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Sexuelle Belästigung in der Fussball-Nati der Frauen: Was wir wissen

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Ein Vorwurf sexueller Belästigung beschäftigt derzeit die Nationalmannschaft der Frauen.Bild: EPA AAP

Sexuelle Belästigung in der Fussball-Nati der Frauen: Viele Fragen und wenige Antworten

Bei der Heimreise von der Fussball-WM in Australien und Neuseeland soll eine Schweizer Nationalspielerin von einem Staff-Mitglied sexuell belästigt worden sein. Dem beschuldigten Mitarbeiter wird sechs Wochen nach dem Vorfall fristlos gekündigt – ein Fall, der Fragen aufwirft.
17.11.2023, 12:0517.11.2023, 13:26
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An der Fussball-WM der Frauen stand nach der Siegerehrung nicht etwa der historische Sieg der Spanierinnen im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern vielmehr das unangemessene Verhalten des spanischen Verbandspräsidenten Luis Rubiales, der die Spielerin Jenni Hermoso ungefragt auf den Mund küsste.

Eine überschwängliche, den Emotionen geschuldete Geste, meinten die einen, ein grober Machtmissbrauch, der zeigt, wie verbreitet Sexismus im Sport auch heute noch ist, die anderen. Der Sprecher des UN-Generalsekretär António Guterres stellte nach dem Skandal die treffende Frage: «Wie schwierig ist es, jemanden nicht auf die Lippen zu küssen?»

Auch im SFV soll es zu sexueller Belästigung gekommen sein

Im Schatten dieses «Kuss-Skandals» hatte der Schweizerische Fussballverband indes mit seinem ganz eigenen Fall von sexueller Belästigung zu kämpfen. Im Gegensatz zum spanischen Fall, der in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde, behandelte der SFV die Vorkommnisse hinter verschlossenen Türen. Bei Recherchen stiessen nun der «Blick» und der «Tagesanzeiger» im Schweizer Fall auf Ungereimtheiten. Einerseits beteuert der Beschuldigte bis heute seine Unschuld, andererseits irritiert die langsame Reaktionszeit des SFV – eine Übersicht.

Was wird der Person vorgeworfen?

Laut dem «Tagesanzeiger» soll sich der Vorfall am 5. August ereignet haben. Die Schweizerinnen befanden sich nach dem Achtelfinal-Out gegen Spanien auf der Heimreise. Im Sicherheitsbereich des Flughafens Auckland soll der Beschuldigte einer nicht mit Namen genannten Spielerin mit den Fingern in den Hintern gekniffen haben.

Laut dem «Blick» hätte die neuseeländische Polizei auf Anfrage des Beschuldigten hin die Überwachungsvideos des Flughafens ausgewertet und sei zum Schluss gekommen, dass das Opfer und der Beschuldigte auf den Videoaufnahmen zu keiner Zeit am gleichen Ort zu sehen seien.*

* dieser Absatz wurde ergänzt

Wer wusste davon?

Gegenstand der Untersuchung ist derzeit, welche Verantwortlichen zu welchem Zeitpunkt über welche Informationen verfügten. Die Berichterstattung in Schweizer Medien zeigt deutlich, dass in diesem Punkt weiterhin Unklarheit herrscht.

Switzerland's Fabienne Humm, center, get honored and officially retired from the Swiss national team by Switzerland's soccer federation president Dominique Blanc, left, and Marion Daube, Dir ...
Hatte Marion Daube (rechts) vom Vorfall gewusst?Bild: keystone

Einigkeit herrscht darüber, dass die betroffene Spielerin noch im Flugzeug einige Teamkolleginnen in den Vorfall eingeweiht hatte. Beim Zwischenstopp in Dubai seien SFV-Funktionärinnen darüber informiert worden – laut dem «Tagesanzeiger» waren dies die Nationaltrainerin Inka Grings und die Direktorin Frauenfussball Marion Daube, laut dem «Blick» hätten die Spielerinnen die Teammanagerin Caroline Abbé informiert.

Was trotz widersprüchlicher Informationen klar ist: Nach der Ankunft in der Schweiz geschah sechs Wochen lang gar nichts – auch in den WM-Nachbearbeitungssitzungen der Führungsriege des SFV sei der Fall nie Thema gewesen, weiss der «Blick».

Was waren die Konsequenzen?

Am 20. September kam es dann im Rahmen eines Zusammenzugs zum Wiedersehen der Schweizer Fussball-Nati. Ein anonymes Schreiben der Spielerinnen hätte den Fall schliesslich wieder ins Rollen gebracht. Der Beschuldigte, der erst nach diesem Schreiben über die Vorwürfe gegen seine Person informiert worden sei, bestreitet diese bis heute vehement. Trotzdem erhielt er kurz nach dem Schreiben die fristlose Kündigung. Gegenüber Blick gab der Mann zu Protokoll: «Wenn ich einen Fehler gemacht hätte, würde ich dazu stehen».

Der Beschuldigte fühlt sich vom Verband blossgestellt, da mehrere hundert Mitarbeitende per Mail über die Kündigung mitsamt Grund informiert wurden.

Wie geht es weiter?

Die Aufarbeitung des Vorfalls liegt nun in der Verantwortung der Meldestelle «Swiss Sports Integrity». Gegenstand der Untersuchung ist insbesondere die Tatsache, dass die Verantwortlichen des SFV so spät über die Ereignisse informiert wurden. Funktionärinnen und Funktionäre haben in Fällen sexueller Belästigung eine Meldepflicht. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob Informationen bewusst zurückgehalten wurden oder ob die Spielerinnen nicht wollten, dass der Fall an die Öffentlichkeit gelangt.

(kat)

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87 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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tr3
17.11.2023 11:22registriert April 2019
"Der Beschuldigte fühlt sich vom Verband blossgestellt, da mehrere hundert Mitarbeitende per Mail über die Kündigung mitsamt Grund informiert wurden."

Also wenn das stimmt, hat das hoffentlich noch für weitere Personen personalrechtliche Konsequenzen. Egal, ob der Mann das ihm Vorgeworfene getan hat oder nicht.
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Chris69
17.11.2023 11:22registriert Juni 2015
Bei anderen Medien wie Blick und 20Min steht aber auch ziemlich deutlich, dass auf Überwachungsvideos der neuseeländischen Polizei herauskam, dass die beschuldigende Person und das Opfer gar nie zusammen waren...ist doch ein ziemlich spannender Aspekt der Geschichte...oder nicht?
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H.P. Liebling
17.11.2023 11:33registriert September 2018
Warum fehlt hier der Hinweis, dass es gemäss Einschätzung der neuseeländischen Behörden gar nicht zu einem solchen Vorfall, wie er geschildert wurde, kommen konnte? Sollte sich dieser "Metoo-Fall" als falsche Anschuldigung herausstellen, erwarte ich gleichwertige Konsequenzen für diejenigen, die solche Falschbehauptungen aufstellen und die berufliche Zukunft des betroffenen Ex-Mitarbeiters ruinieren.
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