Der gestrige Tag ist ein trauriger für den Schweizer Fussball. Du bist nicht mehr unser Nationalspieler. «Meine internationale Karriere ist zu Ende», hast du geschrieben. Dein Bild dazu ist schwarz-weiss.
My international career is over.🇨🇭 pic.twitter.com/vRh8iCUeht
— Valon Behrami (@ValonBera) August 6, 2018
Nie mehr werden wir uns an deinen grandiosen Tacklings erfreuen dürfen. Nie mehr dürfen wir erleben, wie du dich zerreisst für die Schweiz. Für das Land, das du so lieb gewonnen hast. Der Gedanke daran schmerzt. Und gleich noch mehr, wenn wir uns die Bilder von dir in Erinnerung rufen, wie du jüngst gegen Neymar gekämpft hast, wie sich dieser vor dir wälzt und schreit. Dieses Lächeln von dir – unvergesslich!
Dein Weg im Nationalspiel war nicht immer einfach. Vor allem am Anfang. Wir reden nicht von ganz am Anfang, denn begonnen hat alles mit einem Paukenschlag. 2005, Barrage gegen die Türkei, Du wirst im Heimspiel eingewechselt, schiesst gleich das Tor zum 2:0, ein Tor das entscheidend ist, dass wir überhaupt an der WM in Deutschland dabei sein und eines der grössten Schweizer Fussballfeste der Geschichte erleben dürfen (ok, das Ukraine-Drama blenden wir jetzt einfach aus).
In dieser Zeit beginnen aber auch deine Probleme. Häufig hast du dich alleine und unverstanden gefühlt. Irgendwann hast du von «Schuelerreisli-Stimmung» gesprochen. Später hast du mir einmal erzählt, wie sehr du dir gewünscht hättest, dass sich jemand um dich gekümmert hätte. Du wolltest es später anders machen. Und genau das hast du getan.
Du hast eine beeindruckende Entwicklung vollzogen. Unter Ottmar Hitzfeld begann sich dein Einfluss zu mehren. Unter Vladimir Petkovic wurde er stets noch grösser. Du warst der Vater für alle albanisch stämmigen Jungen. Und manchmal war ja das tatsächlich nicht ganz so einfach, bei dem manchmal durchaus vorhandenen Übermut.
Wenn wir nur eine einzige Szene rauspicken dürften, um deine Grossartigkeit zu beschreiben, dann wäre es jene im Spiel gegen Ecuador an der WM 2014. Nachspielzeit, es steht 1:1. Wie du mit einem gewagten Tackling das Gegentor verhinderst, den Ball nimmst, los läufst, immer weiter, umgesäbelt wirst, wieder aufstehst, den Ball weiterspielst und damit den 2:1-Siegtreffer einleitest, ist schlicht Wahnsinn. Eine Szene für die Ewigkeit.
Was neben deinen kämpferischen Fähigkeiten auf dem Platz besonders beeindruckend war: Deine Fähigkeit, zu reflektieren. Es gibt rund um dieses Schweizer Nationalteam keinen einzigen so klugen Kopf wie Dich. Du sprichst aus, was alle sehen – und sich nur wenige getrauen, zu sagen. Weil du gemerkt hast, dass es sich lohnt, sich zu öffnen.
Deine Beliebtheit bei den Schweizer Fans ist kein Zufall, sondern die Folge deines stetig grossartigen Einsatzes, gepaart mit der nötigen Prise Lockerheit, Humor – und eben dieser Deutlichkeit in der Analyse, auch in schwierigen Momenten.
Nach der EM 2016 hast du hemmungslos geweint, weil du gedacht hast, es gehe eine Ära zu Ende. Weil du gefürchtet hast, nie mehr die Chance auf diesen verflixten Viertelfinal zu kriegen. Deine Tochter hat dich überzeugt, noch einmal weiterzumachen. Sie hat dich überzeugt, nach den bitteren Tränen gegen Argentinien und gegen Polen noch einmal alles aus deinem Körper herauszupressen. Um doch noch in die Geschichte einzugehen. Als Teil jener Mannschaft, die es erstmals in der Neuzeit schafft, einen Viertelfinal zu erreichen. Gegen Schweden schien dieser Moment endlich zu kommen. Aber es hat nicht sollen sein.
Nach der WM hast du keine Überzeugung gebraucht, um weiter bei diesem Team zu bleiben. Weil es dir so viel gibt. So viel Lust am Fussball und Lust am Leben. Doch nun ist plötzlich alles anders. Nun darfst du nicht mehr Teil der Schweizer Nationalmannschaft sein. Wie es der Schweizer Fussballverband geschafft hat, dir deinen Abschied zu vermiesen, macht fassungslos.
Aber eigentlich verwundert es einen in diesen Tagen ja nicht. Was kümmert die Herren vom hohen Ross ohne Fussball-Erfahrung schon das Befinden von einem der verdientesten Schweizer Nationalspieler? Doch zumindest vom Nationaltrainer hätten wir etwas mehr Stil erwartet.
Ein mickriges Telefonat, um dein Ende als Nationalspieler zu verkünden? Und das alles wird einfach so selbstverständlich geduldet? Das Staunen wird immer grösser.
Lieber Valon, du gehst als Schweizer Rekordspieler. Sechs Mal hast du an einer EM oder einer WM teilgenommen. Das hat vor Dir kein Schweizer geschafft. Als du uns von deinen Gefühlen zu diesem Rekord erzählt hast, sagtest du als erstes, wie stolz du bist, dass dieser Rekord von dir nicht lange halten wird – weil du überzeugt bist, dass die Jungen dich bald einholen werden.
Möge es so sein. Weil es bedeuten würde, dass die Schweiz auch weiter an Europameisterschaften und Weltmeisterschaften teilnehmen darf. Aber sei dir sicher: Wir werden dich vermissen.
Daumen hoch!