Im Fahrerlager der Rennstrecke zu Brünn. Später Samstagnachmittag. Das Abschlusstraining der Moto2-Klasse ist vorbei. Tom Lüth ist missmutig. Das verunglückte finale Training (Platz 12, 4. Reihe) setzt ihm arg zu. Er ahnt, dass bei einer weiteren Niederlage hier in Brünn seine Titelchancen entschwinden werden.
#Moto2 Qualifying 🏁@MattiaPasini claims his first pole in 🔟 years! @MiguelMoto3 and @FrankyMorbido12 complete the front row
— MotoGP™🇨🇿🏁 (@MotoGP) 5. August 2017
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Bevor er im Teamlaster den Chronisten Auskunft gibt, knurrt er die schöne, charmante Teamhostess an, ob denn die Klimaanlage nicht funktioniere. Draussen ist es mehr als 30 Grad warm. Er versucht zu erklären, warum es ihm trotz zusätzlichen Tests während der Sommerpause hier in Brünn einfach nicht gelungen ist, eine optimale Abstimmung seiner Höllenmaschine zu finden. Und sagt einen Satz, dessen Bedeutung niemand erfasst. «Das Bike von Oliveira funktioniert offensichtlich. Meines nicht.»
Miguel Oliveira (22) ist einer der beiden KTM-Werkfahrer (der andere ist Brad Binder). Der junge Portugiese gilt als eine der grossen positiven Überraschungen der Saison, steht in der WM gleich hinter Tom Lüthi auf dem 3. Gesamtrang und wird am Sonntag um 12.15 Uhr aus der ersten Reihe ins Rennen starten.
Keine Frage: KTM ist sehr konkurrenzfähig. Deshalb wird Tom Lüthi am Ende dieser Saison die Kalex in die Ecke stellen (nicht schmeissen) und 2018 mit einer KTM ausrücken. Sein Manager Daniel M. Epp bestätigt: «Es ist noch nicht offiziell und unterschrieben. Aber es wird so sein.» KTM wird neben den beiden Werkpiloten Oliveira und Binder ein sogenanntes «Satelliten-Team» ausrüsten – und dieses Team wird jenes von Tom Lüthi sein.
Daniel M. Epp begründet den dritten Marken-Wechsel in der Moto2-WM so: «Bei Kalex wissen wir genau, was wir haben. Der Wechsel zu KTM ist ein gewisses Risiko – aber wenn es funktioniert, dann haben wir 2018 sehr grosse Titelchancen.»
15 der schnellsten 20 Piloten des heutigen Abschlusstrainings fahren die Deutsche Kalex. Technischer Sozialismus. Da ist selbst mit dem besten Cheftechniker kein Vorteil mehr herauszuholen. Aber mit KTM ist ein technischer Vorsprung möglich. Das 1934 gegründete Werk hat ein enormes Wissen und die Kapazitäten, um auch während einer Saison nachzurüsten. Nichts könnte fürs Prestige besser sein als Tom Lüthi 2018 Weltmeister auf KTM – nachdem er Jahr für Jahr auf allen anderen Marken (Moriwaki, Suter, Kalex) gescheitert ist.
Das Risiko hält sich sowieso in Grenzen. Tom Lüthi bleibt im gleichen Team und behält seinen Cheftechniker Gilles Bigot. Und dieser Wechsel zu KTM könnte für Tom Lüthi ein erster Schritt Richtung «Königsklasse» sein. Er träumt nach wie vor, einmal doch noch eine Saison in der MotoGP-Klasse fahren zu können. KTM ist inzwischen auch in der MotoGP-WM präsent und Tom Lüthi hat letzte Saison zwischendurch als Testpilot für das österreichische Werk gearbeitet. Erfüllt er in der Moto2-WM die Erwartungen, dann hat er gute Chancen, im Verlaufe der nächsten vier Jahre für KTM eine oder zwei Saisons die wichtigste Töff-WM zu bestreiten.