Im Halbfinal gegen Serbien lag das Team USA mit bis zu 17 Punkten zurück und setzte sich erst im Finish durch. Vielleicht bewirkte dieser Schockmoment auf dem Weg zum fest eingeplanten Olympiasieg, dass die Amerikaner im Final markant energischer und leidenschaftlicher verteidigten.
Die Defensive wurde wichtig, denn die amerikanischen Stars brillierten im Final im Angriff lange nicht. Sie leisteten sich mehr Fehlwürfe, mehr Ballverluste und mehr technische Fehler als in den Spielen vorher. Weil aber auch den Franzosen um ihren Star Victor Wembanyama kein brillantes Spiel gelang, kontrollierten die USA-Stars das Geschehen.
Frankreich führte nur fünfmal und nur während der ersten Viertelstunde und nie mit mehr als zwei Punkten Vorsprung (7:5). Letztmals führten die Franzosen bei 27:26. Ein paar Minuten später führten die USA mit 46:36. Danach kamen die Franzosen nie mehr näher als bis auf sechs Punkte heran – bis drei Minuten vor Schluss! Plötzlich stand es nur noch 82:79. Dann lud Stephen Curry wieder zur Show ein: Mit vier Dreipunktewürfen (!) sorgte er wieder für klare Verhältnisse.
Curry verglich den Final mit einem entscheidenden siebenten Playoff-Spiel in der Fremde. Und der Routinier scheint gemacht für solche Partien, wie er schon in der Vergangenheit eindrücklich bewiesen hat. Sein Dreier zum 85:79 habe alles entschieden, sagte Curry. «Und dann kam der Rhythmus, die Lawine, und zum Glück gingen die anderen drei ebenfalls rein. Das war ein unglaublicher Moment.»
Trotz seiner schon 36 Jahre nahm Curry zum ersten Mal an Olympischen Spielen teil, entsprechend gross war seine Erleichterung nach der Erfüllung der Gold-Mission, und dies zeigte er auch. «Ich hatte die beste Zeit meines Lebens», schwärmte Curry.
LeBron James, der vor einem Jahr begann, das Star-Ensemble mit persönlichen Telefonanrufen für die Olympia-Teilnahme zu begeistern, sorgte auch mit 40 wieder für begeisternde Sequenzen im Final. Kevin Durant, der zum vierten Mal Olympia-Gold mit dem USA-Team holte, war für einmal nicht der erfolgreichste Werfer in einem Olympia-Final. Stephen Curry übertraf ihn dank des unglaublichen Finishs (24 Punkte total).
Seit Barcelona '92, als erstmals ein Dream Team bei Olympia antrat (und die US-Amateure ersetzte), wurden immer wieder amerikanische Mannschaften als Dream Team bezeichnet. Diese Bezeichnung verdiente seit Barcelona erst wieder das Team von Paris so richtig. Und der Vergleich von 2024 mit 1992 verdeutlicht: Basketball ist ein globaler Sport geworden. Die USA können auch mit den Allerbesten gegen Teams wie Frankreich, Weltmeister Deutschland oder Serbien nicht mehr einfach durchmarschieren. Vor drei Jahren in Tokio ging die Serie von 25 gewonnenen Partien in Folge mit einer Niederlage gegen Frankreich in der Vorrunde zu Ende.
«Das Spiel ist mittlerweile global. Es gibt überall auf der Welt grossartige Talente», begründete US-Headcoach Steve Kerr. Zudem sei der Druck gross. «Ich denke, wir sind möglicherweise die einzige Mannschaft auf der Welt, deren Fans sich für sie schämen, wenn sie Silber holt.»
Kerr ist in der NBA auch bei den Warriors der Trainer von Curry, kennt ihn also bestens. «Diese Partie steht in einer Reihe mit den grössten Spielen seiner Karriere. Die Schüsse waren einfach unglaublich. Aber unter diesen Umständen, auswärts, in Paris, gegen Frankreich, im Kampf um die Goldmedaille, ist das wie eine Geschichte aus dem Bilderbuch. Aber das ist es, was Steph macht. Er mag es, in Bilderbüchern zu stehen.»
Die Franzosen verloren auch ihren vierten Olympia-Final gegen die USA. Für sie war die Finalqualifikation und die Möglichkeit, im Palais Omnisports von Bercy am Ufer der Seine gegen das Dream Team spielen zu können, eine einmalige Chance – oder: «C'est un rêve», wie es Wembanyama ausdrückte. Jedenfalls machte der 20-jährige Franzose, der als kommender NBA-Star gehandelt wird und im Final mit 26 Punkten brillierte, schon einmal eine Kampfansage: «Ich lerne – und ich mache mir Sorgen um die Gegner in ein paar Jahren.» (kat/ram/sda)