar veranschlagt.
Weil der Boden, auf dem momentan der Golfplatz steht, mit Arsen verschmutzt ist, könnte sich die Fertigstellung des Stadions trotz der Zustimmung der Bevölkerung etwas hinauszögern.