Wann ist im Fussball ein Hands ein Hands? 5 Super-League-Spieler formulieren «ihre» Regeln
«Hands!» So rufen im Super-League-Stadion die Profis und auf dem Pausenplatz die Schüler, wenn beim Kicken der Ball gegen den Körper eines Gegners prallt. «Hands!» oder «Penalty!», tönt es aus vielen Kehlen in Richtung des Schiedsrichters, wenn sich das angebliche Vergehen im Strafraum ereignet hat. Man kann es ja versuchen in Zeiten, wo der Durchblick fehlt, wann ein Handspiel ein Handspiel ist und wann nicht.
Tore, die glasklar mit der Hand erzielt werden, wie jene von Maradona bei der WM 1986 für Argentinien gegen England und von Henry in der WM-Barrage 2009 für Frankreich gegen Irland sind heute dank des VAR nicht mehr möglich. Das ist zwar gut, doch die wahren Probleme des Fussball und seiner Handregeln sind ohnehin andere.
Ein Penaltypfiff sollte keine Lotterie sein
Im Zentrum steht die Frage: Was genau ist ein strafbares Handspiel und was nicht? Wann gibt es einen Penalty und wann nicht? Es vergeht kein Wochenende, an dem nicht ein umstrittenes Handspiel zu reden gibt. Diskussionen und Emotionen gehören zwar zum Fussball, aber zu einer Lotterie sollte ein Penaltyentscheid nicht verkommen. Es nervt, wenn gleiche Vergehen unterschiedlich interpretiert und geahndet werden.
In einem Brief an FIFA-Präsident Gianni Infantino bittet Uefa-Präsident Aleksandar Čeferin darum, aktuelle Regelungen rückgängig zu machen. Seit der Modifikation 2019 sind Handspiele über Schulterhöhe strafbar, auch wenn keine Absicht vorliegt. Vom Körper etwas weggespreizte Arme gelten als «unnatürliche Körperhaltung» und werden bei Ballberührung ebenfalls geahndet. Was alles andere als praxisbezogen und im Geist des Fussballs ist.
Čeferin ist nicht allein, wenn er fordert, dass wieder vermehrt der Faktor «Absicht» in den Vordergrund rückt. Ist die Bewegung natürlich, soll ein Handspiel nicht mehr geahndet werden. Und Schüsse, die aus einem Meter Entfernung gegen einen Arm prallen, und ist dieser auch vom Körper abgespreizt, nicht mehr zum Penaltypfiff führen.
An diesem Mittwoch kommt virtuell der IFAB zusammen, um über mögliche Änderungen der Handspielregeln zu diskutieren und Vorschläge für die am 6. März 2021 stattfindende Versammlung mit der FIFA vorzubereiten.
CH Media hat in der Super League fünf Profis befragt, welche Handregel sie aus Sicht der Praktiker IFAB und FIFA ans Herz legen würden.
Leonidas Stergiou, Verteidiger FC St. Gallen
Das Problem ist jedoch, dass es nicht nur Schwarz und Weiss gibt, sondern eben auch Graubereiche. Und verschiedene Schiedsrichter diese Graubereiche verschieden interpretieren. Im Zweifel sollten sie für den verteidigenden Spieler entscheiden. Wir Verteidiger müssen aber auch darauf achten, wo wir unsere Hände haben. Ich nehme meine oft hinter den Rücken. Natürlich gibt es Situationen, in denen man die Hände für die Balance braucht. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich mit den Händen hinter dem Rücken in der Koordination oder im Bewegungsablauf eingeschränkt bin.»
Yanick Brecher, Torhüter FC Zürich
Kein Handspiel ist es, wenn der Ball kurz die Hand eines Spielers streift. Beim Goalerfolg ist das aber nach den aktuellen Regeln Hands, ich finde das falsch. Dadurch verschafft man sich keinen Vorteil. Die letzte Regeländerung hat für Verwirrung gesorgt. Zudem werden viele Hands-Entscheide teilweise nicht gleich ausgelegt. Ich glaube, Defensiv- und Offensivspieler bewerten die Handspielregel unterschiedlich. Wenn ein Spieler reingrätscht und der Ball an die Hand springt, dann ist es für mich kein Handspiel. Wo soll man mit der Hand nur hin? Stürmer sehen das wohl anders, da sie davon profitieren.»
Marvin Schulz, Mittelfeldspieler FC Luzern
Auf Handspiel darf nicht entschieden werden, wenn ich den Arm wirklich am Körper habe und der Ball dagegen prallt. Viel zu häufig wird eine solche Aktion als Handspiel bewertet, aber in einer anderen Partie eine fast identische Aktion nicht mehr. Das ist für mich ein grosses Problem. Wenn man den VAR schon zur Verfügung hat, dann muss man ihn auch so einsetzen, dass die Regeln in jeder Partie und bei jeder Mannschaft exakt die gleichen sind.
Ich habe mich in Defensivsituationen auch schon des Öfteren gefragt, ob ich meine Hände hinter den Rücken nehmen soll, um zu verhindern, dass ein Handspiel passiert. Dadurch wäre ich aber eingeschränkt. Mir fällt generell auf, dass es derzeit viel zu viele Handspenaltys gibt.»
Christian Schneuwly, Offensivspieler Lausanne-Sport
Kein Hands ist, wenn ich ein Tackling mache und meine Hand zum Abstützen auf dem Boden habe und der Ball dann gegen meinen Arm fliegt. Man könnte zwar sagen, man habe damit eine Torchance verhindert, aber abstützen muss man sich nun mal. Da steckt keine Absicht dahinter und darf auch nicht geahndet werden. Kein Handspiel ist es auch, wenn einem der Gegner den Ball aus einem Meter Distanz an die Hand knallt. Da kann man absolut nichts mehr machen.
Bei der aktuellen Regel finde ich gut, dass bei Offensivaktionen das Tor nicht gegeben wird, wenn eine Hand im Spiel ist. Egal, ob Absicht oder nicht. So herrscht Klarheit.»
Christian Fassnacht, Offensivspieler BSC Young Boys
Ich finde, dass die aktuelle Handspielregel vor erzielten Toren Optimierungsbedarf hat. Dazu zwei Beispiele von YB in dieser Saison: Im Spiel gegen Sion im September prallte mir der Ball an den Arm. Völlig zufällig. Dennoch wurde das anschliessende Tor von Nicolas Ngamaleu aberkannt.
Vor zwei Wochen gegen Lausanne schoss Jordan Siebatcheu ein Tor, das wegen Handspiels aberkannt wurde. Doch auch bei ihm war es reiner Zufall und bei den TV-Bildern nicht einmal deutlich sichtbar, dass er den Ball zuvor leicht mit dem Arm touchiert haben soll.»
- Der Hansi Flick von Borussia Dortmund? So tickt Favre-Nachfolger Edin Terzic
- Jean-Marc Bosman lehnt zwei Millionen ab und revolutioniert den Weltfussball
- Neuer BVB-Trainer: Diese acht Kandidaten könnten auf Lucien Favre folgen
- Leader-Patzer sorgen für Hochspannung und Hoffnung in den Top-5-Ligen Europas
- «Er hat genug angerichtet, es ist Zeit zu gehen» – Xhaka nach Rot hart in der Kritik
