Ja, man darf sich ärgern über Floyd
Mayweather vs. Conor McGregor. Über den Hype. Über die beiden Grossmäuler. Über die Preise des Pay-Per-Views und darüber, dass Mayweather alleine am nächsten Sonntag-Abend so viel verdient wie Barça mit dem Neymar-Deal.
Als Boxpurist darf man sich ärgern, dass einer wie McGregor (kein Profikampf) gegen einen der besten Boxer aller Zeiten (49 Siege, 0 Niederlagen) antreten darf. Gegen einen, der 24 Weltmeister besiegte. Boxweltmeister notabene.
Mich persönlich ärgert am meisten, dass der Kampf unter der Affiche «The Money Fight» promotet wird. Das ist zwar ehrlich – und Geld scheint leider momentan die grösste Anziehungskraft zu haben – der Reibach alleine wird diesem Showkampf aber bei Weitem nicht gerecht.
Was macht diesen Kampf so interessant, wenn nicht das viele Geld? Es ist die Affiche «Ungeschlagener Boxer vs. Vom Wahn getriebener MMA-Kämpfer».
Ich weiss nicht, wie viele grosse Pausen wir als unbedarfte Schüler damals ausdiskutierten, wer bei Andy Hug vs. Mike Tyson gewinnen würde. Eine völlig irrwitzige Diskussion: «Wenn gingge erlaubt isch, würd dä Hug dä Tyson im Fall kaoschla! Easyfisch!» Was hätte ich damals dafür gegeben, einen solchen Kampf zu sehen? Mindestens mein Multiscreen-Donkey-Kong von Nintendo.
Jetzt, fast 30 Jahre später, kriege ich eine Antwort. Natürlich ist es nicht dasselbe. Natürlich bin ich nicht mehr so naiv zu glauben, ein Nicht-Boxer könnte gegen den ungeschlagenen Dominator bestehen. In 99 von 100 Kämpfen gewinnt Mayweather. Ein Sieg McGregors wäre eine der grössten Sportsensationen aller Zeiten – mit Rückkampfgarantie.
Aber eben. Nur in 99 von 100 Fällen. Diese eine Möglichkeit macht den Reiz von Kampfsport aus. Jeder David hat gegen jeden Goliath eine Chance. Buster Douglas war ein 42:1-Aussenseiter, als er den bis anhin ungeschlagenen Mike Tyson 1990 in Tokyo in der 10. Runde fällte. «Dies lässt Cinderella wie eine traurige Geschichte erscheinen», kommentierte der legendäre Box-Analyst Larry Merchant damals die Szene.
Selbstverständlich hat Mayweather alle Trümpfe in seiner Hand. Gespielt wird sein Spiel. «Ginggen» ist nicht erlaubt. Aber sein Gegenüber ist nicht nur wesentlich jünger, sondern auch wesentlich verrückter. McGregor umgibt den Hauch von Wahnsinn. Seine Aura lädt nicht gerade dazu ein, bei ihm als Beifahrer ins Auto einzusteigen. Beim Kampfsport sind solche Typen aber genau wünschenswert.
Und sollten ihm, wie es zu erwarten ist, sämtliche Felle davonschwimmen, dann ist dem Irren alles zuzutrauen. Auch ein Skandal des Formates Tyson-Ohrbiss.
Vergesst das Geld, vergesst den Hype. Hier stehen sich zwei sehr unterschiedliche und interessante Persönlichkeiten gegenüber mit zwei sehr unterschiedlichen Strategien: Auf der einen Seite der ausgesprochen clevere Defensivboxer Mayweather, auf der anderen Seite der ebenfalls ausgesprochen clevere, aber unorthodoxe und unberechenbare Fighter McGregor.
Wie sagte Georges Carpentier, als er sich 1920 dem legendären Jack Dempsey stellte? «Fight a boxer and box a fighter». Das Sprichwort gilt auch heute noch. Und sowohl Mayweather wie auch McGregor werden sich daran ausrichten. Wir dürfen gespannt sein.