Was die US-Basketballerin Brittney Griner in den letzten zwei Jahren erlebt hat, erinnert an einen Hollywoodfilm – aber an einen, der zu viel Handlung in zu wenig Zeit zu verpacken versucht. Ihre schier unglaubliche Odyssee führte sie über ein russisches Gefängnis in den Olympiahimmel – und irgendwo dazwischen wurde sie Mutter. Aber alles der Reihe nach.
Ihren Anfang nimmt Griners Odyssee am 17. Februar 2022, als die Basketballerin in das Land fliegt, in dem sie Superstar-Status geniesst. Nach dem Saisonende in der Women’s National Basketball Association (WNBA) spielt Griner in dieser Zeit für den russischen Verein Jekaterinburg. Für ihr Engagement beim Verein verdient sie Millionen. Dieses Mal, wenige Tage vor der russischen Invasion in der Ukraine, führt der Weg der Zwei-Meter-Frau vom Flughafen aber nicht wie gewöhnlich in ein Luxushotel, sondern in eine Gefängniszelle.
Das Verbrechen, das Griner angelastet wird, ist das Mitführen von zwei Vape-Kartuschen mit 0,7 Gramm Cannabisöl. In den USA ist die Basketballerin, die das Öl laut eigenen Aussagen gegen Schmerzen verwendet, als Cannabiskonsumentin registriert. Dass sie das Öl mit nach Russland mitgenommen hat, wo Cannabis in jeglicher Form illegal ist, sei ein schreckliches Versehen gewesen, betont Griner immer und immer wieder. Dennoch sollte es zehn Monate dauern, bis sie wieder US-amerikanischen Boden betritt.
Wie weitreichend die Folgen des Mitführens von gerade mal 0,7 Gramm Cannabisöl für Griner waren, beschreibt sie in ihrem Buch «Coming Home», das im vergangenen Mai veröffentlicht wurde. Der afroamerikanischen, lesbischen Frau mit androgynen Zügen würde das Leben in den russischen Gefängnissen nicht einfach gemacht. In «Coming Home» schreibt sie von anzüglichen Witzen der Gefängniswärter, die sich nach ihren Genitalien erkundigten und von einer Wärterin, die ihr das Handtuch vom Leib riss und sie fragte, ob sie früher ein Mann war.
Nach zehn Monaten, die Griner mit ihren Mitgefangenen in miserablen hygienischen Bedingungen verbrachte, kam die Erlösung. Der Fall der zu neun Jahren Haft verurteilten Basketballerin hatte schon längst eine politische Dimension angenommen und der US-amerikanische Präsident Joe Biden höchstpersönlich setzte sich für die US-Bürgerin ein. Am 8. Dezember 2022 kam es schliesslich zu einem Gefangenenaustausch – Griner gegen den russischen Waffenhändler Wiktor But. «Es tat mir weh, weil ich wusste, dass ich der Welt eine Waffe übergeben hatte», schreibt Griner in ihrem Buch über die politischen Folgen ihrer Inhaftierung.
Seit ihrer Freilassung sind fast zwei Jahre vergangen. Griner mag wieder ein freier Mensch sein, aufgrund der «persönlichen Hölle», die sie in Russland erlebt hatte, ist sie aber vorsichtiger geworden: «Ich werde nie wieder im Ausland spielen, ausser wenn ich mein Land bei Olympia repräsentiere. Sollte ich es in das Team schaffen, wäre es das einzige Mal, dass ich amerikanischen Boden verlasse», sagte sie noch bevor sie für das US-Team selektioniert wurde.
Plot-Twist: Es laufen die Olympischen Spiele in Paris. Die US-amerikanischen Basketballerinnen greifen nach dem achten Olympiasieg in Serie. Doch die Gegnerinnen aus Frankreich sind hartnäckig, gehen im Final zeitweise in Führung, es ist ein hoch spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Schluss steht 67:66 auf der Anzeigetafel. Die USA setzen sich hauchdünn durch. Teil des Goldteams: Brittney Griner, die sagt: «Es gab eine Zeit, da wusste ich nicht, ob ich je wieder für die USA Basketball spielen werde, ob ich überhaupt je wieder Basketball spielen werde.»
In den vergangenen zwei Jahren wurde Griner von einer dreckigen Gefängniszelle in den Olymp katapultiert. Und als wäre das nicht genug der emotionalen Achterbahnfahrt, brachte Cherelle, die Frau der Basketballerin, wenige Wochen vor den Olympischen Spielen einen Sohn namens Bash zur Welt. «Wenn er älter wird und begreift, dass ich ihn für die Olympischen Spiele verlassen habe, als er drei Wochen alt war, wird er mir das wohl nachtragen», meinte sie nach dem Sieg scherzhaft.
Durch ihre Erlebnisse habe sich ihre Beziehung zum Basketball verändert, erklärt Griner: «Ich glaube, es bedeutet mir heute noch viel mehr.»