Testspiele sind die ungeliebten Termine im Jahreskalender der Nationalmannschaften – und selbst wenn so ein Prestigeduell wie das zwischen Deutschland und England in Berlin 2:3 verlorengeht: Am Ende zucken die Profis mehr oder weniger mit den Schultern. War halt ein Test, nicht mehr. Möglicherweise wird man diesen Freundschaftsspielen allerdings in einigen Jahren noch wehmütig nachtrauern, wenn die UEFA ab September 2018 ihr Projekt der Nations League vom Stapel laufen lässt.
Die Nations League, eine Art Europapokal der Nationalmannschaften – sie ist das Herzensprojekt von UEFA-Boss Michel Platini gewesen. Auf der offiziellen Website der UEFA steht ausdrücklich, die Nations League entspreche «dem Wunsch der UEFA und vor allem dem Wunsch des UEFA-Präsidenten». Der Franzose hat, sofern seine Einsprüche gegen das Urteil der Fifa-Ethikkommission nicht fruchten, eine Sechs-Jahres-Sperre wegen Korruption abzusitzen, seine Karriere im europäischen Fussball ist zu Ende. Die Nations League, die im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgetragen werden soll, wird dann noch da sein, wenn Platini kein Thema mehr ist. Falls sie sich als Wettbewerb überhaupt profiliert.
Bei der Nations League werden die 54 europäischen Verbände in vier unterschiedliche Spielklassen aufgeteilt, je nach Stärke der Teams in die Divisionen A, B, C und D gesteckt. Jede Division spielt untereinander seine Sieger aus, die Besten haben Chancen, in die nächsthöhere Division aufzusteigen, die Schlechtesten müssen eine Stufe runter. Am Ende spielen die vier Top-Teams den Gesamtsieger aus.
Alles mit dem Hintergedanken, dass Wettbewerbsspiele grundsätzlich attraktiver sind als Freundschaftskicks. «Der Sinn des Sports ist der Wettbewerb», hat der jetzige FIFA-Chef Gianni Infantino noch als UEFA-Generalsekretär und rechte Hand Platinis die Werbetrommel für die Nations League gerührt. Als Köder für die Zustimmung der grossen Verbände hatte die UEFA argumentiert, dass die Nations League die Testspiele ersetzen solle, eine zusätzliche Belastung für die Top-Spieler werde es nicht geben.
Eine ziemlich blauäugige Begründung, schliesslich ist ein Wettbewerbsspiel zwischen Deutschland und England weit anspruchsvoller zu bewerten als ein Testspiel beider Teams. Mit allem, was damit zu tun hat: Kein Spieler kann sich schonen, die stärkste Elf muss auf den Platz, die Belastung ist dadurch selbstverständlich höher.
Dennoch betont Friedrich Curtius, der neue DFB-Generalsekretär: «Wichtig ist uns, dass keine zusätzlichen Länderspieltermine geschaffen wurden, sondern sich die absolute Anzahl nach wie vor im Rahmen des Spielkalenders bewegt.» Zwar habe man im Vorfeld «die eigenen Bedenken hinterlegt», sagte Curtius «Spiegel Online», aber man akzeptiere «die breite Mehrheit, die für die Einführung gestimmt» habe. Curtius war als damaliger Büroleiter von DFB-Chef Wolfgang Niersbacheng in die Entscheidungsfindung bis zum Einführungsbeschluss 2014 eingebunden.
Tatsächlich hatte es Platini geschafft, die kleinen Verbände als treibende Kräfte für das Projekt zu gewinnen – und die haben in Europa nun mal die Mehrheit. Für einen Verband wie Slowenien oder Norwegen ist ein Wettbewerbsspiel zweifellos attraktiver als ein Test gegen Aserbaidschan oder Griechenland. Der DFB wählt seit Jahren bereits seine Testspielgegner sehr bewusst aus, meistens bleibt man in der Premiumklasse unter sich: gegen Frankreich, gegen Spanien, gegen die Niederlande, gegen Italien. Gegen solche Gegner bekommt man das Stadion auch voll, wenn nur das Testspiel-Etikett draufklebt.
Tests gegen Albanien oder die Slowakei – so etwas gibt es beim DFB ohnehin schon lange nicht mehr. Von daher greift das UEFA-Argument pro Nations League auch nicht, wenn der europäische Verband behauptet: «Die schlechter platzierten Teams haben immer wieder grosse Probleme in Duellen mit deutlich höher platzierten Mannschaften und werden nun auch auf gleichwertige Gegner treffen.» Die Partien Klein gegen Gross gibt es in Testspielen längst kaum noch. Und die ungleichen Duelle wird es in der EM- und WM-Qualifikation nach wie vor geben.
Grosse Euphorie für das Projekt ist beim DFB jedenfalls nicht zu spüren, auch wenn Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff sagt, «es liegt an uns, diesen Wettbewerb als hochwertig zu begreifen, jeweils mit der besten Mannschaft anzutreten und die Spieler und die Fans für dieses Format zu begeistern». Das ist eine Herausforderung, die mindestens so gross sein dürfte wie das Projekt EM-Titel.
Alles Grunde, warum ich überhaupt kein Platini-Fan bin. Seine Ideen dienen immer nur den Zweck der UEFA mehr Bedeutung zu geben und den europäsischen Fussball noch attraktiver zu machen, mit dem Hintergedanken mehr Geld herauszuholen. Meistens indem dafür gesorgt wird, dass die Besten nur gegeneinander auftreten und solche Duelle sich auf der ganzen Welt verkaufen lässt.
Bin ich froh, dass er für eine gewisse Zeit weg ist.