2019 sagten Sie uns in einem Interview, es könne nicht sein, dass YB-Spieler nur zu Klubs aus dem hinteren Drittel der Top-Ligen wechseln. Silvan Hefti ist neu in Genua, Michel Aebischer in Bologna. Das ist jetzt nicht die ganz grosse Fussballwelt.
Das ist Ansichtssache. Bologna und Genua sind zwar keine Spitzenklubs, aber doch etabliert in der Serie A. Es braucht sehr viel, damit ein Spieler aus der Schweiz zu einem internationalen Top-Klub wechseln kann.
Was macht es so schwierig? Warum schafft es YB nicht, seine Spieler besser zu verkaufen?
Die Pandemie hat auch hier grossen Einfluss. Es gab auch einen Jordan Lotomba, den wir zum französischen Spitzenteam Nizza transferiert haben. Djibril Sow wechselte zu Frankfurt, Kevin Mbabu zu Wolfsburg, das auch keine schlechten Adressen sind. Allgemein ist die Situation auf dem Transfermarkt schwierig ist. Es gibt zu viele potenzielle Abnehmerklubs, denen im Moment das Geld fehlt.
Fehlt es YB international am Ansehen?
Nein, überhaupt nicht. Wir werden sehr wohl als Klub wahrgenommen, der erfolgreich ist, attraktiv spielt, viele spannende Spieler hat und diese weiterentwickelt. Aber ein Transfer aus der Schweiz in die englische Premier League ist nicht einfacher geworden. Nun haben wir zwei Spieler nach Italien gebracht. Das ist schon mal ein guter Schritt, um uns dort einen guten Namen zu machen, wie wir ihn in Frankreich und Deutschland schon haben.
2019 sagten Sie auch, man wolle nur Qualitätstransfers machen. Entsprechen die Wechsel von Hefti und Aebischer nun diesen Ansprüchen?
Ja. Die beiden Transfers (Red: schätzungsweise je 5 Millionen Euro) bewegen sich in einer interessanten Dimension für einen Schweizer Verein. Man muss sehen, dass in Pandemie-Zeiten einige deutsche Klubs erst Einnahmen im zweistelligen Millionenbereich generieren müssen, ehe sie auf dem Transfermarkt auch nur einen Euro ausgeben können. Was wir nicht wollen, sind Transfers für eine oder zwei Millionen. Das entspricht nicht unserem Anspruch eines Qualitätstransfers.
YB verkauft nun seine Titelchancen.
Diese Ansicht teilen wir überhaupt nicht, die Aussage ist mir zu polemisch. Wir hatten in der Hinrunde 33 Spiele und drei Nationalmannschafts-Fenster. In der Rückrunde werden wir nur noch 18 Spiele haben. Wir haben viele Spieler, die sich um einen Platz in der Startformation bekämpfen und dank ihren Leistungen den Anspruch haben dürfen, noch mehr spielen zu können. Da muss man darauf achten, dass das Kader nicht zu gross ist, was kontraproduktiv sein könnte.
War das Kader in der Vorrunde zu gross?
Nein. Neben der Vielzahl von Spielen hatten wir auch sehr grosses Verletzungspech. Aber jetzt haben wir kein Problem, wenn der eine oder andere Spieler weg ist, weil andere Spieler schon da sind, die in die Bresche springen können.
Der Wechsel von Aebischer, der in den letzten Jahren die spielbestimmende Figur bei YB war, wird Ihnen um die Ohren fliegen, sollte es mit der Titelverteidigung nicht klappen.
Im Fussball ist es ganz einfach. Hast du keinen Erfolg, wirst du kritisiert, egal, was du gemacht oder nicht gemacht hast. Natürlich war Aebischer ein wichtiger Spieler. Aber mit Sierro, Martins sowie Lauper und Lustenberger, die auch im zentralen Mittelfeld spielen können, sind wir sehr gut aufgestellt. Und nicht zu vergessen, haben wir sehr grosses Vertrauen in den 19-jährigen Fabian Rieder. Wir können nicht von Nachwuchsförderung reden und den hochtalentierten jungen Spielern, die sich aufdrängen, den Weg verbauen, weil vier Nationalspieler vor ihm stehen. Wir sind von unserer Philosophie überzeugt.
Man konnte mit vielen Abgängen rechnen. Das ausgerechnet Silvan Hefti als erster wechselt, ist überraschend.
Auf dem Transfermarkt braucht es auch das Momentum. Und das war bei Hefti da. Genuas Profil war deckungsgleich mit Heftis Qualitäten. Ausserdem hat er über die letzten eineinhalb Jahre konstante Leistungen gebracht und sich auch in der Champions League bewährt. Natürlich verstehe auch ich manchmal nicht, warum dieser oder jener Spieler noch bei YB ist. Aber man muss akzeptieren, dass ein Sportchef eines anderen Vereins die gleichen Spieler teilweise ganz anders einschätzt.
Einer, den wohl die meisten ganz hoch einschätzen ist Fabian Rieder. Ich behaupte, Rieder wird YB einen Transferrekord bescheren und für mindestens 20 Millionen Euro wechseln.
Ich halte nichts von solchen Etiketten. Das ist für mich zu weit gedacht. Rieder hat über Monate gezeigt, was er kann. Er hat sich ein gutes Standing im Team erarbeitet. Aber weiter wollen wir nicht denken. Wir wollen ihm Vertrauen geben, was er deutlich zu spüren bekommt. Auch, weil wir Aebischer nicht ersetzen. Aber wir wollen auch nicht zu viel Gewicht in Rieders Rucksack packen. Er soll sich einfach in Ruhe bei YB weiterentwickeln.
YB reagiert mit den Abgängen von Michel Aebischer und Alexandre Jankewitz auf den Dichtestress im zentralen Mittelfeldspieler.
Die Situation war nicht einfach für den 20-jährigen Jankewitz. Wir haben im Sommer damit gerechnet, dass uns einer oder zwei Mittelfeldspieler verlassen könnten. Das war nicht der Fall. Und so kam Jankewitz, obwohl hochveranlagt, kaum zu Spielpraxis. Nun haben wir ihn nach St. Gallen ausgeliehen.
Unglücklich, dass St. Gallen kurz darauf Jordi Quintilla zurückgeholt hat. Also ein zusätzlicher Konkurrent für Jankewitz.
Als wir mit St. Gallen den Wechsel von Jankewitz verhandelten, war Quintilla kein Thema. Jankewitz muss sich halt jetzt in St. Gallen der Konkurrenz stellen. Ich habe jedenfalls nach dem Quintilla-Transfer nicht Alain Suter (Sportchef in St. Gallen, Anm. d. Red) angerufen, um mich zu beschweren. Wir sind von Jankewitz und seinen Qualitäten überzeugt.
Jean-Pierre Nsame, Jordan Siebatcheu und Wilfried Kanga: drei hochkarätige Stürmer für eine Position. Überangebot oder Luxusproblem?
Fakt ist: Wir haben einen gut besetzten Sturm. Aber niemand weiss, was bis Transferschluss noch passiert. Wir haben Nsame in Corona-Isolation. Ausserdem braucht er noch ein paar Wochen, um in Topform zu kommen. Und Kanga konnte kein Testspiel bestreiten. Aktuell haben wir eher ein Unterangebot, was sich zu einem Überangebot entwickeln kann. Das ist ein Balanceakt.
Kann aus dem Überangebot ein Pulverfass werden? Schliesslich hat jeder der drei den Anspruch zu spielen.
Das ist hypothetisch. Damit befassen wir uns aktuell jedenfalls nicht.
Freiburgs Trainer Christian Streich sagte: «Diejenigen, die am wenigsten Fälle haben, werden in der nahen Zukunft am erfolgreichsten sein.» YB ist so etwas wie der Impf-Musterknabe der Liga. Dementsprechend steht einer erfolgreichen Titelverteidigung nichts im Weg.
Corona beeinflusst unser aller Leben. Ich habe gelernt, dass man höchst flexibel und bereit sein muss, alte Denk- und Verhaltensmuster über den Haufen zu werfen und aus jeder Situation das beste zu machen. Das machen wir bei YB. Ich bin sehr zufrieden, wie alle im Klub mit Corona umgehen und wie sie sich verhalten. Wir haben lediglich eine Impfempfehlung abgegeben und unsere Sicht dargelegt. Dann gab es vereinzelte Fragen und danach haben sich alle impfen und boostern lassen. Trotzdem hatten auch wir positive Fälle. Deshalb ist es wie Kaffeesatzlesen, weil wir nicht wissen, was in den nächsten Wochen noch alles auf uns zukommen wird.
Hätten Sie den FC Zürich so weit vorne erwartet?
Ich hatte den FCZ vor der Saison auf der Rechnung, ihn aber nicht ganz vorne erwartet. Im Verlauf der Vorrunde hat man aber schon gesehen, dass die Mannschaft sehr gut funktioniert. Ich glaube, die Zürcher werden wie wir und der FC Basel bis zum Schluss um den Titel spielen.
Welche Konsequenzen hätte es, wenn YB den Meistertitel nicht verteidigt?
Damit beschäftige ich mich nicht. In unserem Fokus liegt allein die Fragestellung, wie wir diesen Titel gewinnen können. Und darauf konzentrieren wir auch alle unsere Energie. Wirtschaftlich sind wir so solide aufgestellt, dass der Titel nicht über Sein oder Nichtsein entscheidet.
YB hat 2.5 Millionen Franken weniger aus dem A-Fond-Perdu-Topf bekommen als der FC Basel. Ich gehe davon aus, dass YB nicht die Löhne senken wollte und deshalb 50 statt 66 Prozent der Ticketausfälle kassiert hat.
Wir haben das nie kommuniziert und werden es auch jetzt nicht. Nur so viel: Wir haben schon in der Saison 17/18 die Lohnsumme markant gesenkt. Für uns stimmt es, wie es ist.
Sind die Löhne immer noch auf diesem Niveau?
Ja.
Also hatte Corona keinen Einfluss auf die Löhne?
Nein, so ist es nicht. Die Spieler haben in der Zeit der Geisterspiele auf viel Geld verzichtet.
Journis Ende Januar 2022: "warum verkauft YB seine Titelambitionen? "
😂 🙈
Er lebt vor wie Herzblut geht!
Wird intressant sein wie er auf eventuelle Abgänge im Sommer (Nsame, Fassnacht, Ngamaleu, Lauper) reagieren kann und ob er es schaft YB dauerhaft an der Spitze zu halten oder ob es nur eine „goldene Generation“ war.