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Valentino Rossi (36) hätte seine WM-Führung nur mit einem zweiten Platz verteidigen können. Mit einer heroischen Aufholjagd schafft er vom letzten Startplatz aus «nur» Rang vier. Er war wegen seines «Fouls» an Marc Marquez im zweitletzten Rennen auf diesen letzten Platz strafversetzt worden.
Der grösste aller Zeiten hat den 10. WM-Titel erst im letzten Rennen verloren. Hätte er den zweiten Platz geholt, wenn er nicht ganz hinten hätte starten müssen? Wahrscheinlich nicht.
Am Ende einer turbulenten Saison ist Valentino Rossi an einem Gegner gescheitert, der jünger und besser ist. Jorge Lorenzo hat unter extremster Belastung die beste Leistung abgerufen: Sieg, beste Trainingszeit und die schnellste Rennrunde. Die Entscheidung ist letztlich auf faire Art und Weise gefallen. Der Sport hat gesiegt. In einer aufgeheizten Atmosphäre haben die «Asphaltcowboys» zumindest auf der Piste kühlen Kopf behalten.
Oder hat es am Ende doch eine spanische Verschwörung gegeben? Haben die Honda-Piloten Marc Marquez und Dani Pedrosa mit ihrem Landsmann einen «Nichtangriffspakt» geschlossen und ihm den Sieg nicht streitig gemacht?
Nein, es hat keine «Verschwörung» gegeben. Valentino Rossi und seine Fangemeinde hegen und pflegen zwar genau diese Verschwörungstheorie sorgsam. Sie wird uns noch während Wochen unterhalten. Es ist billige Polemik und wird am Ende dem Grössten aller Zeiten schaden.
Valentino Rossi war ganz einfach nicht dazu in der Lage, im Laufe der Saison Jorge Lorenzo entscheidend zu distanzieren. Damit zeichnete sich ab: Valentino Rossi wird in einem Finale die ganze Welt auf seiner Seite haben – aber beim letzten GP der Saison auf spanischem Boden nicht die Spanier. Wenn Marc Marquez und Dani Pedrosa im letzten Rennen keine eigenen Titelchancen mehr haben, dann werden sie ihrem Landsmann helfen – etwas anderes konnte gar nicht erwartet werden. Auch nicht von Valentino Rossi und seinen Fans.
Was der Italiener unterschätzt hat: Er ist der populärste Fahrer der Töff-Weltgeschichte – aber nur ausserhalb des Fahrerlagers. Seine Erfolge, seine Geschäftstüchtigkeit und seine Beliebtheit wecken bei seinen Konkurrenten seit Jahren vor allem eines: Neid. Auf «Schützenhilfe» auf der Rennpiste wird er nie zählen können.
In Valencia ist die «Ära Rossi» mit viel Lärm zu Ende gegangen. Er wird auch 2016 noch einmal antreten. Aber er wird nicht noch einmal dazu in der Lage sein, die Honda Stars (Marc Marquez) und seinen Teamkollegen Jorge Lorenzo im Schach zu halten. So wie es Roger Federer nicht mehr schafft, die Nummer 1 zu werden, so wird der Italiener nicht mehr Weltmeister. Aber so wie Roger Federer der charismatischste Spieler der Welt bleibt, so wird auch der Italiener nächste Saison noch einmal der charismatischste Fahrer im ganzen Zirkus sein.
Was uns nun für die nächste Saison interessiert: Wie löst Yamaha das «Problem Rossi»? Jorge Lorenzo und Valentino Rossi waren sich bereits 2010 als Teamkollegen spinnefeind. Damals setzte Valentino Rossi durch, dass in der gemeinsamen Box eine Trennmauer errichtet wird und am Ende der Saison wechselte er zu Ducati. Jorge Lorenzo holte 2010 und 2012 den Titel. Nach Valentino Rossis Rückkehr zu Yamaha im Frühjahr 2013 wurde die Mauer entfernt. Mit diesem «Mauerfall» schien der kalte Krieg beendet.
Die beiden Alphatiere kamen vordergründig bestens miteinander aus – weil sie sich beide einem neuen Alphatier unterordnen mussten: Honda-Star Marc Marquez. Er gewann die Titel 2013 und 2014. In der Niederlage verstanden sich Valentino Rossi und Jorge Lorenzo ganz ordentlich.
Aber der eigene Teamkollege ist immer der ärgste Rivale. Diese Saison waren überraschend beide dazu in der Lage, um den Titel zu fahren. Weltmeister Marc Marquez und Honda hatten früh keine Chance. Die alte Rivalität flammte wieder auf. Können Valentino Rossi und Jorge Lorenzo nach allem, was 2015 war, nächste Saison in Frieden in der gleichen Box leben? Nein. Aber müssen sie das überhaupt? Nein. Hat nicht diese Rivalität beide zu Höchstleistungen getrieben? Es kann durchaus alles so bleiben, wie es ist. Während der ganzen Winterpause werden uns Geschichten über das Innenleben des Yamaha-Teams bestens unterhalten.
Für den Augenblick verneigen wir uns vor Jorge Lorenzo, dem «halben Schweizer» (er wohnt in Lugano). Er ist in vielerlei Hinsicht das Gegenstück zum charismatischen Valentino Rossi. Eigenwillig, fast introvertiert und ein Einzelgänger, der sich mit Philosophie und der Suche nach innerem Gleichgewicht beschäftigt, ohne dabei zum Grübler zu werden. Sein Wahn, alles in den Griff zu bekommen, alles zu kontrollieren und sich auch in die Detailarbeit der Techniker einzumischen, liess ihn vorübergehend vom Weg abkommen.
Im Laufe dieser Saison hat er die Balance wieder gefunden. Wir haben den entspanntesten, ruhigsten, souveränsten und selbstsichersten Jorge Lorenzo erlebt. Er ist besser, viel besser sogar als in seinen Titeljahren 2010 und 2012. Deshalb war er dazu in der Lage, Valentino Rossi zu besiegen. Er ist ein grosser Champion geworden, auf Augenhöhe mit Grössen wie Wayne Rainey und…Valentino Rossi.
Es war gestern ziemlich offensichtlich was abging. Solange Repsol und Dorna das Sagen haben, wird sowieso ein Spanier Weltmeister.