Darf das wahr sein? Wird dieses Spiel aus dem Nichts noch einmal spannend?
Plötzlich führt die Schweiz nur noch 2:1. Plötzlich herrscht in der Abwehr nur noch Panik. Schär rettet mit dem Kopf auf der Linie. Wenig später hält Torhüter Mvogo das Geschoss von Sigurdsson. In der Nachspielzeit darf sich auch noch Bjarnason versuchen – daneben. Die Schweizer retten ihren Vorsprung ins Ziel.
Die Spannung hätte es nicht gebraucht. Wenn Captain Xhaka Islands Stürmer Finnbogason etwas energischer gestört hätte, wäre das Traumtor gar nicht erst gefallen. Dass die Nachlässigkeit am Ende nicht bestraft wurde, bewahrt die Schweizer Fussballer im garstigen Island vor unangenehmen Fragen. Dank des am Ende doch verdienten Sieges kommt es nun zum Endspiel um den Gruppensieg in der Nations League. Die Schweizer fordern am 18. November erneut Belgien.
Für einen hatte der unerwartete Finish durchaus seinen Reiz – Torhüter Yvon Mvogo. Er erhielt gestern zum ersten Mal in seiner Karriere die Chance zur Bewährung im Schweizer Tor. Und konnte sich einige Mal auszeichnen. Mvogo ist der fünfte Neuling in diesem Herbst nach Mbabu, Ajeti, Sow und Fassnacht. Die Debütanten-Show von Petkovic geht also weiter.
Der Weg des 24-jährigen Torhüters verlief in den letzten anderthalb Jahren eher steinig. Die Hoffnung, nach seinem Wechsel von YB zu Leipzig («Ich hätte mir keinen besseren Transfer vorstellen können.») rasch Stammtorhüter in der Bundesliga zu werden, hat sich zerschlagen. Erst sieben Spiele durfte er bis anhin bestreiten. Auch in dieser Saison bleiben ihm in der Rolle hinter dem Ungarn Péter Gulácsi nur die Brosamen in Form von Europa-LeagueEinsätzen.
Lange passte aus Schweizer Sicht überhaupt nichts zusammen. Die ersten zehn Minuten waren noch einigermassen beschwingt. Dann übernahm Island von Minute zu Minute mehr die Kontrolle. Bissig in den Zweikämpfen und stets schnörkellos auf dem Weg nach vorne. Sigurdsson verpasste die Führung nach 30 Minuten knapp.
Die Schweizer mussten sich zu diesem Zeitpunkt fragen, ob sie bereit waren, sich zu wehren gegen die manchmal auch ruppig einsteigenden Gegner. Es war so ziemlich alles anders als noch im September beim ersten Vergleich, den die Schweizer gleich 6:0 gewonnen hatten.
«Wir müssen uns den Sieg wieder verdienen», forderte Petkovic vor dem Spiel. Spätestens zur Halbzeit hatte er die Gewissheit, dass da tatsächlich ganz ein anderer Gegner auf dem Feld steht. Einer, den auch nach Revanche dürstete.
Mit Beginn der zweiten Hälfte stand dann jedoch eine andere Schweizer Mannschaft auf dem Platz. Nun plötzlich dominant und zielstrebig. Das schlug sich schnell auch im Resultat nieder. Nach 52 Minuten verwertete Seferovic per Kopf eine schöne Flanke von Xhaka zum 1:0. Eine Viertelstunde später rückte Lang nach und traf aus kurzer Distanz zum 2:0. Zwischendrin hätte Gavranovic ein weiteres Tor erzielen müssen.
Die Leistungssteigerung der Schweizer war bemerkenswert. Seferovic, erstmals von Beginn weg auf dem Flügel eingesetzt, war zuvor ungesehen. Doch plötzlich hatte er bei beiden Treffern die Füsse im Spiel. Auch Zuber gewann an Volumen. Und eines bestätigte sich ebenfalls: Der Schweizer Angriff ist nach der Versetzung von Xherdan Shaqiri in die Mitte variabler und unberechenbarer geworden. Die Massnahme von Petkovic hat sich bewährt.
Nach der Dreierkette in Belgien setzte Petkovic nun wieder auf die Viererabwehr. Sie zeigte sich stabil. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber dennoch. Fabian Schär ist nach seiner gelben Karte im Endspiel gegen Belgien gesperrt. Für ihn wiederholt sich damit die Geschichte aus dem WM-Achtelfinal. (aargauerzeitung.ch)