Zum Ende der Saison stehen zwei Freundschaftsspiele an. Welchen Stellenwert haben die beiden Spiele gegen die Slowakei und Österreich für Sie?
Johan Djourou: Für mich sind alle Spiele wichtig. Die EM-Vorbereitung hat schon mit dem Spiel gegen Estland angefangen. Vor dem Turnier in Frankreich müssen wir möglichst viele Spiele und Trainings absolvieren.
Was hat sich nach dem Trainerwechsel von Hitzfeld auf Petkovic verändert?
Vieles ist ähnlich, aber es gibt einen Unterschied. Petkovic will, dass wir gegen jeden Gegner angreifen, ihm unser Spiel mit viel Bewegung und schnellem Passspiel aufzwingen.
Sie hatten viele verschiedene Trainer: Wenger, Hitzfeld, Slomka, Zinnbauer und jetzt Labbadia, um nur einige zu nennen. Wer hat Sie am meisten geprägt?
Arsène Wenger war ein Mentor für mich. Durch sein Auftreten, sein Vertrauen und seine Ruhe hörst du ihm als junger Spieler gut zu. Ich verdanke ihm sehr viel. Auch in schwierigen Momenten wusste ich dank seiner Erklärungen immer, woran ich war. So konnte ich mich ständig weiterentwickeln. Deshalb stehe ich heute da, wo ich bin.
Wie war das in Hamburg mit den vielen Trainerwechseln?
Wir hatten in den letzten zwei Jahren überhaupt keine Stabilität. Drei Trainerwechsel in einem Jahr sind nie einfach. Für niemanden.
Waren Sie jemals froh, dass ein Trainer gegangen ist? Zinnbauer?
(Lacht.) Nein, Zinnbauer war gut. Er war vielleicht nur ein wenig zu jung, um sich im bisweilen schwierigen Hamburger Umfeld zu positionieren. Ohne Erfahrung ist das nicht einfach. Eins kann ich sagen. Labbadia ist mit Abstand der beste Coach, den ich in Hamburg gehabt habe. Er macht eine sehr gute Arbeit.
Labbadia hat Sie zum Captain gemacht. Was sind Ihre Aufgaben als Captain des HSV?
Ich bin das Bindeglied zwischen Trainer und Mannschaft. Für mich persönlich ist es wichtig, weiter gute Leistungen zu zeigen und als Leader voranzugehen. Dass Labbadia mich zum Captain ernannt hat, war für mich persönlich und die Mannschaft auch so etwas wie ein Neustart.
Der HSV hat sich zweimal in extremis in der Barrage gerettet. Gab es da Momente, in denen Sie dachten: Das war es jetzt?
Nein, ich habe immer an die Rettung geglaubt. Im zweiten Jahr war ich mir noch sicherer als im ersten.
Obwohl es gegen Karlsruhe noch enger war?
Ja, das stimmt, aber wir hatten gegen Ende der Saison einen Lauf und hätten uns auch vorher schon retten können. Mit diesem Selbstvertrauen und der Qualität aus den letzten Spielen habe ich nicht gedacht, dass wir absteigen. Weil wir dann aber im Rückspiel trotz Überlegenheit die Tore nicht gemacht haben, wurde es kritisch. Aus solchen Erfahrungen kann man aber nur wachsen.
Glauben Sie an den Fussballgott?
In solchen Momenten. Ja.
Sprechen wir über Ihre Familie. Sie sind jetzt 28 und haben schon drei Kinder. Haben Sie überhaupt noch Zeit, sich zu erholen?
Ja, die beiden Ältesten gehen schon in den Kindergarten oder in die Schule. Da hab ich dann auch mal meine Ruhe. Wenn man Kinder hat, verbringt man so viel Zeit wie möglich mit ihnen. Diese Momente, die Entwicklung meiner Kinder, will ich nicht verpassen. Meine Familie gibt mir die Kraft und Motivation, mich täglich noch weiter zu verbessern.
Kommen Ihre drei Töchter auch mit ins Stadion?
Ja, sie schauen alle Spiele. Die beiden Älteren sind schon grosse Fussballfans.
Spielen sie auch selbst?
(Lacht.) Nein, Lou, meine Älteste, hat mich gefragt, ob sie in der Schulmannschaft spielen kann, aber ich zögere da noch.
Was machen Sie mit den Kindern an einem freien Tag?
Ich geniesse diese Zeit wirklich sehr. Wir machen viele Ausflüge, gehen in den Zoo oder spazieren in Hamburg am Ufer der Alster. Am liebsten spielen meine Töchter natürlich in Parks oder auf Spielplätzen.
Aber kein Fussball?
Manchmal, aber ich probiere das zu verhindern. (Lacht.)
Wollen Sie nicht, dass die Kinder auch Fussball spielen?
Ich verbiete es ihnen nicht, aber das ist nicht mein primäres Ziel. Ich glaube, sie sind noch jung und haben andere Talente. Sie sind schon sehr sportlich, aber ob es Fussball sein wird, wird man sehen.
Ich habe gelesen, dass Sie mit Ihrer Familie ein Flüchtlingsheim besuchen wollen. Haben Sie das schon gemacht?
Bisher hatte ich noch nicht die Gelegenheit, aber das ist etwas sehr Wichtiges für mich. Ich will meinen Kindern auch die schwierigen Seiten des Lebens zeigen. Sie sollen wissen, dass es nicht immer einfach ist.
Was machen Sie, um den Flüchtlingen zu helfen?
Die Flüchtlinge benötigen vor allem Materielles. Gerade jetzt, wo der Winter vor der Tür steht. Ich werde ihnen Kleider kaufen und vorbeibringen. Vielleicht habe ich auch noch selber Kleider, die ich nicht mehr benötige. Viele von uns haben mehr, als sie brauchen. Davon kann man etwas abgeben.
Sie haben gesagt, dass man nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann. Warum?
Ich habe gesagt, wir können nicht allen helfen. Wir können nicht alle aufnehmen, da gibt es Grenzen, wie überall. Man kann nicht immer Ja sagen. Natürlich wäre es schön, wenn man alle aufnehmen könnte, aber das geht nicht.
Sie haben auch eine Stiftung in Senegal. Was wird dadurch unterstützt?
Ich bin der Botschafter von Kemi Maleika. Die Idee der Stiftung ist es, Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Das hat nichts mit Fussball zu tun. Die Kinder sind die Zukunft von Senegal, Afrika und auch von Europa. Deswegen ist Bildung das Ein und Alles.
Ihre Heimat ist die Elfenbeinküste. Warum sind Sie in Senegal aktiv?
Weil es ein politisch stabiles Land ist. In meiner Heimat ist es nicht sicher. Vor jeder Wahl gibt es dort Unruhen. Für mich war es wichtig, die Stiftung an einem politisch stabilen Ort zu etablieren. Nur in einem sicheren Umfeld kann den Kindern geholfen werden.
Gehen Sie oft nach Afrika zurück?
Ja, in der Elfenbeinküste war ich aufgrund der unsicheren Situation schon länger nicht mehr, aber in Senegal bei der Stiftung bin ich oft. Auch, um meinen Kindern die afrikanische Kultur zu zeigen.
Ihre leibliche Mutter Angeline lebt immer noch in der Elfenbeinküste?
Ja, sie lebt immer noch dort.
Hat sie nie damit geliebäugelt, in die Schweiz oder nach Europa zu kommen?
Nein, ihr geht es sehr gut in Afrika. Sie möchte da nicht weg.
Welche Ihrer Charakterzüge sind typisch afrikanisch?
Die Liebe zur Musik. Ich liebe vor allem afrikanische Musik. Und auch das afrikanische Essen ist einzigartig.
Und wo sind Sie der typische Schweizer?
Typisch schweizerisch? Ich musste mich anpassen an die Kultur. Mittlerweile bin ich äusserst pünktlich. Ich hasse es, zu spät zu sein. Auch, dass ich diesen Drang verspüre, mich ständig zu verbessern, und zu arbeiten, ist wohl nicht gerade afrikanisch. Die afrikanische Mentalität ist ein bisschen entspannter, cooler. Die habe ich von meiner Mutter. Doch ich habe gelernt, nicht immer nur cool und relaxed, sondern auch mal hart und zielstrebig zu sein.
Warum tut sich der afrikanische Fussball bei Weltmeisterschaften so schwer?
Die einzelnen Spieler sind mit enormen Fähigkeiten gesegnet, aber in der Gruppe schaffen sie es noch nicht richtig, einen tollen Team-Spirit zu kreieren. Die afrikanische Mentalität bringt manchmal auch eine Art Verspieltheit mit sich, die nicht immer zum Erfolg führt.
Zurück zu Ihrer Karriere. Sie waren in der Jugend Stürmer, haben aber in Ihrer Profikarriere in knapp 300 Spielen nur vier Tore gemacht. Wieso so wenig?
Ich arbeite daran. Das ist etwas, das ich verbessern muss. Aber ich bin sicher, dass ich in Zukunft öfter treffen werde. Ich komme auch in Hamburg immer öfter zu Chancen. Zur Not, wie gegen San Marino, treffe ich auch per Elfmeter.