Nein, so richtig beruhigt hat sich Alex Frei auch jetzt noch nicht. Der Schlusspfiff ist einige Minuten her, als sich der Nati-Rekordtorschütze auf den Weg in die Katakomben macht. Während ihm die Fans zujubeln, flucht er weiter vor sich hin und schüttelt den Kopf. Gut möglich, dass ihn diese eine Szene kurz vor Ende auch in der Nacht noch verfolgt.
Die Nachspielzeit in diesem intensiven Spitzenspiel ist erst wenige Sekunden alt, als der Ball im Strafraum zum eingewechselten Ltaief kommt. Matchball für den FCB. Aber Ltaief vergibt. Und darum bleibt es beim 0:0.
Ein paar Minuten später. Frage an Alex Frei: Was denkt in diesem Moment einer, der Rekord-Nati-Torschütze ist und in seiner Karriere in neun von zehn solchen Situationen den entscheidenden Treffer erzielt hätte? «Zunächst einmal bin ich natürlich enttäuscht, dass Sie nicht in Situationen gesagt haben», sagt Frei mit einem Lächeln. Dann fügt er an: «Vergessen wir nicht, Ltaief war vor etwa sechs Monaten bei Winterthur eher noch im zweiten Glied. Jetzt ist es eben etwas anderes, wenn der Ball zu dir kommt und gut 26000 Fans im Stadion sehen ihn schon drin. Ich kann nur sagen: Dranbleiben. Arbeiten. Wiederholen, wiederholen, wiederholen.»
Ein paar Meter neben Frei sitzt Raphael Wicky. Für den YB-Trainer war es die erste Rückkehr nach Basel nach seiner Entlassung beim FCB im Sommer 2018. Seine Bilanz nach dem Unentschieden: «Es war ein packendes Spiel, das beide Mannschaften hätten gewinnen können. Vor allem gefiel mir, dass beide versucht haben, offensiven Fussball zu zeigen.»
Das Unentschieden ist in der Tat gerecht. Gerade in der zweiten Hälfte nimmt das Spitzenspiel immer mehr Fahrt auf. Latte YB. Latte FCB. Grosschance YB. Grosschance FCB. Es geht hin und her. Emotionen hier. Flüche da. Gelbe Karte gegen Wicky. Gelbe Karte gegen Frei. Es ist alles dabei in diesem aufwühlenden Spiel, ausser Tore.
Und als YB doch trifft, zählt das Tor von Rieder richtigerweise nicht, weil Itten unmittelbar zuvor ein Foul begeht, das Schiedsrichter Fähndrich nach einem Hinweis des VAR am Bildschirm sieht.
Der FCB bleibt damit auch nach drei Spielen in der neuen Meisterschaft sieglos. Das ist für einen Titelkandidaten einerseits eine enttäuschende Zwischenbilanz. Doch am Ende dieses Sonntags dürfen sich Frei und seine Spieler auch mit gutem Gewissen darüber freuen, YB an den Rand einer Niederlage gebracht zu haben. Und wie sagt Trainer Frei? «Wenn wir so weitermachen, bin ich überzeugt, dass uns das Wettkampfglück irgendwann zufällt - und dann auch bleibt.» Man sollte diese Basler im Titelkampf jedenfalls gewiss nicht abschreiben.
Aber eines ist klar: der Titel führt in dieser Saison über YB. Auch wenn Wickys Team nun bereits zum zweiten Mal in Serie unentschieden spielte.
Noch darf sich der FC Zürich Schweizer Meister nennen. Aber seine Bilanz zum Start in die neue Saison nimmt immer dramatischere Züge an. Das 0:3 gegen Sion ist bereits die dritte Niederlage. Noch immer ist dem FCZ in der Meisterschaft kein einziges Tor gelungen.
Am Sonntag genügen dem Meister zehn Minuten, um gegen Sion total auseinander zu fallen. Itaitinga zweimal und Stojilkovic treffen für die Walliser. Wie die Zürcher dabei verteidigen, ist haarsträubend. «Das darf ganz einfach nicht passieren - egal in welchem System», sagt Trainer Franco Foda.
Die Frage ist trotzdem, inwiefern der neue Trainer mit seinen ständigen Wechseln - taktisch und personell - zur Destabilisierung des Meisters beigetragen hat. Es warten bereits wegweisende Spiele auf den FCZ. Zuerst gegen Linfield in der Europa-League-Quali, dann das Derby in Winterthur - zwei Siege sind Pflicht. (aargauerzeitung.ch)