Deutschlands Nationalstürmer Thomas Müller musste in den letzten Tagen einen Shitstorm über sich ergehen lassen. Er hatte Spiele gegen Mini-Staaten wie San Marino kritisiert.
Doch Müller erhielt auch Rückendeckung. Von vielen Beobachtern und Fans, die seine offene, ehrliche, direkte und im Fussball immer mehr verschwindende Art schätzen. Oder von Karl-Heinz Rummenigge. Der Bayern-Vorstandsvorsitzende sagte zur «Sportbild»: «Jetzt spielen wir gegen San Marino, Gibraltar, Kosovo. Da frage ich mich: Wieso gibt es für solche kleinen Länder keine Qualifikation?»
Irgendwie wenig verwunderlich. Denn Rummenigge kämpft auch in der Champions League für einfachere Qualifikationshürden der grossen Klubs. Warum Topteams wie Deutschland weiterhin gegen Mini-Staaten antreten müssen? «Weil sie eine Stimme in der FIFA und der UEFA haben, die genauso schwer wiegt wie die deutsche. Es geht immer weniger um Sport, sondern immer mehr um Politik und Finanzen.» Irgendwie wie in der Champions League.
Zur Kritik und zum Wunsch nach einer Vor-Qualifikation für ganz kleine Nationen musste auch FIFA-Präsident Gianni Infantino Stellung nehmen. Er nimmt den offenen Brief San Marinos gegenüber der «Sportbild» gelassen: «Das ist doch Teil des Fussballs. Da kann man auch ein bisschen sarkastisch sein und sticheln, das ist kein Problem.» Er finde es schön, dass jeder eine Meinung habe. Am Ende müsse man einfach den besten Entscheid treffen.
Wie dieser aussieht, das lässt sich Infantino nicht entlocken. Aber der mächtigste Mann im Weltfussball stellt sich nicht bedingungslos hinter die Mini-Staaten: «Die Magie des Fussballs ist auch, dass Kleine und ganz Kleine gegen ganz Grosse spielen können. Das kommt ja auch nicht so oft vor. Ich sehe das nicht überdramatisch … Es ist nicht einfach, das richtige Gleichgewicht zwischen Klubs und Verbänden reinzubringen. Es ist nicht ideal. Alle sind irgendwo nicht ganz glücklich. Aber das heisst auch, dass es gar nicht so schlecht ist. Dennoch müssen wir es analysieren, sehen: Was können wir besser machen?»
In anderen Worten: Infantino lässt sich nicht auf die Äste hinaus und somit alle Optionen offen. Dass eine Vor-Qualifikation dereinst tatsächlich eingeführt wird, ist nicht ganz abwegig. Die UEFA startet in der Saison 2018/19 bekanntlich die Nations League. Dort werden alle 55 europäischen Teams in vier Stärkeklassen verteilt.
In der schwächsten Gruppe D wären gemäss Weltrangliste zur Zeit die 16 Teams aus Litauen, Finnland, Lettland, Estland, Georgien, Armenien, Luxemburg, Zypern, Mazedonien, Kosovo, Moldawien, Malta, Liechtenstein, San Marino, Andorra und Gibraltar hier eingeteilt. Pikant dabei: Der Sieger dieser Stärkeklasse soll an der EM 2020 einen Startplatz erhalten. (fox)