Es ist der Tag nach dem Spiel gegen Portugal. Die Sonne scheint im Garten des Schweizer Teamhotels Oulton Hall in Leeds. Ana-Maria Crnogorcevic sitzt im Schatten und soll über ihr Rekordspiel sprechen.
136 Mal ist sie für die Schweiz aufgelaufen, sagt nun aber: «Bei einem solchen Spielverlauf ist mir der Rekord völlig egal.» Stattdessen findet Crnogorcevic klare Worte über das Spielgeschehen von dieser EM-Auftaktpartie gegen Portugal. Sie kommt zum Schluss:
Der Ärger ist nicht verflogen. 2:0 hat die Schweiz am Samstag nach fünf Minuten geführt in Leigh gegen Portugal. Coumba Sow und Rahel Kiwic hatten die Schweizerinnen zu einem Traumstart geschossen. Was danach folgte, war aber eine grosse Enttäuschung. Die Schweiz wurde passiv, musste am Ende sogar noch glücklich über ein 2:2-Unentschieden gegen Aussenseiter Portugal sein.
Im Männerfussball mag Portugal zwar ein grosses Fussballland sein, bei den Frauen ist es aber jene Nation, die an das Turnier erst für Russland nachgerückt ist. Einen Sieg gegen Portugal hatten die Schweizerinnen vor diesem Turnier budgetiert, um sich eine kleine Chance auf das Weiterkommen zu wahren. Nun aber so eine Enttäuschung trotz optimalem Start.
Wunden lecken ist angesagt nach der gefühlten Niederlage. Woran hat es gelegen? Ramona Bachmann sagt: «Die Portugiesinnen haben in der Pause taktisch umgestellt, doch wir waren nicht fähig, daran etwas zu ändern.» Ähnlich tönt es bei Coumba Sow: «Die Distanzen waren zu gross, die Zuteilung stimmte nicht. Wir haben gemerkt, dass das Momentum kippt. Wir wollten das ändern, konnten aber nicht.» Auf dem Platz hat Captain Lia Wälti das Team zusammengenommen, nach dem Anschlusstreffer auf ihre Mitspielerinnen eingeredet. Ohne Erfolg.
Von aussen passierte in jener Phase etwas anderes, etwas überraschendes: Nämlich Nichts. Der Schweizer Nationaltrainer Nils Nielsen wartete lange mit seinem ersten Wechsel. Erst in der 74. brachte er Lara Marti für Sandy Maendly und schob damit die kämpferisch gute Géraldine Reuteler ins Zentrum, wodurch ein wenig mehr Stabilität ins Spiel kam. Draussen hätte Nielsen mit den talentierten Riola Xhemaili oder den Stürmerinnen Svenja Fölmli oder Fabienne Humm auch noch Akteurinnen gehabt, die nach vorne hätten Schwung bringen können.
Das sah selbst Nils Nielsen nach der Partie so. Der Nationaltrainer merkte selbstkritisch an:
Er argumentierte sein Zögern unter anderem damit, dass er nicht wusste, wie lange die erfahrenen Mittelfeldspielerinnen spielen können.
Damit meinte er allen voran Captain Lia Wälti. Sie ist erst von einer Verletzung zurückkommen, noch von ihrer Bestform entfernt. In der Nachspielzeit legte sie sich auf den Boden, musste ausgewechselt werden. Sie begründete später, dass sie nicht mehr habe sprinten können und den Platz einer fitteren Spielerin zur Verfügung stellen wollte. Ähnlich unfit wirkte Ana-Maria Crnogorcevic, die in der Vorbereitung wegen Krankheit noch einen Teil verpasst hatte. Auch unter diesem Hintergrund wirkte das Warten des Nationaltrainers auf Wechsel etwas ungewöhnlich, waren die Fitnesszustände von Wälti und Crnogorcevic doch bereits vor der Partie bekannt. Mögliche Wechsel für die Führungsspielerinnen hätten geplant werden können.
Das enttäuschende Resultat alleine am fehlenden Eingreifen Nielsens festzumachen, wäre aber zu kurz gedacht. Das Unentschieden gegen Portugal kann auch mit fehlender Klasse begründet werden. Die Schweizerinnen haben in diesem Jahr kein einziges Länderspiel gewonnen, sind vor der Europameisterschaft in den Testspielen in Deutschland (0:7) und gegen England (0:4) deutlich unter die Räder gekommen. Frauenfussball-Direktorin Tatjana Hänni wies am Tag nach dem Remis gegen Portugal auf eine enttäuschende Entwicklung hin.
Nun geht es in den nächsten beiden Gruppenspielen an dieser EM gegen Topnationen: Schweden und die Niederlande. Immerhin ist dann der Druck weg. (aargauerzeitung.ch)