Die Enttäuschung stand Valentin Stocker ins Gesicht geschrieben. Der FCB-Captain wurde von TV-Station zu TV-Station weitergereicht. Überall versuchte der 31-jährige Routinier zu erklären, warum seine Mannschaft trotz einer 1:0-Führung gegen CSKA Sofia noch 1:3 verlor und damit die Europa-League-Qualifikation zum zweiten Mal in drei Jahren noch vergeigte.
In jedem seiner Interview sprach Stocker von fehlender Spielfreude, ausbleibenden Ideen, und der nicht vorhandenen Leichtigkeit. «Wir müssen dringend schauen, dass wir da wieder rauskommen. Wir müssen im Kopf bereit sein und dieses Spiel so schnell wie möglich abhaken. Jetzt ist wichtig, dass wir in der Meisterschaft endlich gewinnen und dort ankommen», predigte Stocker vor den TV-Kameras.
🎤🎥 Das sagt Valentin Stocker zur 1:3-Niederlage gegen CSKA Sofia.#FCBasel1893 #rotblaulive pic.twitter.com/AR0znfYJyl
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) October 1, 2020
Nur bei «Blue» liess der Captain etwas tiefer in Seelenleben blicken. Stocker sprach dort von einem Prozess, der die Mannschaft über die letzten drei Jahre auseinanderdividiert habe und von fehlender Qualität beim FC Basel. Ausserdem sei die Freude auf dem Platz nicht mehr vorhanden. Happige Vorwürfe!
Trainer Ciriaco Sforza sah sich gezwungen, in der Pressekonferenz nach dem Spiel die Wogen zu glätten. «Ich sehe, dass im Training die Freude vorhanden ist», konterte er seinen Captain und fügte an: «Jeder muss sich jetzt nach dieser Niederlage selbst hinterfragen, ob er das Beste für den Verein gegeben hat.» Zur Qualität des Kaders meinte Sforza: «Es bringt jetzt nichts, zu jammern. Momentan haben wir die Spieler, die hier sind.»
🎙️ | Sforza: „Wir haben mit Valentin Stocker wegen seinen Aussagen von gestern diskutiert und haben die Sache bereinigt.“ #FCBasel1893 #zämmestark #rotblaulive
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) October 2, 2020
Doch werden diese Spieler alle auch in vier Tagen noch in Basel sein? Bis zum 5. Oktober ist das internationale Transferfenster noch geöffnet und nach dem Verpassen des ersten Saisonziels könnten noch einige Abgänge drohen. Abwehrchef Omar Alderete soll bei Lazio Rom und Hertha BSC ein Thema sein, Eray Cömert hatte schon im Frühling das Interesse von Galatasaray Istanbul geweckt und der Name von Torjäger Arthur Cabral steht auf so einigen Scouting-Listen in Europa ganz weit oben.
Ein Sieg gegen Sofia hätte aber nicht nur geholfen, Argumente für einen Verbleib der wichtigsten Spieler zu sammeln. Schliesslich hätten sie sich auf internationalem Parkett für höhere Aufgaben empfehlen können. Die Europa-League-Qualifikation hätte dem FC Basel, der im Juni für das Jahr 2019 einen Verlust von fast 20 Millionen Franken kommunizieren musste, auch finanziell etwas Luft verschafft. Sechs Millionen hätte man unabhängig vom sportlichen Erfolg in der Europa League mindestens verdient. Nun bekommt der FCB für die drei Qualifikationsrunden lediglich eine Solidaritätszahlung von 840'000 Euro. Wenig für den finanziell angeschlagenen Verein.
🎙️ | Heri: „Die UEFA-Prämien sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Geschäftsmodels, wir werden andere Mittel suchen müssen. Es hätte in der momentanen Situation sicher geholfen, aber es war nicht fest einkalkuliert.“ #FCBasel1893 #zämmestark #rotblaulive
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) October 2, 2020
Basels Europacup-Aus könnte auch den Schweizer Fussball hart treffen. Im Nationen-Ranking der UEFA-Fünfjahreswertung ist die Schweiz zuletzt auf Rang 17 abgerutscht und nun auf Erfolge der Berner Young Boys angewiesen. Der FCB-Nachfolger als Serienmeister hat sich als einziger Super-League-Vertreter für eine europäische Gruppenphase qualifizieren können.
So wird es schwierig, sich gegen Nationen wie Österreich, Dänemark, Schottland, Griechenland, Tschechien oder Kroatien zu behaupten. Im Gegensatz zur Schweiz haben die ärgsten Konkurrenten um einen Platz in den Top 15 mit Ausnahme von Dänemark (Midtjylland in der Champions League) alle noch mehrere aktive Europacup-Vertreter in ihren Reihen. (pre)