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«Rossimanien» – das böse Erwachen bei der Reise in ein utopisches Land

In Mugello kommen viele «Rossimanier» zusammen, Fans von Valentino Rossi.
In Mugello kommen viele «Rossimanier» zusammen, Fans von Valentino Rossi.Bild: MAX ROSSI/REUTERS

«Rossimanien» – das böse Erwachen bei der Reise in ein utopisches Land

Eine Reise zum GP von Italien in Mugello ist längst viel mehr als der Besuch eines Töffrennens. Es ist eine Reise in ein utopisches Land – und sie endete diesmal mit einer Ernüchterung.
23.05.2016, 10:0623.05.2016, 10:32
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Der grosse, kürzlich verstorbene italienische Chronist und Philosoph Umberto Ecco hat ein wunderbares Buch geschrieben: «Die Geschichte der legendären Länder und Städte». Darin hat er ein utopisches Land vergessen: «Rossimanien».

Umberto Ecco in einer Aufnahme von 1984.
Umberto Ecco in einer Aufnahme von 1984.bild: wikipedia

Wir möchten dem Leser dieses Land schildern. Es liegt in Italien. In einem wunderschönen Tal namens Mugello nördlich von Florenz und seine Hauptstadt heisst Fahrerlager.

Valentino, der 37-jährige Präsident von «Rossimanien», hält sich fast immer ausserhalb seines Landes auf. Er ist viel auf Reisen und geht im Ausland seinen Geschäften nach: in Katar, in Jerez, auf dem Sachsenring, ja sogar im fernen Amerika, Asien und Australien. Nur einmal im Jahr kehrt er heim nach Mugello. Zum GP von Italien.

Valentino Rossi, der Präsident von «Rossimanien».
Valentino Rossi, der Präsident von «Rossimanien».Bild: EPA/ANSA

Alles in Gelb

«Rossimanien» hat Millionen von Bürgern, die in der Diaspora, auf der ganzen Welt, auch unter Andersdenkenden, glücklich und friedlich leben. Ja, der Präsident kann sagen, dass sich sein Reich und sein Einfluss über die Grenzen von «Rossimanien» hinaus erstrecken, dass in seinem Reich die Sonne nie untergeht. In Italien heisst es, er habe auf Twitter die meisten «Followers». Vor dem Fussballstar Mario Balotelli und dem Papst.

Für ein paar Tage pilgern jene, die es können und vermögen, jeweils im Frühsommer in die Hauptstadt von «Rossimanien». Zum GP von Italien sind an diesem Wochenende gegen 100'000 gekommen, um im Mugello-Tal ihrem Präsidenten zu huldigen. Sie tragen alle die Nationalfarbe (gelb) und die gleiche Nummer (46). Sie verändern die Natur: Die grünen Hänge des lieblichen Tales erstrahlen unter der toskanischen Sonne bunt wie Herbstlaub und die dominierende Farbe ist strahlendes Gelb.

Der echte «Rossimanier» hat alles in Gelb: Mützen, T-Shirts, Hosen, Socken, Unterwäsche, Schirme, Flaggen, Schuhe, Bettwäsche, Schlüsselanhänger, Kissen, Autos und oft sogar die Haare. Als ganz besondere Form der Huldigung lassen seine Anhänger zwischendurch auch gelben Rauch aufsteigen.

Gelb, die liebste Farbe der «Rossimanier».
Gelb, die liebste Farbe der «Rossimanier».
Bild: MAX ROSSI/REUTERS

Das Undenkbare geschieht

Es gibt natürlich Invasoren, die in sein Land einzudringen versuchen. Vor allem aus Spanien. Er hat sie seit seinem ersten Sieg zu Mugello im Jahre 2008 zwar nicht immer, aber meistens zurückgeschlagen. Ach, war das ein wehendes, gelbes Flaggenmeer, war das ein Brausen und Tosen des Jubels durch das liebliche Tal, als er am Samstag im Qualifying die Bestzeit herausgefahren hatte. Er durfte zum MotoGP-Rennen aus der privilegierten ersten Position starten. Wie es sich für den Präsidenten im eigenen Land gehört.

Das Rennen endet in einer weissen (nicht in einer gelben) Rauchwolke. Am Vormittag beklagt sein spanischer Teamkollege Jorge Lorenzo einen kapitalen Motorenschaden an der Yamaha. Noch ist niemand beunruhigt. Denn heute sind Defekte an diesen Höllenmaschinen so selten wie bei Flugzeugtriebwerken. Computer überwachen jede Bewegung, es sind die höchstentwickelten Hightech-Geräte, die es je auf zwei Rädern gegeben hat.

Aber das Undenkbare geschieht. Etwas mehr als ein Drittel der Renndistanz ist schon zurückgelegt. Valentino Rossi sitzt seinem Teamkollegen und Herausforderer Jorge Lorenzo im Nacken und es ist nicht die Frage, ob er ihn überholen (und siegen) wird. Sondern nur wann. Aber dann spuckt seine Höllenmaschine weissen Rauch aus und signalisiert allen im Tal die Kapitulation. Jorge Lorenzo gewinnt, bleibt WM-Leader und Valentino Rossi hat jetzt fast 37 Punkte Rückstand.

Rossi sitzt seinem Teamkollegen Jorge Lorenzo im Nacken.
Rossi sitzt seinem Teamkollegen Jorge Lorenzo im Nacken.
Bild: EPA/ANSA

«Rossimanien» lebt, solange Rossi fährt

Nirgendwo hat Valentino Rossi so oft gewonnen wie in Mugello. Zu keiner anderen Strecke ist die Beziehung so intensiv, auch nicht zu Misano, das näher an seiner Residenz Tavullia liegt. Aber hier hat er auch seinen schwersten Rückschlag erlitten: 2010 bricht er bei einem Trainingssturz das Bein – bis heute die einzige Blessur, die dazu führte, dass er Rennen auslassen musste. Und jetzt stoppt ihn hier im Kampf um den Sieg erstmals ein Motorenschaden.

Aber die Verehrung geht längst über die Resultate hinaus. Sie ist die grösste, die je ein Töffstar genossen hat. Die Anhänger des Präsidenten von «Rossimanien» fluten nach dem Rennen die Piste. So wie jedes Jahr. Und er zeigt sich und alles ist wieder gut.

«Rossimanien» ist ein utopisches Land. Es wird von der Landkarte verschwinden, wenn der Präsident zurücktritt. Und Mugello wird wieder eine ganz gewöhnliche Rennstrecke in einer ungewöhnlich schönen Landschaft sein.

Sie wären gerne so wie Rossi – die Schweizer Töff-Piloten 2016:

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