Es ist, als hätte jemand den Pausenknopf gedrückt und danach die Fernbedienung verlegt. Der Fussball steht still – naja, fast überall. Champions League, Bundesliga, Premier League und natürlich auch die heimischen Ligen in der Schweiz – wegen der Coronavirus-Pandemie sind sie allesamt eingefroren wie draussen die Primeln im Morgenfrost.
Klar ist derzeit eigentlich nur, dass überhaupt nichts klar ist. Man weiss nicht, ob es diese Saison weitergeht. Und falls ja, ist natürlich offen, ab wann und in welcher Form eine Fortsetzung möglich ist. Mittlerweile gibt es Hinweise, dass wohl bis weit in den August gespielt werden könnte – sofern ab Juni Fussballspiele wieder erlaubt sind.
Das wäre zwar wichtig – für die Klubs wegen den TV-Geldern, für Fans wegen der Langeweile –, birgt aber natürlich auch seine Probleme. Traditionellerweise laufen Verträge im Fussball jeweils am 30. Juni aus. Alleine in der Super League sind es diesen Sommer 66 Spieler mit auslaufendem Kontrakt. Darunter auch grosse Namen wie Guillaume Hoarau, Ricky van Wolfswinkel oder Jordi Quintilla. In der Bundesliga sind es sogar 138 Profis. Oder anders formuliert: jeder vierte Spieler.
Theoretisch hiesse das dann ja, dass diese Spieler ab diesem 30. Juni den Verein wechseln können – mitten im nach hinten verschobenen Saisonfinale. Deshalb sagt Arbeitsrechtler Johan-Michel Menke in deutschen Medien, dass die FIFA nun gefordert sei: «Der Weltverband wird so schnell wie möglich handeln und möglicherweise Vereinswechsel zunächst verbieten müssen.» Sonst droht das grosse Vertragschaos im Frühsommer.
Hinter dem Transfersommer stehen aber sonst einige Fragezeichen. Einerseits ist auch hier noch nicht klar, wann und wie das Fenster geöffnet werden soll. Andererseits bestehen auch Zweifel daran, dass jemals wieder so mit Geld um sich geworfen wird wie in den jüngsten Jahren.
«Es wird sehr wahrscheinlich eine neue Fussballwelt geben», sagt beispielsweise der langjährige Bayern-Boss Uli Hoeness gegenüber dem «Kicker». Der 68-Jährige spricht vor allem darauf an, dass die ganze Welt von der momentanen Viruskrise betroffen ist, und darum auch die ganze Fussballwelt mit Einnahmeeinbussen rechnen muss.
«Man kann es nicht vorschreiben, aber 100-Millionen-Euro-Transfers kann ich mir in der nächsten Zeit nicht vorstellen. Die Transfersummen werden fallen, die Beträge werden sich in den kommenden zwei, drei Jahren nicht mehr auf dem bisherigen Niveau bewegen können», sagt Hoeness.
Am Ende werde die Krise aber die kleineren Klubs stärker treffen als die grossen, da ist sich Spieleragent Christoph Graf sicher. Das dürfte also für die meisten Schweizer Klubs zutreffen. Im Gespräch mit «Blick» sagt er, dass er bald mit Transfers rechnet, denn: «Einige Klubs verlieren Geld und brauchen flüssige Mittel. Deshalb sind sie zu Verkäufen bereit.»
Eigentlich würden die Wunschspieler nun in der entscheidenden Phase der Meisterschaft nochmals gescoutet werden. Doch auch das entfällt nun durch die virusbedingte Spielpause. Das erschwere Schweizer Spielern den Sprung ins Ausland. Und weil der Markt durch die vermutlich viel kürzere Transferperiode auch sonst stark eingeschränkt sei, habe das zur Folge, dass die Preise für Spieler im Keller seien.
Aber auch hier gilt: Die kleinen Klubs büssen mehr als die grossen. «Ein Jadon Sancho beispielsweise wird trotz Krise nicht zu einem Discountpreis verkauft werden», ist sich Graf sicher.
Natürlich wird auch die momentane Situation am Ende gewisse Gewinner haben. «Weil gewisse Vereine in Probleme geraten werden und Spieler verkaufen müssen, können finanzstärkere Vereine profitieren und sich die Dienste guter Spieler unter Marktwert sichern», sagt Graf. So könne man die Konkurrenz schwächen.
Vielleicht profitiert aber auch der traditionsbewusste Fan. Der einstige YB-Boss Ilja Känzig glaubt etwa, dass der Sport wieder mehr in den Vordergrund rücken könnte. Die «ganze Show, dieses Drumherum wird ganz am Anfang dem Rotstift zum Opfer fallen», sagte er unlängst gegenüber der «Sportschau». Der Fussball werde jedenfalls demütiger aus der langen Pause zurückkehren.
Für ein paar Monate. Und dann geht der ganze Wahnsinn wieder los...
Mein Mitleid ist klein, sehr klein.