Einschalten oder nicht? Es ist die grosse Frage dieser Tage. Heute um 11:00 Uhr absolviert die Schweiz gegen Kamerun ihr erstes WM-Spiel. Wer sich dafür entscheidet, wird auch ihn hören: Sascha Ruefer. Seit Herbst 2008 kommentiert er die Spiele der Nati.
In den 14 Jahren hat er sich zu einem der bekanntesten SRF-Gesichter entwickelt. Dass viele andere SRF verlassen haben, er dem Sender aber stets treu geblieben ist, mag dazu beigetragen haben. Klar ist aber auch: Ruefer hat es geschafft, dass fast jeder im Land eine Meinung über ihn hat. Was er am TV sagt, wird oft gar Gegenstand einer Debatte. Der Boulevard lässt keine Gelegenheit aus, Nati-Spieler oder Trainer Murat Yakin zu befragen, was sie von diesem oder jenem Satz Ruefers halten.
Es ist anfangs November, als wir Ruefer in Luzern treffen. 50 Jahre alt ist er mittlerweile. Noch dauert es einige Tage bis er zur WM nach Katar fliegt. Die WM ist sein zwölftes grosses Turnier, das er für SRF begleitet. Er tut das mit dem gleichen Elan wie immer. Auf die Frage, ob er sich je überlegt hat, die Nati einer anderen Stimme zu übergeben, sagt er:
Darum gilt: «Ob ich die Nati auch in zehn Jahren noch kommentiere, entscheiden einzig und allein meine Chefs.»
Dass sich Ruefer als Nati-Kommentator exponiert, ist ihm bewusst. Dass seine Bekanntheit nicht nur schöne Seiten nach sich zieht, ebenfalls. Deshalb beklagt er sich nicht über negative Rückmeldungen oder Anfeindungen, denen er ausgesetzt ist. Aber er stellt fest: «Social Media hat zu einer Verrohung der Werte geführt. Die Tendenz ist klar: Die Leute sind unanständiger und respektloser geworden, vor allem im virtuellen Raum.»
Er selbst hat sich deshalb komplett von Plattformen wie Instagram zurückgezogen. Er sagt:
Ruefers Schlüsselerlebnis war die WM 2014 in Brasilien. «Da habe ich komplett die Orientierung verloren.» Zwischen den Reisen quer durchs Land sucht er Orientierung im Publikum, stellt sich die Frage, wie er ankommt. «Ich machte den Fehler, zu viele Kommentare zu lesen. Wenn 15 Leute schrieben, der Ruefer sei die grösste Pfeife, dann begriff ich das als allgemeine Meinung.»
Nach dem Turnier verordnen ihm seine Chefs ein Coaching. Zunächst wehrt er sich dagegen. «Doch, du musst!», lautet der Befehl. Es ist die Bedingung, dass Ruefer bei SRF weitermachen kann.
Die WM in Katar ist speziell, es ist kein neues Thema. Alle Spiele in einer Stadt, für die TV-Kommentatoren bedeutet dies, dass im Gegensatz zu früheren Turnieren die Flüge zwischen den Spielen wegfallen. Ein Segen? Nicht nur. Ruefer sagt: «Die Reisen haben geholfen, mit einem Spiel abzuschliessen. In diesen Stunden hatte ich auch mal Ruhe, konnte neue Energie sammeln. Am neuen Ort wusste ich: Jetzt zählt es wieder, voller Fokus.»
In Katar fällt das Reisen weg. Dafür ist die Kadenz höher. Allein in den zehn Tagen zwischen gestern Mittwoch und dem Freitag 2. Dezember kommentiert Ruefer acht Spiele.
Zwischen dem Ende der Partie Deutschland – Japan am Mittwoch und dem Anpfiff von Schweiz-Kamerun liegen nicht einmal 19 Stunden. Als die überraschende Niederlage der Deutschen Tatsache ist, verlässt Ruefer alsbald das Stadion, fährt ins Hotel, isst etwas – und geht früh schlafen. Am nächsten Morgen macht er sich fünf Stunden vor dem Anpfiff von Schweiz – Kamerun auf den Weg zum Stadion.
Auch die Vorbereitungszeit vor der WM war kürzer als sonst, weil das Turnier mitten in der Saison stattfindet. Darum hat sich Ruefer seit dem 1. November komplett dem Fussball verschrieben. «Von da an habe ich keine anderen Beiträge mehr gelesen. Nicht über Schwingen, nicht über Skifahren – es gab einfach nur noch Fussball. Und erstmals seit der Schulzeit musste ich mir wieder einen persönlichen Stundenplan auferlegen.» Da stand dann zum Beispiel: 8-11 Uhr Kamerun, 11-12 Uhr Land und Leute. 13-16 Uhr Serbien. Und so weiter.
Im Vergleich zu früher hat sich auch die Arbeit während der Spiele verändert.
Ruefer arbeitet seit Jahren mit seinem Assistenten Renato Schatz, der das Spiel beobachtet und ihm Inputs liefert. Dazu hat er für jedes Spiel einen Schiedsrichter und einen Taktik-Experten an Board, die das Spiel schauen, und ihm Eindrücke via Textnachrichten schicken. Diese ploppen auf einem kleinen Ipad auf, das Ruefer auf der Kommentatoren-Tribüne dabei hat.
Knapp fünf Wochen verbringt Ruefer, 50-jährig mittlerweile, in Katar. Der Abschied von zu Hause fiel ihm bei aller Freude für den Job nicht ganz leicht. Das liegt vor allem an Sohn Matti, der bald neun wird, und seiner Partnerin Eliane.
Privat hat Ruefer eine schwierige Zeit hinter sich. Die Trennung von seiner langjährigen Partnerin und Mutter von Matti beschäftigt ihn immer noch.
Aber, sagt Ruefer, er sei nicht der erste und nicht der letzte gewesen, dem das passiert sei. «Es ist wie bei allem im Leben: Ich nehme das eine oder andere raus, das mich vielleicht sogar ein bisschen stärker macht. Die Beziehung zu meinem Sohn ist intensiver geworden. Und ich habe gelernt, gewissen Dingen gegenüber ein bisschen gelassener zu werden.»
Neunzig Minuten haben Foto und Gespräch schon gedauert. Die Nachspielzeit ist für ein Thema reserviert, an dem man nicht vorbeikommt: Schweiz – Serbien. Der Doppeladler an der WM 2018.
Mit den Worten «dumm und dämlich» taxierte Ruefer damals den Doppeladler-Jubel von Xhaka. «Ich würde das Wort nicht mehr verwenden», sagt Ruefer heute, «und ich würde die Zuschauenden viel früher auf die Provokationen der Serben im Stadion aufmerksam machen, das hätte die Geste in einen anderen Kontext gesetzt. Aber ich bleibe dabei: es war eine politische Geste, die es nicht hätte geben dürfen.»
Im Rückblick sagt Ruefer:
Wobei auch ein verhaltener Live-Kommentar die Diskussionen kaum verhindert hätte.
Die Befürchtungen, dass es auch jetzt, vier Jahre später, zu einem politisch aufgeladenen Duell kommen wird, teilt Ruefer aber nicht. «Es wird kein Schweiz – Serbien 2.0 geben. Die Atmosphäre wird aufgeladen sein. Es wird Provokationen geben. Aber man ist vorbereitet, man hat ausreichend darüber geredet. Und Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri sind älter und reifer geworden.»
Und was traut Ruefer den Schweizern zu an dieser WM?
Ja die Kommentatoren im SRF haben es nicht einfach da sie keine "Experten" haben die mitsprechen und sozusagen allein unterhalter sind. Bei der EM vor 2 Jahren bekamen wir Einsicht in seine Arbeit, statt einen Experten hat das SRF lieber einen Sozialmediakollegen zur Seite gestellt. Aber bei allem was gut und recht ist, wenn ich Fussball schaue will ich auch Fussballinfos haben. Da intressiert mich weder das Datingverhalten von Zuber's Ex noch die Leistung von shaq's Lambo!
Für jemanden, der seit 14 Jahren Fussball kommentiert, ist er an Inkopetenz jedoch kaum zu unterbieten.