Drei Jahre nach Ihrem Wechsel zu Girondins Bordeaux kehren Sie zu YB zurück – warum?
Loris Benito: Es ist für mich ein Heimkommen. Ich habe hier die schönsten Momente meiner Karriere erlebt. Momente, die auch für YB sehr prägend waren. Ich denke an den 28. April 2018, den Tag des ersten Meistertitels seit 1986. Aber auch an die Teilnahme an der Champions League. Und das Zusammenleben mit den Mitspielern. Das alles ist unvergesslich.
Gab es auch von anderen Vereinen Interesse?
Dass es etwas gedauert hat mit dem Transfer kommt daher, weil ich bei Sion nur eine Ausstiegsklausel fürs Ausland hatte. Umso glücklicher bin ich, dass es nun trotzdem geklappt hat. YB hatte für mich Priorität. Zum einen, weil es aus meiner Sicht die beste Mannschaft der Schweiz ist. Zum anderen erhoffe ich mir, wieder näher an die Nationalmannschaft zu kommen.
Vor einem Jahr waren Sie Teil der Nati, als die Schweiz den EM-Viertelfinal erreichte. Danach wurden Sie nicht mehr aufgeboten. Wie schwierig war das zu verdauen?
Das hat schon genagt, ganz klar. Gerade, weil ich seit Winter wieder im Spielrhythmus drin bin. Murat Yakin hat sich im März bei mir gemeldet und mir mitgeteilt, dass es noch nicht ganz reicht für ein Aufgebot, ich aber dran bleiben soll. Es war schön, ein Zeichen von ihm erhalten zu haben und zu wissen, dass er mich auf dem Radar hat. Jetzt bleibe ich dran.
Was erwartet YB-Chefstratege Christoph Spycher von Ihnen?
Da stellen Sie mir eine Frage, die der Angesprochene besser beantworten könnte. Ich habe sicher eine gewisse Erfahrung, ich bringe Leadership in die Kabine, das sind wohl die Hauptpunkte, neben meinen fussballerischen Qualitäten natürlich. Und ich kenne den Verein und seine Werte bereits bestens, so ist die Anpassungszeit geringer, als wenn ein Spieler ganz neu kommt. YB weiss, was es an mir hat.
Alles andere als der Meistertitel 2023 wäre eine Enttäuschung – einverstanden?
Es spricht für den Verein, dass er sich eine so hohe Erwartungshaltung erarbeitet hat. Es entspricht meinem Gusto, mit dem Ziel «Titel» in eine Saison zu steigen, dafür spiele ich ja Fussball. Niemand will in einem Verein spielen, wo es heisst «schauen wir mal». Der Nachteil, wenn man über Jahre so dominant ist, ist dann halt, dass es entsprechend schnell geht, bis man enttäuscht ist.
Ihr Engagement bei Girondins Bordeaux endete letzten Sommer unschön, der Verein liess Sie von einem Tag auf den anderen fallen, zuvor absolvierten Sie aber zwei gute Saisons als Stammspieler – was bleibt in Erinnerung aus dieser Zeit?
Auch wenn der letzte Eindruck unschön war, nehme ich aus Bordeaux gleichwohl viele positive Dinge mit. Frankreich ist eine der Top-5-Ligen, ich habe mich auf Anhieb durchgesetzt. Leider wurde die Meisterschaft dann wegen der Pandemie abgebrochen und im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern nicht mehr aufgenommen. In der zweiten Saison waren wir in den Top 3, was die Anzahl der Spiele zu null betrifft. Was sich in diesen zwei Jahren leider auch durchgezogen hat, sind die vielen Nebenschauplätze rund um den Verein. Trotzdem würde ich den Wechsel auch im Rückblick wieder machen.
Wie gross ist Ihr Ärger über den vom Verein forcierten Abgang noch?
Ganz vergessen ist es nicht, aber für mich ist die Sache abgeschlossen. Ich fokussiere mich komplett auf die Zukunft und YB.
Trotzdem: Sie hatten danach ein halbes Jahr keinen Verein, mussten sich alleine fit halten und konnten nicht spielen. Wie schwierig war das?
Dies hingegen war schon eine sehr spezielle und sehr schwierige Zeit, da muss man nicht um den heissen Brei herumreden. Vor allem, weil die Fallhöhe extrem gross war. Vom EM-Viertelfinal mit der Schweiz und zwei Jahren Ligue 1 in den Beinen zu: nichts. Entsprechend gross waren die Fragezeichen, die plötzlich kamen. Ich fragte mich, wie es so weit kommen konnte. Wobei ich im Rückblick auch sagen muss: Es war unmöglich, alle Geschehnisse zu antizipieren.
Was ist denn genau passiert?
Über den Sommer blieb in Bordeaux kein Stein auf dem anderen. Neue Führung. Neuer Trainer (Vladimir Petkovic, d.Red.). Ich kam wegen der EM verspätet zur Mannschaft, zehn Tage vor Saisonstart. Ich merkte, der Verein baut nicht mehr auf mich, äusserte die Absicht, einen Transfer anzustreben. Und dann hiess es plötzlich: Wenn du in 48 Stunden nichts findest, dann setzen wir dich auch nicht auf die Kontingentsliste für die Meisterschaft. Danach haben wir den Vertrag aufgelöst.
Sie kehrten zurück in die Schweiz, mussten plötzlich ein Leben ganz alleine und ohne Verein führen. Wie haben Sie diese Wochen erlebt?
(Überlegt lange). Es rückt schon gewisse Dinge zurecht. Als Fussballer lebt man in einer Bubble, wenn alles gut läuft, ist es wunderbar. Wer dann aber schwierigere Zeiten überstehen muss, merkt plötzlich: Vielleicht ist man doch viel mehr alleine, als man das gedacht hätte. Klar sind Familie und Freunde für einen da, aber sonst wird der Kreis der treuen Weggefährten sofort kleiner als in erfolgreichen Zeiten. Wie soll ich sagen, die Erfahrung war ernüchternd, aber irgendwie auch wertvoll.
Dass der Fussball ein schnelllebiges Business ist, in dem man schnell vergisst, ist ja häufig zu hören.
Das schon. Aber als Aussenstehender nimmt man das oft einfach kurz zur Kenntnis, wenn man nicht selbst betroffen ist, und denkt: «Ah, dumm gelaufen.» Aber danach geht es sofort weiter. Erst wer selbst betroffen ist, und mit dem Alleinsein konfrontiert ist, realisiert die Dimensionen.
Im Winter fanden Sie mit dem FC Sion einen neuen Arbeitgeber – sind Sie zufrieden mit dem vergangenen Halbjahr?
Ja. Ich bin in ein Umfeld gekommen, das sicher nicht ganz einfach ist. Wo man auch weiss, dass es nie langweilig wird (lacht). Darum: Ja, ich bin froh, dass ich mich durchsetzen konnte, ich hatte alsbald auch eine Leaderrolle inne, sowohl auf wie neben dem Platz. Ich bin froh, ist meine Maschinerie wieder ins Laufen gekommen. Und ich durfte nun beim Abschied merken, dass etwas hängengeblieben ist, dass sie mich gern bekommen haben im Wallis. Das tat gut.