Die Parallelen sind nicht zu übersehen. Super-Ligist Xamax war Anfang Saison als gefährlicher Aufsteiger betitelt worden, geriet früh in der Saison aus dem Tritt und wurde daraufhin abgeschrieben. Auf direktem Weg zurück in die Challenge League, so die voreilige Prognose für die Neuenburger.
In Aarau wurde vor dem Saisonstart darüber gemutmasst, wie sehr das starke Kader die Challenge League aufmischen würde. Die Meinung wurde revidiert, als Aarau nach sechs Spieltagen noch ohne Punkte und abgeschlagen am Tabellenende lag. Die Urteilsverkündung, dass es für Aarau nur noch um Schadensbegrenzung und sonst nichts mehr gehe, kam ähnlich wie bei die Prognose für Xamax vorschnell.
Wir sind in der BARRAGE - mit einem 1:0-Heimsieg gegen den FC Rapperswil-Jona dank dem goldenen Treffer von Stefan Maierhofer! #ZämeFörAarau pic.twitter.com/sfxOUJlhe3
— FC Aarau (@FCAarau1902) 26. Mai 2019
Fortan gehörten die grossen Schlagzeilen meist anderen Klubs, in der Super League dem souveränen Meister YB oder dem desaströsen GC, eine Liga tiefer dem Aufstiegsduell am Lac Leman zwischen Servette und Lausanne. Die Aufmerksamkeit und der Druck verlagerten sich auf andere Schultern.
Doch in Neuenburg und Aarau begann in deren Schatten die Renaissance. Xamax rettete sich auf Kosten von GC in die Barrage, Aarau verwies Lausanne um einen Punkt auf Platz 3. In den beiden Barrage-Spielen, am Auffahrts-Donnerstag in Neuenburg und drei Tage später auf dem Aarauer Brügglifeld, erlebt einer der beiden Klubs die Krönung des Steigerungslaufs.
Im Duell zwischen Super- und Challenge-Ligist gilt standesgemäss der Oberklassige als Favorit. Das Tempo und der Rhythmus in der Super League, wenn auch in dieser Saison bescheidener als auch schon, sind höher als in der Liga tiefer. Allerdings wiegen in Barrage-Spielen andere Faktoren mehr als Klasse und Tempo. Barrage ist Kampf- und Nervenspiel. Nicht immer siegt das bessere Team, meist aber das mit den besseren Nerven. Etwas, das sowohl Xamax wie auch Aarau in den vergangenen Wochen abging.
Dass nämlich Xamax als Super-Ligist in der Barrage antreten muss, ist auf zwei unnötige und späte Niederlagen gegen Sion und den FC Zürich zurückzuführen. Als das Team von Stéphane Henchoz die Chance hatte, etwas zu gewinnen, liessen es die Nerven nicht zu. Nun hat Xamax nur noch zu verlieren.
«Als Oberklassiger hast du einen negativen Druck. Dieser ist äusserst unangenehm», erinnerte sich Aaraus Sportchef Sandro Burki an die Barrage 2007, als er mit dem FCA gegen Bellinzona die Klasse halten konnte. Er erlebt die Aufstiegsspiele zum dritten Mal mit Aarau, erstmals als Sportchef, nachdem er 2007 und 2012 als Spieler auf dem Platz gestanden hatte.
«Wir haben eigentlich keinen Druck mehr, können einfach stolz sein auf das Erreichte. Wenn wir nicht aufsteigen sollten, haben wir trotzdem eine super Saison gespielt.» Burki wählt seine Worte auch im Bewusstsein, dass auch Aarau in den letzten Runden, als die Barrage zum Greifen nah war, zu zaudern anfing, sich mit knappen Siegen gegen Chiasso und Rapperswil-Jona gerade noch über die Ziellinie rettete.
Neben dem Druck, den Xamax als Oberklassiger hat, trug das Trainer-Wirrwarr der vergangenen Wochen Nebengeräusche nach Neuenburg. Henchoz, der das Team im Februar von Michel Decastel übernommen hatte und am Ursprung der Aufholjagd stand, erhielt von Präsident Christian Binggeli keinen neuen Vertrag. Er wird nach der Barrage in Sitten den Trainerposten übernehmen. «Die Situation in Neuenburg ist schon speziell. Doch wie alle Aussenstehenden kann ich nur mutmassen, ob sie Unruhe in den Klub trägt. Es ist ja auch möglich, dass sich alle gut damit arrangieren können», meint Burki.
Wenn für Neuchâtel Xamax, das wie Aarau bereits zum dritten Mal in der Barrage antritt (nach 2004 und 2006), die individuelle Klasse spricht, so kann Aarau Ruhe und den geringen Druck auf der Habenseite verbuchen. Was mit diesen Möglichkeiten machbar ist, zeigte Urs Fischer mit Union Berlin. (pre/sda)