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Tour de Super League: Besuch bei den Wundertüten FCZ, Luzern und Vaduz

Benjamin Kololli, mitte, von Zuerich beim Fussball Testspiel zwischen dem FC Luzern und dem FC Zuerich vom Dienstag, 25. August 2020 in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Gelingt einem der beiden Teams eine konstante Saison? Szene aus dem Testspiel Luzern – Zürich Ende August.Bild: keystone

Tour de Super League – zu Besuch bei drei Wundertüten

«Tour de Super League»: In unserer Serie besuchen wir vor dem Saisonstart die zehn Fussball-Städte der höchsten Liga. In der zweiten Etappe machen wir eine Reise in die Ungewissheit. Lesen Sie, warum sowohl Luzern, Zürich, als auch Aufsteiger Vaduz nach einer Saison voller Unkonstanz wieder träumen wollen.
17.09.2020, 17:47
François Schmid-Bechtel, etienne wuillemin, raphael gutzwiller / CH Media
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FC Luzern: Das Vorbild St.Gallen und die Sehnsucht nach Ruhe

Ruderer, Unternehmer, Jurist und ­Träumer. So beschreibt sich Mario Gyr, Ruder-Olympiasieger von 2016 im Leichtgewichts-Vierer, auf seiner Homepage. Es braucht wenig Fantasie, um jenen Begriff zu erraten, der ihn mit dem FC Luzern verbindet. Er träumte von einer Fussballer-Karriere. Schliesslich spielte er bis zur U16 beim FCL, ehe er zum Rudern wechselte. Und er träumt noch immer. Von einer Saison, wie sie der FC St.Gallen eben erst ­erlebt hat.

Gyr, 35, arbeitet heute bei der Partners Group in Baar, sitzt im FCL-Beirat und im Stiftungsrat der Pilatus Akademie, die junge Fussballer und Athleten, aber auch Musik-Talente fördert. «Ja, ich bin seit je FCL-Fan», sagt er. «Aber ich betrachte den Klub kritischer und differenzierter als damals, als ich noch als Balljunge am Spielfeldrand mitfieberte.»

Lucas Tramer, Simon Schuerch, Simon Niepmann, and Mario Gyr, of Switzerland, row for gold in the men's rowing lightweight four final during the 2016 Summer Olympics in Rio de Janeiro, Brazil, Thu ...
Alle in einem Boot und alle in die gleiche Richtung – so wünscht sich das Mario Gyr (ganz rechts) für den FCL.Bild: AP

In der Analyse verweist Gyr auf St.Gallen. Auf den packenden Zweikampf mit YB um den Meistertitel. Auf die Euphorie, die entfacht worden ist. Auf den schier grenzenlosen Rückhalt in der Region. Und auf die integrative Kraft der operativen und strategischen Klubführung. Er träume nicht von der Champions League in Luzern, sagt Gyr. «Ich rede auch nicht vom Meistertitel. Aber ich finde schon: Was St.Gallen ­erreicht hat, sollte auch in Luzern möglich sein.»

Als der FCL letztes Jahr den ­Cuphalbfinal gegen Thun spielte,­ kamen 12000 Zuschauer in die Swissporarena. Gyr sinnierte: Wo sind die restlichen 4500? Weshalb kriegen wir dieses Stadion nie voll? Auf der Suche nach Antworten fällt immer wieder mal das Wort «Haifischbecken». «Wir müssen die Menschen mit positiven ­Geschichten berühren. Wir müssen ­leidenschaftlichen Fussball zeigen. Dann spielt es auch keine Rolle, wenn mal ein Spiel verloren geht. Aber wenn die Anhänger und Sympathisanten am nächsten Tag lesen müssen, dass der eine Aktionär dem anderen wieder ans Bein pinkelt, steht hinter dem nächsten Matchbesuch ein grosses Fragezeichen. Andererseits darf man ruhig auch mal erwähnen, was die Aktionäre all den Mädchen und Knaben in der Jugend­abteilung ermöglichen.»

Trotzdem: Gyr findet, man sei beim FC Luzern auf einem guten Weg. Trainer Fabio Celestini hält er für einen Top-Trainer, weil «er die Jungen weiterbringt und nicht den Vertrag auflöst, wenn der FC Basel ruft». Der Mannschaft attestiert er Potenzial, weil er ­viele hungrige Spieler ausmacht und keine lustlosen Söldner. Gleichwohl sieht er noch Baustellen. Beispielsweise auf den Aussenbahnpositionen. Und noch immer trauert Gyr ein wenig der verpassten Chance nach, dass man Cedric Itten in Luzern von der Angel liess und dieser in St.Gallen den grossen Durchbruch schaffte.

Aber über allem steht ein zerstrittenes Aktionariat. In der einen Ecke Stadionbesitzer Bernhard Alpstaeg. In der anderen die Herren Sawiris, Schmid und Sieber. Aber auch in dieser Causa besteht die Aussicht auf Besserung. Es gibt Anzeichen, wonach Alpstaeg die anderen drei Aktionäre ausbezahlen und neue Leute ins Boot holen wird. Wenn ganz oben Ruhe einkehrt, glaubt Gyr, wird der Leuchtturm FCL endlich die lange vermisste Strahlkraft entwickeln.

FC Zürich: Die ewige Stadion-Frage und eine Trainer-Wette

Darf das wirklich wahr sein? Die Saison hat noch nicht einmal richtig begonnen – und schon wieder ist der FCZ dem Spott der Fussball-Schweiz ausgesetzt, der Cup-Pleite in Chiasso sei Dank. Es sind die Gedanken, die Beat Schlatter durch den Kopf gehen. Der Schauspieler sitzt im Zürcher Niederdorf in seinem Stamm-Café. Und wird bald nachdenklich. Die Frage ist: Was lösen die Buchstaben «FCZ» in ihm, dem langjährigen Fan, derzeit aus? «Zum Glück noch viel Gutes», sagt er und fügt ­lachend an, «das hat viel mit meiner Kindheit zu tun, mit den goldenen Zeiten in den 70er-Jahren, mit Fritz Künzli, Köbi Kuhn oder Karl Grob.»

Und heute? Was verkörpert dieser FC Zürich? Was will er sein? Was kann er sein? Wo ­gehört er hin? Wie sieht seine Identität aus? Ist er noch Spitzenklub? Oder nur noch eine Lachnummer? Fragen über Fragen.

Es ist gar nicht mal einfach, zu eruieren, wo das Zürcher Hauptproblem liegt. Der Präsident Ancillo Canepa? Der Ex-Sportchef Thomas Bickel? Der Trainer Ludovic Magnin? Oder doch die Spieler? Schlatter vergleicht gerne mit dem Theater. Seine Kernbotschaft: «Eine Gruppe, die gut harmoniert, ist in den allermeisten Fällen das bessere Ensemble als eine Gruppe, die zwar aus allesamt starken Charakteren besteht, aber ständig Reibereien hat.»

Das ProKomitee fuer ein neues Fussballstadion in Zuerich mit Medienpionier Roger Schawinski, links, und Schauspieler Beat Schlatter, rechts, an einer Medienkonferenz in Zuerich am Freitag, 21. Septemb ...
2018 kämpfte Beat Schlatter (rechts) an der Seite von Roger Schawinski für ein Zürcher Fussballstadion.Bild: KEYSTONE

Eines ist klar: Es gibt kein Team in der Super League, bei dem die Darbietungen derart auseinanderdriften wie beim FCZ. Zwischen einem begeisternden 4:0 und einem desolaten 0:4 können nur wenige Tage liegen. Acht Mal hat der FCZ vier oder mehr Tore kassiert in der vergangenen Super-League-Saison, das ist eine absurd hohe Zahl.

Die Schlüsselfragen derzeit drehen sich um Trainer Magnin. Wie lange hält das offenbar blinde Vertrauen des Präsidenten Canepa an? Und wie sehr glauben die Spieler daran, unter Magnin doch noch eine signifikante Entwicklung hinzukriegen? Beat Schlatter hat den Glauben an Magnin noch nicht verloren. «Wollen wir wetten, wer länger im Amt bleibt, Magnin oder Ciriaco Sforza in Basel?», fragt er süffisant.

Und dann wäre da noch dieser 27. September, der Sonntag, an dem Zürich erneut über das neue Fussballstadion abstimmen muss. Echte Kampagnen dafür oder dagegen gibt es nicht. Die Stadt scheint einfach mal apathisch abzuwarten. Und man fragt sich: Was tut eigentlich die Regierung genau?

Zuerichs Trainer Ludovic Magnin waehrend dem ersten Training des FC Zuerich am Mittwoch, 19. August 2020 in Zuerich. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
FCZ-Trainer Magnin geht angezählt in die Saison.Bild: keystone

Ratlosigkeit und Ohnmacht in dieser Frage dominieren je länger je mehr. Der Glaube, dass irgendwann einmal tatsächlich auch in Zürich ein Fussballstadion steht, schwindet. Beat Schlatter wirft ein: «Es heisst immer: Zürich ist halt keine Fussballstadt. Vielleicht ist es aber auch umgekehrt, und das Stadion selbst steht am Ursprung der Stimmungslage in der Stadt.»

FC Vaduz: Euphorie im Ländle – und kleine Sticheleien

Über die Rheinbrücke geht es zum einzigen Super-League-Verein im Ausland. Das Rheinparkstadion wirkt an diesem Tag ruhig, unweit davon empfängt uns Ruth Ospelt in ihrer Wohnung. Jahrelang hat sie den FC Vaduz geprägt, zunächst im Sekretariat, später als Vizepräsidentin und als Präsidentin. Seit einem Jahr ist die 62-Jährige im Vorruhestand und nur noch Fan. «Seit du weg bist, läuft es wieder beim FCV», sagen ihr Leute im Dorf.

Vaduz, 25.05.2015, Fussball Super League, FC Vaduz - Grasshopper Club Zuerich, FC Vaduz Praesidentin, Ruth Ospelt, vor der Partie. (Sebastian Schneider/EQ Images)
Ospelt ist nur noch als Fan im Stadion.Bild: EQ Images

Was augenzwinkernd gemeint ist, stimmt tatsächlich. In der Saison 1 nach Ospelt hat Vaduz den Aufstieg geschafft. Die Liechtensteiner setzten sich in der Barrage gegen Thun durch. «Wer die Rückrunde gesehen hat, weiss, wie verdient der Aufstieg ist», sagt Ospelt. Noch im November war Vaduz auf Rang 8, dann drehten die Liechtensteiner auf und stürmten in die Super League. Ruth Ospelt war begeistert.

Stolz ist sie nicht nur auf ihren talentierten Neffen Justin, der bei Vaduz im Frühling oft das Tor hütete, sondern auch auf die Entwicklung des Vereins. Mit Präsident Patrick Burgmeier, Sportchef Franz Burgmeier und Trainer Mario Frick stehen drei Liechtensteiner in der Verantwortung. Sie setzen auch bei den Spielern auf Heimisches. Fünf Liechtensteiner stehen im Kader, die meisten anderen Spielern stammen direkt von der anderen Seite der Landesgrenze: aus dem Rheintal, Glarus, dem Bündnerland oder Vorarlberg. Und Vaduz arbeitet eng mit dem Liechtensteinischen Fussballverband zusammen, fördert in einem U23-Team Talente. «Das ist der richtige Weg für den Verein», ist Ospelt überzeugt.

Früher galt Vaduz als Team von gescheiterten Spielern, die im Ländle eine neue Chance erhielten. Nach dem Abstieg 2017 entschied man sich, vermehrt auf Eigengewächse zu setzen. «Dass der neue Weg so schnell Früchte trägt, ist nicht selbstverständlich», sagt Ospelt.

Vaduz' Cheftrainer Mario Frick feiert den Aufstieg im Fussball Barrage Rueckspiel zwischen dem FC Thun aus der Super League und dem FC Vaduz aus der Challenge League, am Montag, 10. August 2020,  ...
Hoffnungsträger eines ganzen, kleinen Lands: Mario Frick, Liechtensteins bester Fussballer der Geschichte.Bild: keystone

Nach der Rückkehr ins Oberhaus ist die Euphorie gross. Endlich kommen sie wieder: die Berner, die Basler und vor allem die St. Galler. «Gegen St.Gallen zu spielen, ist immer grossartig», sagt Ospelt strahlend. Im Dorf wird gerne getratscht. So auch, nachdem Vaduz gegen das maltesische Team Hibernians in der ersten Qualifikationsrunde zur Europa League gescheitert ist. «Aber das Team hat nach dem Aufstieg natürlich noch Goodwill. Viel entscheidender ist die Meisterschaft», sagt Ospelt, die an den Ligaerhalt glaubt.

Nicht alle Schweizer haben Freude an der Rückkehr der Vaduzer. «Nach dem Barragespiel in Thun wurde ich als Drecks-Ausländerin beschimpft», sagt Ospelt. «Aber viele Schweizer freuen sich auch. Vaduz hat sich zum sympathischen Verein gemausert.»

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