Internationale Fussball-Stars wie der Brasilianer Ronaldinho haben es gespielt, oder auch der Argentinier Lionel Messi. Mehr noch: Sie sind im Futsal gross geworden.
Die Filigrankünstler lernten im Kindesalter die feine Ballbehandlung auf kleinen Futsal-Feldern. Später kam ihnen diese Ausbildung auch auf dem Rasen zu Gute, wo sie mit ihrer Spielfreude die Zuschauer verzücken.
In Südamerika gehört Futsal in den Vereinen denn auch zur ganz normalen Grundausbildung der Jugendlichen. In Europa kennt man diese Art der Jugendförderung fast nur in südlichen Ländern.
Es ist kurz vor acht Uhr abends, die Stimmung locker, als die Spieler der AFM Futsal Maniacs, alle zwischen 16 und 34 Jahre alt, in der Sporthalle Mülimatt in Windisch zum Training eintrudeln. Futsal, ihre Leidenschaft, hat seine Ursprünge in Südamerika. Im Gegensatz zum herkömmlichen Hallenfussball gibt es keine Banden, sondern Seitenlinien. Die Grösse des Feldes entspricht einem Handballfeld, ein Spiel dauert zweimal 20 Minuten. Gespielt wird fünf gegen fünf Feldspieler, inklusive Torhüter. Der etwas kleinere sprungreduzierte Ball ist so konstruiert, dass er auch aus einigen Metern Höhe kaum aufspringt. Das erleichtert die Ballkontrolle erheblich.
Grätschen und überharter Körpereinsatz sind nicht gestattet – was einigen Futsal-Spielern auch den Ruf der Schönwetterfussballer einbringt. Ähnlich wie beim Basketball werden die Mannschaftsfouls gezählt; nach sechs Fouls in einer Halbzeit wird ein 10-Meter-Freistoss ausgesprochen. Ohne Mauer. Zudem gilt beim Futsal eine verschärfte Rückpass-Regel: Der Torwart darf den Ball nur einmal berühren und dabei höchstens vier Sekunden kontrollieren. Danach darf er den Ball erst wieder berühren, wenn zwischenzeitlich ein Gegner Ballkontakt hatte. So soll ewiges Ballgeschiebe verhindert werden und ein offenes offensives Spiel entstehen.
Mittlerweile machen sich die Maniacs aus Wettingen, wo das Team eigentlich zu Hause ist, warm. Die Spieler stehen in einem Kreis und spielen sich den Ball gegenseitig zu; zwei Spieler versuchen, dies zu verhindern. Weil der Ball besser am Boden liegen bleibt, wird er oft mit der Schuhsohle weitergespielt. Futsal ist ein gefühlvoller Sport. Die meisten Bewegungen kommen aus dem Fussgelenk, und die Ballbehandlung erfordert ein Höchstmass an technischer Finesse. «O jogo bonito», das schöne Spiel, sagt man auf Portugiesisch.
Als junge Sportart kämpft Futsal in der Schweiz noch mit tiefen Zuschauerzahlen und geringer medialer Aufmerksamkeit. Dadurch fehlen die erforderlichen Sponsoren, mit deren Geld professionelle Strukturen geschaffen werden könnten. Professionelle Futsal-Spieler gibt es nicht. Sie alle kommen nach einem Tag im Büro oder auf der Baustelle ins Training. So auch Maniacs-Captain Alessandro Facchinetti, der als Vorsorgeberater arbeitet. Drei Trainings in der Woche, ein Spiel am Wochenende. Es sei die Leidenschaft, die ihn antreibe, sagt Facchinetti, der auch für die Schweizer Nationalmannschaft spielt. «Auf dem kleinen Feld ist man in jedem Moment in einen Zweikampf verwickelt und man muss extrem schnell Entscheidungen fällen. Obwohl der Körperkontakt nur bedingt erlaubt ist, ist es ein sehr intensives Spiel.»
Im europäischen Vergleich haben es Schweizer Mannschaften, welche in der Swiss Futsal Premier League (10 Mannschaften) sowie in zwei darunter liegenden Ligen mit total 60 Teams engagiert sind, schwer. Meister Mobulu Bern schied in der Qualifikation zum UEFA-Futsal-Cup, dem Pendant zur Europa League, sang und klanglos aus. Die Nationalmannschaft (Nr. 80 der Weltrangliste) konnte sich noch nie für ein grosses Turnier qualifizieren. «Das wäre durchaus schon möglich gewesen», sagt Jörg Meinhardt, Sportdirektor bei den Futsal Maniacs. Er verstehe nicht, warum der Schweizerische Fussballverband das riesige Potenzial im Futsal, gerade auch für die Fussball-Entwicklung, nicht erkenne. «Europäische Klubs kaufen die Dribbelkünstler aus Südamerika für Millionen ein, und die sind technisch so gut, weil sie mit Futsal gross werden. Warum machen das die Vereine in Europa nicht genau so?»
Beim Schweizerischen Fussballverband kennt man die Ausbildungssysteme anderer Länder. «Wir haben vor allem Fussball-Ausbildungsschwerpunkte, daher ist die Schweiz keine klassische Futsal-Nation», sagt Marcello Cucuzza, der beim Verband für die Administration der Futsalwettbewerbe verantwortlich ist. Es bestünden aber diverse Massnahmen, Futsal in der Schweiz zu etablieren. Beispielsweise werden Vereine mit Bällen, Regelwerk und Schiedsrichtern unterstützt, wenn sie Futsal-Turniere austragen. «Futsal ist ein wichtiger Teil im Breitensport, soll aber den Rasenfussball nicht konkurrieren, sondern in der vier- bis fünfmonatigen Winterpause ergänzen.» Immerhin: In den letzten Jahren stieg die Anzahl der lizenzierten Spieler und neuen Teams stetig. «Wir sind auf dem richtigen Weg», gibt sich Marcello Cucuzza optimistisch, «es braucht aber noch einige Zeit, bis sich alle vom Futsal-Gedanken überzeugen lassen.»
Auch Meinhardt will den Futsal in der Schweiz voranbringen, er sieht sich als «Visionär» und hat sein Leben komplett dem schnellen Hallensport verschrieben. Er gründete sogar eine Agentur, um den Futsal in der Schweiz zu etablieren. Das Ganze finanziert der 53-Jährige mit seinen Ersparnissen. Nennenswerte Rückflüsse hat er bisher noch keine verbuchen können, dazu brauche es noch etwas Zeit. Vom sportlichen und wirtschaftlichen Potenzial des Sports ist er aber überzeugt. «Optimal wäre es, wenn ein bekannter Fussball-Verein Futsal in seine bestehende Fussballfamilie aufnehmen würde. Dieser Klub würde mit dem Futsal-Projekt dem Sport die notwendige Aufmerksamkeit verleihen.»
Derweil üben die Spieler gerade Spielauslösungen. Nach einem Steilpass auf die rechte Seite wird der Ball zur Mitte gelupft und der Stürmer versucht, die Direktabnahme voll unter die Latte zu schiessen. «O jogo bonito» eben.