Begeisternde Stimmung, mitreissender Fussball und ein bisschen Drama: Mit einem 2:0-Sieg im Viertelfinal-Rückspiel der Europa League gegen Benfica Lissabon hat Eintracht Frankfurt zum ersten Mal seit 39 Jahren wieder einen europäischen Halbfinal erreicht.
Nach dem 2:4 im Hinspiel musste die Mannschaft von Adi Hütter zuhause vor 48'000 Zuschauern aber auch etwas Glück in Anspruch nehmen. Das 1:0 durch Filip Kostic fiel nämlich aus einer klaren Abseitsstellung und in der Europa League wird der VAR im Gegensatz zur Champions League noch nicht eingesetzt. Ausserdem traf Benficas Eduardo Silva in der 85. Minute nur den Pfosten.
Doch das spielt nun alles keine Rolle mehr: Im Halbfinal trifft die Eintracht nun auf den FC Chelsea und darf sich berechtigte Hoffnungen auf den ersten internationalen Titel seit 1980 machen, als man im Final mit Hin- und Rückspiel gegen Borussia Mönchengladbach den UEFA-Cup gewann.
Die Gründe für den (europäischen) Höhenflug:
«Cup der Verlierer» – so nannte Franz Beckenbauer einst den UEFA Cup abwertend. Für viele europäische Topklubs ist die Europa League aber immer noch genau das. Ein lästige Pflichtaufgabe nach dem Verpassen der Champions League. Ganz anders für die Eintracht: Dank dem Gewinn des DFB-Pokals gegen Bayern München war man endlich wieder europäisch – erst zum dritten Mal seit 1995, als mit Anthony Yeboah und Jay-Jay Okocha erst im Viertelfinal des UEFA-Cup Endstation war.
Die Freude über die Rückkehr nach Europa war von Anfang an allen Ecken spürbar. Und auch die Auslosung meinte es gut mit der Eintracht: In der Gruppenphase standen Gastspiele bei Olympique Marseille, Lazio Rom und Apollon Limassol auf dem Programm. «Wir haben uns Europa gewünscht und jetzt haben wir Europa auf höchstem Niveau», freute man sich in der Banken-Metropole am Main.
Die Auftritte in der Europa League wurden als grosse Höhepunkte zelebriert. Sämtliche Heimspiele waren ausverkauft und auch zu den Auswärtspartien reisten Tausende Frankfurt-Fans und beeindruckten mit ihren sehenswerten Choreos. Die Euphorie schwappte schnell auf die Mannschaft über. Als erste deutsche Mannschaft gewann die Eintracht alle sechs Gruppenspiele in einem europäischen Wettbewerb, in diesem Jahr geht es mit dem Durchmarsch in der K.O.-Runde unentwegt weiter. Und von Runde zu Runde wird die Euphorie noch grösser.
So beschreibt die Süddeutsche den Charakter der Mannschaft von Eintracht Frankfurt. Tatsächlich ist das Team von Trainer Adi Hütter ein verschworener Haufen, in dem die Mischung einfach stimmt.
Im Sturm wirbelt der Dreiszack mit Sébastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic in allen Zweier-Kombinationen. Alle drei möglichen Paare harmonieren bestens, längst verbreiten sie nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in ganz Europa Angst und Schrecken.
Doch auch der Rest der Mannschaft kann sich sehen lassen: Der bei Bayern München und Borussia Dortmund gescheiterte Sebastian Rode blüht in Frankfurt endlich auf. Die Routiniers Makoto Hasebe («Der japanische Beckenbauer») und Gelson Fernandes sorgen im defensiven Mittelfeld für die nötige Stabilität, in der Innenverteidigung räumen der Ex-Basler David Abraham und Martin Hinteregger auf und im Tor strahlt der von Paris St-Germain ausgeliehene Kevin Trapp die nötige Ruhe und Souveränität aus.
Als Meistertrainer von YB kam Adi Hütter im letzten Sommer von Bern nach Frankfurt, doch am neuen Arbeitsort legte der 49-jährige Österreicher gleich einen veritablen Fehlstart hin: Auf das Aus als Titelverteidiger in der 1. Runde des DFB-Pokals, folgten in der Bundesliga nur vier Punkte aus den ersten fünf Spielen.
Formtiefs einiger Spieler und das 4-4-2-System, das nicht zur Mannschaft passte, sowie der Entscheid, eine «Trainingsgruppe 2» zu bilden, führte bald zu viel Kritik. Doch Hütter schaffte die Wende. Er stellte das Spielsystem auf ein 3-5-2 um und impfte dem Team eine deutlich offensivere Ausrichtung mit frühem Pressing ein. «Hinten konsequent, vorne effizient», lautet seither die Devise der Eintracht und das geht auf.
Seine unaufgeregte Art zu coachen, hatte ausserdem einen ordnenden Einfluss auf die manchmal etwas gar von Emotionen geprägte Spielweise seiner Mannschaft. Dank Rang 4 in der Liga darf Frankfurt sogar von der erstmaligen Qualifikation für die Champions League träumen.
Seit 2016 ist Fredi Bobic Sportvorstand bei der Eintracht. Seine Transfer-Entscheidungen, die er gemeinsam mit Sportdirektor Bruno Hübner trifft, bilden die Grundlage des Erfolgs. Doch auch bei den Trainern hat der frühere deutsche Nationalspieler ein gutes Händchen: Erst holte Bobic in einer heiklen Situation Niko Kovac, auf die neue Saison hin Adi Hütter. Bobic gilt in der Branche als harter, aufrichtiger Arbeiter: Populistische Sprüche hört man von ihm keine, in den Vordergrund drängen mag er sich auch nicht. Kein Wunder sagt Bundestrainer Jogi Löw über ihn:
Ganz anders tritt der Präsident des Klubs auf, das ist seit fast 20 Jahren Peter Fischer. Im Profi-Bereich hat der 63-Jährige zwar nicht viel zu sagen, dennoch verkörpert er die Eintracht perfekt: Kecke Sprüche und ganz viele Emotionen. In der Frankfurter Kurve lieben ihn alle – auch weil er sich offen für Pyrotechnik im Stadion ausspricht. Für den Klub ist er als Bindeglied zur gefürchteten Hardcore-Fanszene nicht wegzudenken. Fischer ist einer der wenigen, dem auch die gewaltbereiten Anhänger zuhören.
Kann man auch falsch verstehen 😅