Nischni Nowgorod, Freitag, 16 Uhr.
Entscheiden Blutergüsse die WM? Wegen eines solchen konnte Kolumbiens Superstar James gegen England nicht spielen – die Südamerikaner verloren. Jetzt droht Uruguay das gleiche Schicksal: Ein Ödem am inneren Teil des Zwillingsmuskels am hinteren Oberschenkel könnte den Einsatz von Torjäger Cavani gegen Frankreich verhindern.
Das wäre umso bitterer, als sich der Stürmer von Paris Saint-Germain einer Superform erfreut, wie seine beiden Tore zum 2:1-Sieg gegen Portugal beweisen.
Natürlich, die Urus haben auch noch Barcelonas Suarez Doch der 2014 als «Beisser» in die WM-Geschichte eingegangene Angreifer braucht Sturmpartner Cavani, um seine beste Leistung abzurufen. Wie gut die beiden harmonieren, hat der Achtelfinal gezeigt.
Aber selbst wenn Cavani spielen kann, geht Frankreich als Favorit ins Spiel. In der Gruppenphase hat das Team von Trainer Deschamps zwar noch gelangweilt, dann aber im ersten K.o.-Spiel beim 4:3 gegen Argentinien die Handbremse gelöst und ihr grossartiges Offensivpotenzial ausgeschöpft.
Zwar weiss Uruguays Innenverteidigerduo Godin/Gimenez genau, worauf es bei Frankreichs Stürmer Griezmann achten muss (alle drei spielen bei Atlético Madrid), aber dazu noch Mbappé im Griff zu haben, ist ein wenig viel verlangt. Fragen Sie die Argentinier!
Der Jungstar ist diesen nämlich regelrecht um die Ohren gelaufen und könnte der Überflieger dieser WM werden. Deschamps versucht, den Ball flach zu halten und erinnert daran, dass seiner Mannschaft die Erfahrung fehle. Er sagt aber auch: «Mbappé ist schneller als Ronaldo.» (br)
Kasan, Freitag, 20 Uhr.
Furios ist Brasilien nicht gerade in die WM gestartet. Gegen die Schweiz und Costa Rica, als der Sieg erst in der Nachspielzeit errungen wurde, hat die Selecção gewisse Anlaufschwächen offenbart. Gegen Serbien und im Achtelfinal gegen Mexiko ist dann aber zu erkennen gewesen, weshalb sie von vielen Experten als Titelanwärter Nummer 1 gehandelt wird.
Zwar dreht sich vor allem in der Aussendarstellung alles um Neymar, doch das macht Spieler wie Coutinho, Willian und Gabriel Jesus nicht weniger gefährlich. Im Gegenteil: Stürzt sich der Gegner auf Neymar, können sich die anderen noch besser entfalten. Noch bedeutsamer aber als die unberechenbare Offensive ist, dass Coach Tite die Defensive des fünffachen Weltmeisters zu einem Bollwerk geformt hat, die mit Alisson über einen Goalie verfügt, der Weltklasse verkörpert.
Weltklasse haben auch die Belgier in ihren Reihen. Captain Hazard ist nicht nur technisch brillant, sondern auch wegen seiner Schnelligkeit kaum zu halten.
Lukaku (4 Tore) im Sturm ist ein Kraftpaket mit Zug zum Tor und der laufstarke De Bruyne im Mittelfeld an guten Tagen ein genialer Regisseur. Zudem haben die Belgier im Achtelfinal gegen Japan bewiesen, dass sie über eine starke Mentalität verfügen, als sie in der zweiten Halbzeit in den letzten 20 Minuten aus einem 0:2 ein 3:2 machten.
In der Abwehr aber sind sie verwundbar, das hat sich nicht nur gegen Japan, sondern auch gegen Tunesien (5:2) gezeigt. Das dürfte den Roten Teufeln gegen Brasilien zum Verhängnis werden. (br)
Samara, Samstag, 16 Uhr.
Es wird ein schmerzhafter Anblick, den Schweden im Viertelfinal zuzuschauen. Wie sie das wiedergenesene England fordern. Wie sie sich abermals verschanzen vor dem eigenen Tor. Und hoffen, dass irgendwann das Undenkbare geschieht – dass sie ein weiteres Tor erzielen, sich vielleicht sogar ins Penaltyschiessen retten, und dann ...
Ja, das Penaltyschiessen, es war das ewige Leid der Engländer. WM 1990, EM 1996, WM 1998, EM 2004, WM 2006, EM 2012 – immer endeten die Turniere aus 11 Metern. Jetzt ist der Fluch nach dem Penalty-Triumph über Kolumbien zumindest vorerst besiegt. Trainer Gareth Southgate, selbst einer der tragischen Helden der Heim-EM 96, schenkt dem leidgeprüften Land weitere Tage der Hoffnung. Eigentlich denkt ganz England schon weiter.
Wer soll sie noch stoppen vor dem Final, die Three Lions? Schweden? Russland? Kroatien? Nein, das kann sich beim besten Willen niemand vorstellen. Und wahrlich, das Team funktioniert gut, es hat den wichtigsten mentalen Test schon überstanden, es ist physisch robust, es ist schnell, die Balance stimmt, es hat einen guten Torhüter (sic!) – und vorne trifft Harry Kane schon fast nach Belieben.
Ein erneuter schwedischer Triumph, man kann sich ihn beim besten Willen nicht vorstellen. Derart limitiert ist diese Mannschaft. Doch sie weiss das selbst am besten. Und das ist es, was sie so weit getragen hat. (ewu)
Sotschi, Samstag, 20 Uhr.
Russland gelang beim 5:0 gegen Saudi-Arabien der höchste Sieg in einem WM-Eröffnungsspiel. Russland qualifizierte sich als erste Mannschaft für die K.o.-Phase. Russland warf im Achtelfinal mit Spanien einen Favoriten aus dem Turnier. Die Spieler, vor der WM mit Hohn und Spott eingedeckt, sind plötzlich Helden.
Kulttrainer Stanislaw Salamowitsch Tschertschessow wird gefeiert als neuer «Juri Gagarin». Doch der Rausch verdeckt die Mängel: Die Saudis waren das schlechteste Team dieser WM, nur wenig tauglicher präsentierte sich der zweite Gruppengegner Ägypten. Im dritten Spiel gegen das drei Klassen bessere Uruguay (0:3) hatte Russland keinen Stich.
Und Achtelfinal-Gegner Spanien passte sich zwar 1137 (!) Mal den Ball zu, aber derart lethargisch und ideenlos, dass das Verteidigen für die Russen ein Leichtes war. Offensiv blieben sie alles schuldig.
Russland eine Mogelpackung? Die Antwort liefert der Viertelfinal. Grosse Schwächen sind bei Gegner Kroatien keine auszumachen: Die vielleicht beste Mannschaft bis hierhin kann verteidigen und kontern, aber genauso gut dominant und gefährlich sein – eine seltene Kombination.
Die goldene Generation der Kroaten um Luka Modric und Ivan Rakitic steht am Zenit ihrer Schaffenskraft und mit Ante Rebic spielt die Entdeckung des Turniers in ihrem Team. An den 20 Weltmeisterschaften vor 2018 sind sieben Gastgeber vor dem Halbfinal ausgeschieden. Dass es 2018 mit Russland den achten trifft, ist wahrscheinlicher als das Gegenteil. (wen)