So vielen Fragen. So viele «wenn» und «aber». So viele Spekulationen. Aber am Ende ist es ganz einfach, klar und wahr. Johann Zarco lässt Tom Lüthi nicht eine Sekunde der Hoffnung. Er dominiert das Training, er gewinnt das Rennen und die Weltmeisterschaft.
Tom Lüthi hat die zwei vorangegangenen Rennen in Japan und Australien gewonnen und den Rückstand im Gesamtklassement auf 22 Punkte verringert. Er ist als Titan nach Sepang gekommen. Johann Zarco als Zweifler. Nun ist Johann Zarco der Titan.
#JohannZarco: "It’s great to be the first two-time Moto2 World Champion, I want to thank Ajo Motorsport and everyone who has supported me." pic.twitter.com/itAL4idKzr
— Ajo Motorsport Moto2 (@AjoMotorsportM2) 30. Oktober 2016
Sechs Runden vor Schluss übernimmt Johann Zarco die Führung und gewinnt. Tom Lüthi bleibt vom Start weg in der Verfolgergruppe gefangen, pendelt zwischen Rang acht und sechs. Er hat gar nie eine Chance, den WM-Leader herauszufordern und braust schliesslich auf Platz sechs über die Ziellinie.
Ja, es ist ein monotones Rennen. Aber es ist ein monotoner Tanz auf dünnem Eis. Und deshalb gab es doch eine Chance. Das Rennen ist als Regenrennen deklariert. Alle fahren mit Regenreifen los. Die Piste trocknet nach und nach ab. Werden die Reifen halten? Ein einziger Fehler kann alles ruinieren. Ein Sturz ist unter diesen Verhältnissen (und auch sonst) immer möglich. Behält Johann Zarco die Nerven?
Ja, der Franzose bewahrt kühlen Kopf und fährt wie auf Schienen. Maximale Leistung unter maximalem Druck. Seine Dominanz im Abschlusstraining war nicht der Technik, nicht dem Reifendruck oder sonst was geschuldet. Der introvertierte Franzose hat im alles entscheidenden Moment wieder seine beste Leistung abgerufen.
Tom Lüthi konnte aus eigener Kraft nicht mehr um den Titel fahren. Ein Fehler von Johann Zarco war seine einzige Chance. Im Rennsport sind Fehler immer möglich. So früh die Positionen auch bezogen wurden, so monoton das Rennen auch war – es blieb eine Ungewissheit, die aus der Monotonie ein Drama machte.
Johann Zarco, Jonas Folger, Alex Rins und Sam Lowes steigen in die Königsklasse MotoGP auf. Bisher blieb Jahr für Jahr nur die Erkenntnis: Fahrer kommen und gehen, Tom Lüthi bleibt stehen. Nun wird der Emmentaler die Moto2-WM mit ziemlicher Sicherheit zum ersten Mal unter den ersten drei beenden. 2016 ist seine beste Saison seit dem Weltmeisterjahr 2005 (125 ccm).
Der Rennsport wird durch so viele Faktoren beeinflusst, dass der Erfolg nicht programmierbar ist. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Kontrolle über jene Faktoren, die berechenbar, machbar sind: Teamstruktur, Technik, Organisation, Material. Ein Hexenmeister in der minutiösen Planung ist der Finne Aki Ajo. Der freundliche, in sich gekehrte Finne hat so etwas wie ein perfektes Team aufgebaut und nun Johann Zarco zum zweiten Mal hintereinander zum Weltmeister gemacht. Und diese Saison mit Brad Binder auch die Moto3-WM gewonnen. Keine Frage: im Team von Aki Ajo würde Tom Lüthi Weltmeister.
Kann Tom Lüthi 2017 auch im Team von Fred Corminboeuf Weltmeister werden? Vieles spricht dafür, dass er in dieser Saison einen weiteren, den letzten, entscheidenden Schritt zum Champion in der zweitwichtigsten Töff-WM gemacht hat. Dass er die Ruhe, die Gelassenheit und das Selbstvertrauen dieses Herbstes über den Winter in die nächste Saison «retten» kann. Dass wir also in der Schlussphase dieser Saison und nicht im Sommer den wahren Tom Lüthi gesehen haben. Dass es im und ums Team 2017 mit Jesko Raffin und ohne Dominique Aegerter ruhiger sein wird. So gesehen ist die Schlussphase der Saison 2016 die Anzahlung auf den WM-Titel von 2017. Und damit lautet die Antwort auf die Frage, ob Tom Lüthi auch im Team von Fred Corminboeuf Weltmeister werden kann «Ja».