Zwei Wochen lang war das Duell der Giganten ein Duell um Sekunden. Mit dem einzigen Zeitfahren dieser 110. Frankreich-Rundfahrt änderte sich das zu Beginn Schlusswoche schlagartig. Jonas Vingegaard liess seinem härtesten Gegner im Kampf um den Gesamtsieg am Dienstag keine Chance. Der Däne distanzierte Tadej Pogacar in der 22,4 km langen Prüfung gegen die Uhr in der Mont-Blanc-Gegend gleich um eine Minute und 38 Sekunden.
Damit vergrösserte Vingegaard seinen Vorsprung in der Gesamtwertung vor der Königsetappe vom Mittwoch auf komfortable 1:48 Minuten. War dies bei noch zwei ausstehenden Berg- und drei Flachetappen womöglich die Vorentscheidung? «Es ist noch nicht vorbei», sagte Pogacar trotzig, wirkte aber niedergeschlagen: «Heute hatte ich nichts mehr entgegenzusetzen. Es war nicht mein bester Tag.»
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Dabei war Pogacars Leistung nicht einmal schlecht. Dem drittplatzierten Wout van Aert nahm er über eine Minute ab. «Ich bin heute der Erste der Menschen», sagte van Aert, der seine Mütze vor lauter Bewunderung über seinen Teamkollegen im Maillot jaune zog.
Vingegaard fuhr an diesem Tag ganz einfach nochmals in einer anderen Liga. Mit seiner Parforceleistung versetzte der entfesselte Däne nicht nur die Konkurrenz, sondern auch sich ins Stauen: «Unterwegs dachte ich, mein Leistungsmesser spinnt. Die Zahlen waren so hoch», sagte Vingegaard nach seinem insgesamt dritten Etappensieg an der Tour de France, seinem ersten in einem Zeitfahren.
🎙 🇩🇰Jonas Vingegaard : « J’avais des jambes incroyables aujourd’hui, à un moment j’ai même cru que mon capteur de puissance était cassé. C’est probablement l’un des mes meilleurs jours sur le vélo. »
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Im Ziel konnte er sein Glück kaum fassen: «Ich habe mich grossartig gefühlt. Das war das beste Zeitfahren, dass ich jemals gefahren bin. Ich bin sehr stolz, was ich geschafft habe», sagte der Captain vom Team Jumbo-Visma und gestand: «Das habe ich überhaupt nicht erwartet. Heute habe ich mich selbst überrascht.»
An seiner Überlegenheit an diesem Tag liess der Mann im Gelben Trikot von Beginn an keine Zweifel aufkommen. Schon bei den ersten beiden Zwischenzeiten war er deutlich schneller gewesen als Pogacar. Danach wechselte Vingegaard im Gegensatz zum Tour-Champion von 2020 und 2021 für den harten Schlussanstieg nach Combloux nicht von der Zeitfahrmaschine auf das normale Velo. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, den Abstand kontinuierlich zu vergrössern, bis er seinen Rivalen, der zwei Minuten vor ihm gestartet war, fast eingeholt hätte, was für diesen die Höchststrafe bedeutet hätte.
Wie Pogacar nahm auch Stefan Küng einen Radwechsel vor. Dem Zeitfahrspezialisten aus dem Thurgau kam die selektive Strecke mit dem giftigen Schlussanstieg aber wie erwartet nicht entgegen. «Wenn ich in die Top 10 fahren kann, dann ist es schon fast wie ein Sieg», hatte der WM-Zweite im Vorfeld gesagt.
Bis zur zweiten Zwischenzeit waren nur Vingegaard, Pogacar und der Franzose Rémi Cavagna schneller gewesen als Küng, für den am Ende mit fast vier Minuten Rückstand der 18. Rang resultierte. «Ich bin gut gestartet, dann gingen die Lichter aus», resümierte der Schweizer nach seinem letzten Test im Hinblick auf das WM-Zeitfahren im August in Glasgow. Sein Landsmann Silvan Dillier belegte mit einem Rückstand von 7:58 Minuten den 138. Rang. (sda)