Im Leistungssport geht es darum, Erfolg zu haben. Wer dies anders sieht, verkennt die Realität. Vladimir Petkovic hat mit seiner Mannschaft Erfolg, das zeigen die Fakten:
Für die Fussball-Nationalmannschaft als Aushängeschild und wichtigstes Team einer Sportnation geht es aber immer auch um mehr als nur den reinen Erfolg. Sie soll das Land begeistern, sie soll für Emotionen sorgen und Diskussionsstoff liefern.
Vladimir Petkovic lässt einen mutigen Fussball spielen. Er setzt auf Ballbesitz, will, dass sein Team das Spiel diktiert. Die Schweiz tritt mit dem Selbstverständnis auf, ein «Grosser» zu sein, und versteckt sich nicht. Das ist attraktiv und an sehr guten Tagen, wie beim 5:2-Erfolg über Belgien vor exakt einem Jahr, spektakulär. An weniger guten Tagen wie am Freitag gegen Georgien reicht es immerhin noch zu einem 1:0-Sieg. Über Sinn und Unsinn der FIFA-Weltrangliste kann lange diskutiert werden, aber dass die Schweiz nun seit sieben Jahren nie schlechter als auf Rang 13 klassiert war, besitzt schon Aussagekraft.
Ob notgedrungen oder nicht: Petkovic setzt auf junge Akteure. Denis Zakaria, Nico Elvedi und Manuel Akanji sind Stammspieler, keiner ist älter als 24 Jahre. Und wenn wie nun zahlreiche etabliertere Nationalspieler ausfallen, kommen Spieler wie Ruben Vargas (21) oder Cedric Itten (22) zum Handkuss. Beide zahlten das Vertrauen mit Einsatz und Toren zurück.
Dass die Wogen der Begeisterung nach einer gelungenen Qualifikation nicht mehr hoch gehen, kann kaum Petkovic angelastet werden. Logisch war die Schweiz entzückt, als sie sich 1993 für die WM in den USA qualifiziert hatte, nach 28 Jahren ohne eine Turnierteilnahme. Logisch auch, dass sich beim Anhang mit der Regelmässigkeit von WM- und EM-Teilnahmen eine gewisse Sättigung eingestellt hat. Zumal es schon schwierigere Missionen gab, sich für ein Turnier zu qualifizieren, als für eine EM mit 24 Teilnehmern.
Es ist für die aktuelle Mannschaft, ganz gleich welche Stärken, Schwächen und Charaktere die Spieler und der Trainer besitzen, auch aus diesem Grund schwieriger geworden, für überschwängliche Euphorie im Land zu sorgen. Wenn es in einer Kantine am Montag Cordon Bleu gibt, stehen die Hungrigen dafür Schlange. Wenn es dann auch am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag Cordon Bleu gibt, legt sich die Begeisterung. Genau so ist es bei der Nati.
Petkovic und seine Auswahl können nichts dafür, dass sie so erfolgreich sind wie ihre Vorgänger. Aber es muss für sie umso mehr ein Ansporn sein, endlich über diesen vermaledeiten Achtelfinal hinaus zu kommen. Die Kritik kann auch als Kompliment gewertet werden: Man traut der Mannschaft etwas zu, noch mehr als früheren Generationen.
Selbstverständlich gibt es auch Schwächen. In der Kommunikation hat Petkovic nach wie vor Aufholbedarf. Er wirkt manchmal spröde, angesäuert, und vor allem wirkt er stets wie einer, der hinter jeder Hecke einen Schützen vermutet. Selbst dann, wenn er einen Scherz macht, wirkt er gehemmt.
Beim Verband wurde das Manko erkannt: Man trennte sich vom Medienchef und in Pierluigi Tami bekam Petkovic einen neuen Vorgesetzten. Als Direktor der Nationalteams soll er den Trainer führen, er soll ihn unterstützen, auch einmal zurechtweisen. Es wird sich zeigen, inwieweit es der 56-jährige Petkovic zulässt, geformt zu werden.
Deutsch ist nicht Vladimir Petkovics Muttersprache, dafür kann er nichts. Interviews mit ihm sind für Zuhörer oft eine Qual. Vielleicht kommt er auch deshalb schlecht weg. Dabei jubeln wir Deutschschweizer sonst ja jedes Mal, wenn ein Romand mit Akzent sich Mühe gibt und Deutsch spricht. Aber Petkovic kommt nicht aus dem Westen, sondern aus dem Osten, und es ist leider so, dass viele mit ihm vor allem deshalb nicht warm werden, weil er vom Balkan ist. So wie einige seiner Spieler, andere sind dunkelhäutig. Das Team hat für einige ewiggestrige Anhänger – und für Wutbürger, die behaupten, Fussball kümmere sie nicht und die sich dann doch in den Kommentarspalten melden, – mehr mit einer Welt- als mit einer Landesauswahl zu tun.
Im Zuge der Doppeladler-Affäre machte die Nati-Führung eine schlechte Figur, wie auch bei der Ausbootung von Valon Behrami oder dem Fernbleiben von Xherdan Shaqiri. Doch es ist ebenso falsch, Petkovic immer noch einen Strick daraus zu drehen, wie noch lange dem verlorenen WM-Achtelfinal 2018 gegen Schweden nachzutrauern. Die Probleme wurden angegangen und es wird versucht, keine ähnlichen Fehler zu machen. Wenn nun versucht wird, Petkovic aus dem Amt zu schreiben, dann stützt man sich bei der Argumentation auf solche Nebenschauplätze.
Ein Volksheld wie «King» Roy Hodgson oder Köbi «National» Kuhn wird aus Vladimir Petkovic nie werden, oder erst dann, wenn die Schweiz einen Titel gewinnt. Aber er kann an seinen Schwächen arbeiten und die Resultate für sich sprechen lassen. Solange sie das machen und sich die Mannschaft in der Tendenz positiv entwickelt, gibt es keinen triftigen Grund, dass die Zusammenarbeit mit Vladimir Petkovic nach der Europameisterschaft 2020 endet. Das grössere Problem als der Trainer ist, dass zu viele etablierte Nationalspieler in ihren Klubs nur die zweite Geige spielen.
Dies führt natürlich zu meistens unsachlichen Diskussionen. Medien wie der Blick liefern dazu gerne ihren Beitrag.
Am Ende ist Fussball jedoch Ergebnissport und Petkovic liefert Ergebnisse, wie keiner seiner Vorgänger. Mit seiner Ruhe, seiner Mehrsprachigkeit und natürlich auch seiner fachlichen Kompetenz ist er der richtige Trainer für die Nati.