Am Donnerstag sassen Tom Lüthi und Dominique Aegerter zum lockeren Interview gemeinsam für watson am Tisch. Heute haben sie im Rennen keinen gemeinsamen Nenner gefunden und deshalb beim GP von Tschechien einen Podestplatz verpasst.
Es ist eine Sache, entspannt über Technik, Geld und Frauen zu plaudern. Aber eine ganz andere, unter härtesten Wettkampfbedingungen, unter Strom und Adrenalin, draussen auf der Rennpiste einen gemeinsamen Nenner zu finden. Deshalb scheiterten Tom Lüthi und Dominique Aegerter in Brünn auf der Jagd nach einem Podestplatz und kamen «nur» auf die Ränge 4 (Lüthi) und 5 (Aegerter). Wir müssen uns noch ein wenig auf den historischen Moment mit zwei Schweizern auf dem Podest gedulden.
Esteve Rabatt und Mika Kallio stoben nach dem Start davon und waren nicht mehr einzuholen. Sandro Cortese hingegen wäre zu packen gewesen. Von Anfang an jagten die beiden Schweizer dem freundlichen Deutschen, der harte Zweikämpfe meidet wie der Teufel das geweihte Wasser, hinterher. Ohne Erfolg. Sie bescherten dabei ihren Sponsoren in diesem Rennen mehr TV-Präsenz als der Sieger – die Kameras folgten bei der Übertragung immer wieder den beiden Schweizern, dem «Alpen-Express».
Aber erst als es längst zu spät war, in der letzten Runde, hoben Tom Lüthi und Dominique Aegerter die Gasschieber auf rücksichtslos, auf internationale Angriffshöhe. Mit dem Tempo der letzten Runde hätten sie Cortese in Grund und Boden gefahren, vom 3. Platz verdrängt und die Ränge 3 und 4 geholt.
Dass es nicht zusammenpasste, hat schon seinen Grund. Die Strecke in Brünn erfordert einen runden, flüssigen Fahrstil, ähnlich einem Riesenslalom. Ein Stil, der Lüthis Fahrweise entspricht. Während auf anderen Strecken raue Fahrer, harte, späte Bremser wie Aegerter im Vorteil sind – beispielsweise der Sachsenring. Dort hat Aegerter ja seinen ersten GP gewonnen, während Lüthi im gleichen Rennen bloss als 9. über die Ziellinie knatterte.
Der Fahrstil der beiden Schweizer ist also zu unterschiedlich. Sie konnten sich nicht gegenseitig mittels Windschattenspielen beschleunigen und keinen gemeinsamen fahrerischen Nenner finden. Es war ein erzwungener Waffenstillstand mit gegenseitigem Belauern und erst als jeder für sich im Schlussspurt alles riskierte, ging es schneller.
Dominique Aegerter begründete seine erste Niederlage in einem Direktduell gegen Tom Lüthi in dieser Saison so: «Die Maschine und ich waren nicht ganz bei 100 Prozent. So reicht es nicht für einen Podestplatz.» Er war nach dem Sieg auf dem Sachsenring und dem 3. Platz in Indianapolis jetzt mit einem 5. Rang sichtlich unzufrieden. Auf die Frage, wie viel Prozent denn bei ihm gefehlt hätten, sagte er ein wenig knurrig. «Es fehlten acht Sekunden auf den Sieg. Sie können ja versuchen, diese acht Sekunden irgendwie in ein Prozentverhältnis zur Siegerzeit zu setzen …»
Aegerter sagt, das Wochenende sei schon ein wenig stressig gewesen. «Vor allem in der Nacht auf Samstag habe ich nicht gut geschlafen.» Nicht weil er gerockt und gerollt hätte. Vielmehr ist erst nach langem Hin und Her sein Vertrag mit dem aktuellen Moto2-Team um ein Jahr verlängert worden.
Die Einigung war zwar schon am Donnerstagabend erzielt und das Salär praktisch verdoppelt worden. Der Rohrbacher verdient jetzt im hohen sechsstelligen Bereich erstmals mehr als Tom Lüthi. Aber dann übertrieb er es im ersten ganz grossen Vertragspoker seiner Karriere und wollte Details nachverhandeln.
Schliesslich wurde zwei Stunden vor dem Rennen (!) um 10 Uhr heute Vormittag in einem hastig improvisierten Medienspektakel die Vertragsunterzeichnung mit Aegerter, seinem Manager Robert Siegrist und Teamchef Fred Corminboeuf für Fotografen, TV-Kameras und Zaungäste nachgestellt. Um es auf den Punkt zu bringen: Dominique Aegerter hatte in Brünn zu viel im Kopf und zu wenig auf der Rennpiste.
Aber auch Tom Lüthi hatte seinen selbst verschuldeten Störfaktor. Ein krachender, durch einen Fahrfehler verursachten Sturz im Warm-Up. In diesem Einfahren sind Stürze äusserst selten und deshalb doppelt und dreifach ärgerlich. Es geht ja nur darum, die Funktionsfähigkeit der Höllenmaschinen noch einmal durchzuchecken; niemand fährt eine Kavallerie-Attacke. Zumal die Moto2-Helden nur eine Maschine zur Verfügung haben – kracht es, muss repariert werden.
«Ich habe es etwas übertrieben und das Vorderrad ist auf einer Bodenwelle weggeklappt. Als ich wieder auf die Beine kam, musste ich meine Maschine suchen», schildert Tom Lüthi sein Missgeschick. Der Töff war über die Pistenumrandung hinausgeflogen. «Aber es die Schäden hielten sich in Grenzen. Mein Team hat den Töff wieder genauso hingekriegt, wie er vor dem Sturz war.»
Beide wollten diese Störfaktoren nicht als Ausrede gelten lassen. «Der Sturz hatte keinen Einfluss aufs Rennen», sagte Tom Lüthi. «Am Sonntag hatte ich den Kopf wieder frei», erklärte Dominique Aegerter. Ist ja klar – niemand will als Ausreden-Weichei dastehen. Aber diese Störfaktoren spielten sehr wohl eine Rolle.
Diese erste fahrerische Niederlage in dieser Saison gegen seinen Erzrivalen wurmt Dominique Aegerter noch mehr als der entgangene Podestplatz. Tom Lüthi ist zurück und trifft auf den besten Aegerter aller Zeiten. Wir stehen am Anfang eines heissen Duells auf Weltklasse-Niveau.