Seit Monaten dominieren sie im Tessin die Schlagzeilen: Die Immigranten, welche massenweise in die Sonnenstube der Schweiz eindringen. Panik! Lega-Regierungspräsident Norman Gobbi forderte gar: «Ein Zaun muss her!»
Dieses Wochenende erreichte der Erregungszustand seinen vorläufigen Höhepunkt: Für einmal drohten nämlich weder Eritreer, Syrer oder Kurden den Kanton zu überschwemmen, sondern Basler! Besonders schwer integrierbar, kulturell kaum zu überbrückende Differenzen, zudem noch Fussballfans und deshalb äusserst gewaltbereit.
So dramatisch zumindest kann man die Mitteilung deuten, welche die Stadtpolizei Lugano im Vorfeld der Super-League-Partie zwischen dem FC Lugano und dem FC Basel verschickt hatte. Entlang der Route des Basler Fanmarsches wurde den Anwohnern empfohlen, alles in Sicherheit zu bringen, was nicht niet- und nagelfest ist. «Schliessen Sie Ihre Eingänge (Türen, Gittertore, Garagen) sicher ab und lassen Sie keine gefährlichen Gegenstände auf der Strasse!» Zudem riet die Polizei, die parkierten Autos entlang der Route zu entfernen.
Seit Tagen wurde im Tessin heiss darüber diskutiert, wie man mit den Gästen aus Basel klarkommen sollte. Über zehn Jahre spielten die Luganesi in der Challenge League, mit Grossevents wie dem Spiel gegen den FC Basel hat man dementsprechend wenig Erfahrung im Sottoceneri.
Und so wartete man am Samstagnachmittag angespannt auf die rund 800 Fans, die aus Basel per Extrazug angereist kamen. Rund 170 Polizisten standen am Bahnhof in Lugano bereit. Zusammen mit vier, fünf Kastenwagen sollten sie die Gäste aus Basel auf ihrem rund 30-minütigen Marsch zum Stadion begleiten. Alarmstufe Rot!
Und dann kamen sie also, diese unerwünschten Gäste aus diesem fernen Kanton und man befürchtete das Schlimmste. Doch es kam alles ganz anders ...
Mit dabei im Gepäck hatten die Bebbi nämlich weder Schlagstöcke, Messer oder sonstige Utensilien, mit denen man Auto-Pneus aufschlitzen oder Hauseingangstüren hätte aufknacken können, sondern – wie es sich für anständige Gäste aus dieser Region gehört – unzählige Packungen Basler Läckerli!
Ausserdem mit dabei im Reisegepäck: Ein Brief an die Anwohner entlang der Marschroute. Verfasst in einwandfreiem Italienisch.
«Wenn Sie diesen Brief in den Händen halten, wird alles vorüber sein. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Ihr Quartier wieder als sicher eingestuft. Die Barrikaden vor den Türen und Garagen können abgebaut und die Schützengräben können wieder mit Erde und Sand zugeschüttet werden.»
Die Mitteilung der Basel-Fans geht im gleichen ironischen Stil weiter. Unter anderem entschuldigen sie sich dafür, dass sie den Verkehr für einige Minuten in der Innenstadt von Lugano blockiert haben.
«Es stimmt, der Verkehr wird für einige Minuten blockiert sein. Aber wir versprechen Ihnen, dass wir nicht verantwortlich sind für den Stau vor dem Gotthard.»
So zogen die Basel-Fans von der Polizei eskortiert vom Bahnhof los und warfen den Brief zusammen mit den Läckerli in die Briefkasten entlang der Marschroute. Viele Luganesi trauten sich nach den Warnungen der Polizei am Samstagnachmittag gar nicht mehr auf die Strasse. Diejenigen, welche es trotzdem taten, wurden von den Gästen aus Basel reichlich beschenkt und hatten grosse Freude an der sympathischen Geste der Fussballfans.
Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass sowohl auf dem Hinweg zum Stadion als auch auf dem Rückweg alles friedlich ablief und nichts beschädigt wurde. Und wieder einmal durften die Tessiner erkennen, dass diese Immigranten gar keine Bedrohung darstellen müssen, sondern auch eine Bereicherung sein können.