Als auf Instagram mal gefragt wurde, welches denn die beste Weltmeisterschaft der Geschichte war, war eine häufige Antwort die WM 2006. Die Gründe dafür waren unterschiedlich, aber ein Kommentar brachte das für mich schlüssig auf den Punkt: Es war ein Turnier, an der sich zwei Generationen die Klinke in die Hand gaben. Für viele Altstars war es das letzte Hurra, während sich einige junge Talente, die den Fussball auf Jahre hinaus prägen sollten, an der WM in Deutschland dem grösstmöglichen Publikum vorstellten.
Nur schon die Namen lassen einen in Erinnerungen schwelgen: Zinédine Zidane beendete mit seiner unrühmlichen Aktion im WM-Final seine Karriere, auf der Gegenseite war der Triumph in Berlin das letzte Länderspiel von Francesco Totti. Auch für David Beckham, Ronaldinho, Ronaldo, Raul, Juan Roman Riquelme, David Trezeguet und Philipp Cocu war es die letzte Weltmeisterschaft.
Derweil kündigte sich die neue Generation um Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, der zuvor schon bei der EM 2004 geglänzt hatte, an. Kaka war erstmals an einer WM brasilianischer Stammspieler, mit Sergio Ramos, Xavi, Andres Iniesta und David Villa sammelten einige Stars des später so dominanten Spaniens ihre ersten Erfahrungen an einem grossen Turnier. Den Titel als bester Youngster der WM erhielt Lukas Podolski und auch für Robin van Persie war es das erste internationale Turnier.
Natürlich gehen an eigentlich jeder EM oder WM grosse Karrieren zu Ende und beginnen neue, doch in dieser Fülle ist es schon eine Seltenheit. An der laufenden Europameisterschaft – wiederum in Deutschland – scheint es wieder so weit zu sein. Beim Gastgeber tritt Toni Kroos endgültig ab, mit Luka Modric und Kevin De Bruyne sinnierten zwei weitere prägende Spieler der letzten zehn Jahre über einen Rücktritt aus dem Nationalteam. Auch für Manuel Neuer (38), Thomas Müller (34), Yann Sommer (35), Kyle Walker (34) oder Robert Lewandowski (35) könnte es das letzte grosse Turnier mit ihrem Nationalteam sein.
Gleichzeitig steht die nächste Generation von Weltklassefussballern längst in den Startlöchern. Einige davon sind eigentlich schon jetzt Weltstars und prägen den Fussball auch schon seit einiger Zeit mit. So zum Beispiel Jude Bellingham (21), Bukayo Saka (22), Jamal Musiala (21) oder Pedri (21). Andere sind gerade dabei, sich auch ausserhalb ihrer Heimat einen grossen Namen zu machen, wie Florian Wirtz (21), Xavi Simons (21) oder natürlich die spanische Flügelzange aus Lamine Yamal (16) und Nico Williams (21).
Und während die WM vor gut anderthalb Jahren noch ganz unter dem Stern der Oldies (Stichwort Lionel Messi) stand, dürfte die EM 2024 die Geschichte in ein Vorher und ein Nachher teilen. Kein Spiel steht dafür stärker sinnbildlich als der Viertelfinal zwischen Portugal und Frankreich heute Freitagabend (21 Uhr). Denn hier tritt das Vorher in Person von Cristiano Ronaldo gegen das durch Kylian Mbappé personifizierte Nachher an.
Dieser ist seit 2018 zwar Weltmeister und einer der besten Fussballer, doch stand selbst er noch etwas im Schatten der beiden Überfiguren der letzten fast zwei Jahrzehnte. In der Champions League ist Mbappé noch ohne Triumph, was sich mit seinem Wechsel zu Real Madrid früher oder später wohl ändern wird. Auch bei der Wahl zum Weltfussballer ging der 25-jährige Offensivstar bisher leer aus. Seit 2008 schnappten sich Cristiano Ronaldo und Lionel Messi 13 der 15 vergebenen Ballons d'Or, die anderen Gewinner waren mit Luka Modric und Karim Benzema ebenfalls zwei Vertreter der bald abtretenden Generation. In diesem Jahr könnte erstmals einer der «Jungen» triumphieren.
Es scheint sicher, dass auch Mbappé sich bald einmal Weltfussballer nennen darf. Seine künftigen Konkurrenten werden Bellingham, Musiala oder Erling Haaland, der sich mit Norwegen nicht für die EM qualifiziert hat, heissen. Ronaldo und Messi sind schon seit ihren Wechseln nach Saudi-Arabien bzw. in die USA im Klubfussball nicht mehr relevant, die Wachablösung findet aber erst mit der EM sowie der Copa America, die aktuell in den USA stattfindet, so richtig statt.
Und auf europäischer Seite entscheiden Ronaldo und Mbappé nun mit, wie schnell dieser vonstattengeht. Es ist bisher weder das Turnier des 39-jährigen Portugiesen noch des 25-jährigen Franzosen. Trotzdem steht einer der beiden nach heute im Halbfinal der EM.
Ist es Altstar Cristiano Ronaldo, der Europameister von 2016, welcher die Regentschaft seiner Generation noch um mindestens vier Tage bis Dienstag – dann findet der Halbfinal gegen Deutschland oder Spanien statt – verlängert? Oder ist es der «kleine Prinz» Kylian Mbappé, der den alternden König endgültig vom Thron stösst, um sich selbst die Krone aufzusetzen?