Mit seinen vier Niederlagen aus den fünf letzten Spielen hätte FCB-Trainer Marcel Koller seinen Job in Zypern bei Apoel Nikosia sicher längst verloren. Allein in dieser Saison hat der zypriotische Rekordmeister vier Trainer entlassen. Paolo Tramezzani, ein alter Bekannter, der bereits Lugano und Sion in der Super League trainierte, flog nach der ersten Saisonniederlage im Hinspiel der zweiten Champions-League-Quali-Runde gegen Karabach.
Sein Nachfolger Thomas Doll musste nach der ersten Liga-Niederlage am neunten Spieltag gehen. Apoel war zu diesem Zeitpunkt Tabellenzweiter. Für drei Spiele übernahm Vereinslegende Loukas Hatziloukas. Doch weil er das letzte Spiel vor der Winterpause verlor, verpflichtete Apoel mit dem Norweger Kare Ingebrigtsen den nächsten ausländischen Trainer.
Heute im Europa-League-Sechzehntelfinal gegen den FCB steht mit Marinos Ouzounidis bereits der fünfte Apoel-Trainer der Saison an der Seitenlinie. Ingebrigtsen wurde letzte Woche nach zwei Niederlagen in acht Spielen entlassen. Mit Ouzounidis gewann Apoel am vergangenen Wochenende 4:1 gegen FCB-Schreck Apollon Limassol. Gegen dieses Team war Basel im Sommer 2018 in der Europa-League-Quali gescheitert.
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Apoel-Präsident Phivos Erotokritou ist der Christian Constantin Zyperns. Läuft es nicht, muss der Trainer weg. In den vergangenen fünf Jahren entliess Erotokritou 14 Trainer und damit drei mehr als Constantin im selben Zeitraum beim FC Sion. Auch der ehemalige FCB-Coach Thorsten Fink gehört zu Erotokritous Opfern. Er wurde 2015 entlassen. Apoel war damals zwei Spieltage vor Saisonende Tabellenführer und Pokalfinalist. «Das war schon komisch», sagt Fink heute am Telefon. Genauer ins Detail gehen mag er nicht. Das Thema sei immer noch zu heikel.
Nach Stationen bei Austria Wien und den Grasshoppers trainiert Fink aktuell Vissel Kobe in Japan. Mit den Altstars Andres Iniesta, Lukas Podolski und David Villa gewann er den Japanischen Kaiserpokal. Und Anfang Februar auch ohne Villa (Karriereende) und Podolski (Wechsel in die Türkei) den Supercup. Die ersten beiden Titel in der Historie von Vissel Kobe waren auch die ersten Titel für Fink seit der Schweizer Meisterschaft 2011 mit dem FCB: «Sagen wir mal so: In Basel haben wir besser gefeiert», sagt Fink.
Doch auch ohne barfiähnliche Meister-Partys gefällt es dem 52-jährigen Deutschen in Kobe. Fink geniesst die Ruhe und den Respekt der japanischen Kultur. «Das Händeschütteln ist sehr wichtig. Hier schimpft keiner. Es wird sogar geklatscht, wenn dein Team verloren hat. Dieser Zusammenhalt tut gut», sagt er.
Seine Ex-Klubs verliert Thorsten Fink auch aus dem fernen Japan nicht aus den Augen. Wenn der FC Basel am Donnerstag in Nikosia zum Hinspiel gastiert, schaut er – wenn er nicht gerade schlafen muss – zu. Fink weiss, was den FCB erwartet und warnt: «Die Schweizer hauen ein zypriotisches Team nicht einfach so weg. Das wird ein heisser Kampf. In Zypern wird mit allen Mitteln gearbeitet. Die Spieler sind meist erfahren und mit allen Wassern gewaschen. Dazu kommen die heissblütigen Zuschauer.»
Apoel stand in den letzten zehn Jahren achtmal in einer europäischen Gruppenphase. Das Highlight war der Champions-League-Viertelfinal gegen Real Madrid 2012. In dieser Saison besiegte Apoel im heimischen Stadion den FC Sevilla und trotzte Ajax Amsterdam ein 0:0 ab. Auch durch die guten Leistungen von Apoel steht Zypern in der Uefa-Fünfjahreswertung als 15. fünf Plätze vor der Schweiz. In den letzten vier Jahren haben die zypriotischen Teams jeweils mehr Punkte geholt als Super-League-Klubs.
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Diese Fakten bestätigen die Eindrücke von Fink. Er drückt dem FCB die Daumen. Seine Erinnerungen an die Basler Zeit mit einer tollen Mannschaft, drei Titeln und magischen Champions-League-Nächten sind positiver als die an seine Zeit in Nikosia. Dort wurden ihm durch die vorzeitige Entlassung nicht nur zwei Titel geklaut. Es zischte auch einmal eine von einem Zuschauer geworfene Schraube knapp an Finks Kopf vorbei, oder es fielen Spiele aus, weil eine Bombe am Auto eines Schiedsrichters platziert wurde. Fink tippt nach seinem Herz: «Es werden zwei enge Spiele. Aber am Ende setzt sich der FCB knapp durch.» Sollte er Recht haben, kostet das möglicherweise Apoel-Trainer Ouzounidis den Job. Falls nicht, ist der Posten von Marcel Koller in Gefahr.