Vor exakt einem Monat hat Pierluigi Tami nach dem Sprung aus dem gemütlichen SFV-Nest sein erstes GC-Training geleitet. Im milden Klima von Marbella zeigt sich der 53-Jährige damals noch einigermassen euphorisiert: «Ich bin stolz, GC trainieren zu dürfen. Und ich will einen Neuanfang machen.»
Zwei Pflichtspiele, acht Gegentore, null Punkte und einen Salatic-Abgang später steht er heute im nebelverhangenen Niederhasli unter wesentlich garstigeren Bedingungen auf dem Platz.
Natürlich haben es die Spielplangestalter mit dem neuen GC-Tätschmeister nicht unbedingt gut gemeint. Mit Basel und YB haben sie ihm zum Wiedereinstieg ins Haifischbecken Klubfussball gleich zwei Brocken aufgetischt, an denen sich die meisten anderen Vereine ebenfalls verschluckt hätten.
Doch nun steht eine Derby-Woche an – und die dürfte richtungweisend werden. Am Samstag steigt im Letzigrund das 240. Duell der beiden Stadtrivalen. Auf dem Matchblatt ist GC das Heimteam. Und wenn auch diese Partie verloren geht, dann könnte das durchaus eine vorläufige Dernière sein.
Denn während sich Basels Verfolger in den oberen Regionen der Tabelle abrackern, um den Anschluss nicht zu verpassen, tobt ab Platz 6 der nackte Überlebenskampf. Und bei genauerer Betrachtung ist GC in diesem Schlamassel der Abstiegskandidat Nummer 1.
Rollen wir das Feld von hinten auf. Beim Schlusslicht Luzern bleibt in dieser Saison wieder einmal kein Stein auf dem anderen. Die desolate Hinrunde hat Sportchef Alex Frei und Trainer Carlos Bernegger wohl zurecht den Kopf gekostet. Doch auch Markus Babbel ist seit seinem Amtsantritt im Oktober den Beweis schuldig geblieben, dass er den «FC Hollywood der Innerschweiz» wieder auf Kurs bringen kann. Trotzdem herrscht am Vierwaldstädtersee vorsichtiger Optimismus. Der Grund: Babbel und Frei-Nachfolger Rolf Fringer haben die Winterpause genutzt, um einige entscheidende Korrekturen vorzunehmen.
Die Luzerner Transfers der vergangenen Jahre hatten oft Slapstick-Charakter. Doch in der abgelaufenen Periode gehören die Innerschweizer zu den Gewinnern. Mit der Rückholaktion von Tomislav Puljic wurde ein Riesenbock korrigiert. Seit seinem Abgang im vergangenen Sommer hatten die gegnerischen Stürmer in Luzern mehr Vergnügungsmöglichkeiten als der durchschnittliche japanische Tourist. Mit dem kroatischen 1,92-Meter-Hünen ist die defensive Sicherheit zurückgekehrt. Ohne ihn hat der FCL in der Hinrunde 1,72 Gegentore pro Spiel kassiert. In der Rückrunde sind es bisher 0,5 pro Spiel. Dazu hat das Kopfball-Ungeheuer gegen YB bereits einmal offensiv zugeschlagen.
In der Person von Cristian Ianu wartet ein zweiter Rückkehrer bisher noch auf sein Debüt. Mit 31 Lenzen ist der Goalgetter zwar nicht mehr so im Saft wie bei seinem ersten FCL-Gastspiel, doch dass er immer noch weiss, wo das Tor steht, hat er mit seinen 13 Hinrunden-Treffern für Lausanne in der Challenge League bewiesen. Somit verfügt der FCL nun wohl über genügend Durchschlagskraft, um den Abstieg aus eigener Kraft zu verhindern.
Der FC Sion auf Platz 9 hat bisher ein Rückrundenspiel in den Knochen. Im St.Jakob-Park hat Christian Constantins Söldner-Truppe den FC Basel am vergangenen Samstag phasenweise an die Wand gespielt. Natürlich kam den Wallisern dabei der Umstand zugute, dass Schiedsrichter Amhof auf Moussa Konatés Witz-Schwalbe hereingefallen ist. Ohne Penalty-Geschenk und 45 Minuten Überzahl nach der Roten Karte gegen Basels Goalie Tomas Vaclik wäre Sion wohl ohne Punkte heimgefahren.
Trotzdem hat dieses Spiel bereits aufgezeigt, dass Sion mit der Verpflichtung von Reto Ziegler und Vero Salatic vielleicht nicht an Charakter, wohl aber an defensiver Stabilität hinzugewonnen hat. Falls Zampano Constantin für einmal nicht wieder alles über den Haufen wirft, sind Sion mit den Neuzugängen in der Rückrunde wesentlich mehr als die 15 Punkte aus dem ersten Halbjahr zuzutrauen. Bei einem Spiel weniger haben die Walliser derzeit drei Punkte Rückstand auf GC – und das dürfte sich bald ändern, wenn die Zürcher nicht ihrerseits anfangen zu punkten.
Aarau und Vaduz sind die unmittelbaren Tabellennachbarn der Hoppers. Und gerade das sechstplatzierte Vaduz gehört zu den grossen Überraschungen der Saison. Was Murat Yakins Ex-Assistent Giorgio Contini im Ländle mit ehrlicher Arbeit aufgebaut hat, verdient höchste Anerkennung. Klar, der FC Vaduz wird nie so sexy wie ein Schweizer Grossklub sein – dazu bedürfte es schon einer Fankurve, die grösser als der Staff ist. Doch mit andernorts ausrangierten Ex-Helden wie Florian Stahel und Philipp Muntwiler verbuchen die Liechtensteiner mittlerweile fast regelmässiger Punkte als die Kollegen aus der Bankenbranche Schwarzgeld.
Als wahrscheinlichstes Szenario bleibt ein Abstiegsduell zwischen Aarau und GC. Und auch auf dem Brügglifeld hat man mit Moreno Costanzo aufgerüstet. Falls sich dazu auch Dusan Djuric und Daniel Gygax in diesem Frühjahr plötzlich noch darauf besinnen sollten, dass sie eigentlich ganz ordentlich Fussball spielen, steht ein heisser Tanz bevor. Und die rustikalen Aarauer haben deutlich mehr Erfahrung als der Nobelklub – wenn es darum geht, im Abstiegskampf Gras zu fressen.
Klar, GC hätte eigentlich genügend Substanz im Kader, um wenigstens einen dieser Konkurrenten abzuhängen. Zudem wird gemunkelt, dass Sportchef Axel Thoma noch heute vor dem Ende des Transferfensters eine Verstärkung präsentieren will. Trotzdem braucht die verunsicherte Truppe nach Salatics Abgang dringend ein Erfolgserlebnis. Je länger die Negativserie unter Tami anhält, umso kräftiger wird der Sog der gefürchteten Negativspirale.
Mit einem Erfolg gegen den FCZ könnte sich der Rekordmeister schon am Samstag an den eigenen Haaren aus dem gröbsten Sumpf herausziehen. Damit das klappt, probt GC am Dienstag das Derby im Test gegen Winterthur.
Vielleicht ist es in der nächsten Saison ja schon umgekehrt.