Madeira ist im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Traumdestination der europäischen Adeligen. Mildes Klima, im Sommer nicht zu heiss, im Winter nicht zu kühl. Die zu Portugal zählende Insel im Atlantik, ungefähr auf der Breite von Marokko und von Zürich aus mit Direktflug zu erreichen, hat daher eine jahrhundertelange Erfahrung mit Prominenten und Titanen der Weltgeschichte.
Als die Engländer Napoléon ins Exil auf die Insel St. Helena verbannen, machen sie im August des Jahres 1815 im Hafen der Inselhauptstadt Funchal einen Zwischenhalt. Der grosse Korse bekommt an Bord Besuch vom britischen Konsul. Der bringt Bücher, Früchte und ein Fass Madeira-Wein aus dem Jahre 1792.
Doch die Ärzte haben Napoléon das Trinken verboten. Das Fass bleibt ungeöffnet – bis Winston Churchill 1950 Madeira besucht. Der grösste Brite des 20. Jahrhunderts soll beim Einschenken gesagt haben: «Marie-Antoinette lebte noch, als dieser Wein gekeltert wurde.» Marie-Antoinette ist als französische Königin im Zuge der Revolution 1793 geköpft worden.
Kolumbus und James Cook weilten auf Madeira und die österreichisch-ungarische Kaiserin Elisabeth («Sissi») erholte sich auf der Insel. Auch Theophil Andreas Luzius Sprecher von Bernegg, der grosse Bündner Offizier und Politiker, Stabschef von General Ulrich Wille im 1. Weltkrieg, weilte gerne auf Madeira. 1922 kommt Karl I., letzter Kaiser des 1918 aufgelösten Österreichisch-Ungarischen Reiches, nach Funchal. Er stirbt im selben Jahr an einer Lungenentzündung. 2004 ist er von Papst Johannes Paul II. wegen seiner Friedensbemühungen während des Ersten Weltkrieges seliggesprochen worden.
Kolumbus, James Cook, Napoléon, Sissi, Kaiser Karl I., Churchill oder Theophil von Sprecher. Einige dieser Namen wären durchaus eines prachtvollen Museums würdig.
Aber es sind halt alles keine Söhne oder Töchter Madeiras und so sind die paar Denkmäler eher bescheiden. Eine eiserne Sissi steht im Park beim Kasino. Immerhin ist vor der katholischen Wallfahrtskirche Nossa Senhora Do Monte, wo Karl I. beigesetzt worden ist, ein steinernes Denkmal für den Kaiser errichtet worden. Hin und wieder legen K.-u.-K.-Nostalgiker Kränze und Blumen zu seiner Ehre in der Kirche nieder.
Aber all das sind nicht einmal Tupfer im Vergleich zu einer schon fast an «Götzenkult» mahnenden Verehrung von Cristiano Ronaldo. Der fünffache Weltfussballer ist hier in Funchal geboren und aufgewachsen und natürlich ist auch der internationale Flughafen von Funchal nach ihm benannt (Aeroporto Internacional da Madeira Cristiano Ronaldo).
Sein Museum steht unten am Hafen von Funchal. Dort, wo auch die riesigen Kreuzfahrtschiffe anlegen. Der Komplex CR7 umfasst ein Hotel, mehrere Cafés, eine grosse Tiefgarage und eben sein Museum. Der Eintritt (5 Euro) ist günstig. Was den Besucher irritiert: Der Eingang ist ebenerdig. Aber das Museum befindet sich im Untergeschoss.
Es geht eine Treppe runter und dort unten gibt es kein Tageslicht mehr. Die Beleuchtung ist geheimnisvoll gedämpft. Das Interieur ist dezent in sanften Farbtönen von Weiss über Grau bis Schwarz gehalten.
In den Glaskästen funkelt es meistens goldig. Auf 400 Quadratmetern sind unter anderem die goldenen Bälle (fünf), die goldenen Schuhe (vier) und mehr als hundert Trophäen, die er als Einzelspieler oder mit einem Klub gewonnen hat, ausgestellt. Irgendwie mahnt die Atmosphäre an die Grabkammer eines Pharaos. Ronaldo sozusagen als Tutanchamun des Fussballs.
Weder Lionel Messi in Rosario noch Bernhard Russi in Andermatt, Pirmin Zurbriggen in Saas-Almagell, Karli Odermatt in Basel oder Marc Lüthi in Bern werden auch nur mit einem Bruchteil eines Bruchteiles dieses «Götzendienstes» verehrt. Wer will, kann im Ronaldo-Museum auch ein Museum für Narzissmus sehen.
Vor dem Museum steht Ronaldo 3,4 Meter gross und in Bronze gegossen. Zumindest im Februar stand er noch da. Die Skulptur stellt ihn in der Pose dar, die er in der Regel vor Freistössen einnimmt. Mit offenen Armen und Blick auf das Tor. Ronaldo lobte, die Statue sei schöner als er.
Der madeirische Bildhauer Ricardo Veloza hat das Kunstwerk geschaffen. Der Dozent an der lokalen Kunsthochschule ist der Schöpfer vieler bedeutender Denkmäler in Funchal: Das Unabhängigkeitsdenkmal auf dem Platz der Autonomie, das an das Ende der Salazar-Diktatur (1974) erinnert oder den monumentalen Engel, der um die vielen Strassenbauer trauert, die bei den Arbeiten in den kilometerlangen Tunnel Madeiras ihr Leben liessen.
Zum schon ein wenig irritierenden «Götzenkult» passt irgendwie, dass Ronaldos Denkmal eine «Wölbung im Intimbereich» zeigen soll. Der Chronist hat sie nicht bemerkt oder halt nicht darauf geachtet. Offensichtlich sei das für Besuchende von Interesse. Jedenfalls wird erzählt, Besucherinnen und Besucher würden diese Stelle immer wieder mit den Händen berühren und daher müsse die Statue an dieser Stelle immer wieder aufpoliert werden. Ob wahr oder gut erfunden: Der Chronist hat keine solchen Berührungen beobachtet. Er war aber auch nicht stundenlang da.