Spaniens Sportwelt sonnt sich im Erfolg. Am vergangenen Wochenende läutete das Fussball-Nationalteam mit dem EM-Titel eine neue Ära im spanischen Fussball ein, nur wenige Stunden, nachdem der Tennisspieler Carlos Alcaraz in Wimbledon die Trophäe in die Höhe gestemmt hatte. Es läuft rund in Spanien.
Und just im Moment des Triumphs lässt die ARD-Doku «Geheimsache Doping: Schmutzige Spiele» eine Geschichte wiederaufleben, die man in Spanien lieber vergessen möchte – und fügt ihr gar noch ein Kapitel hinzu. Im Auge des Sturms: Eufemiano Fuentes.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde der gelernte Gynäkologe in den 2000er-Jahren bekannt. Damals stand Fuentes als Teamarzt des Radsportteams Liberty Seguros-Würth im Zentrum einer Dopingaffäre, die den internationalen Radsport erschütterte. Die Polizei ermittelte damals im Rahmen der Operacion Puerto gegen Fuentes und andere Akteure des Radsports und stellte eine Liste mit Fahrern sicher, an die Fuentes Blutbeutel mit Dopingmitteln verkauft haben soll.
Fuentes und seine Komplizen verwendeten zwar Codenamen – so soll Ivan Basso auf der Liste mit dem Namen seines Hundes Birillo vermerkt worden sein –, den Ermittlern gelang es nichtsdestotrotz, die Fahrer hinter den Pseudonymen zu ermitteln. Die Dopingaffäre gipfelte an der Tour de France 2006 im Ausschluss der 58 Fahrer auf Fuentes' Liste, darunter auch Mitfavoriten wie Jan Ullrich, Ivan Basso und Francisco Mancebo.
Schnell wurde der Verdacht laut, dass sich Fuentes' Klientel nicht nur auf den Radsport beschränke, sondern auch im Fussball und im Tennis auf seine Dienste gezählt würde. 2012 hatte der ehemalige Präsident von Real Sociedad San Sebastián, Iñaki Badiola, angegeben, dass der Verein in den Nullerjahren als Dopingmittel klassifizierte Medikamente von Fuentes bezogen haben soll. Dass er auch Fussballer mit unerlaubten Medikamenten versorgt hat, sagte Fuentes gar selbst vor Gericht aus.
18 Jahre nach dem Dopingskandal an der Tour de France geistert der Name Fuentes' erneut durch die Medien. Das Ereignis, mit dem er dieses Mal in Verbindung gebracht wird, liegt zwar schon mehr als 30 Jahre zurück. Das «Geständnis» wiegt aber schwer – insbesondere deshalb, weil Fuentes suggeriert, dass Spanien an den Olympischen Spielen 1992 eine Art «Staatsdoping» betrieben habe.
Gegenüber Undercover-Journalisten der ARD sagte Fuentes – im Glauben, dass er mit Buchautoren spreche –, dass er rund um die Olympischen Spiele in Barcelona den Auftrag erhalten haben soll: «Tu, was immer du tun musst, aber wir wollen Medaillen.» Die einzigen Leitplanken, so Fuentes: «Keine positiven Tests» und «keine gesundheitlichen Probleme, die den Positiven schaden könnten».
Er habe, so sagt er weiter, vier Jahre lang «im Schatten» gearbeitet, «damit man mich nicht mit den Erfolgen von 1992 in Verbindung bringen kann». Das Brisante daran: Fuentes gibt an, im Auftrag des spanischen Staates gehandelt zu haben.
Die Olympischen Spiele 1992 waren in vielerlei Hinsicht speziell. Da war beispielsweise die magische Eröffnungsfeier mit dem Song des ein Jahr zuvor verstorbenen Freddy Mercury und Opern-Diva Montserrat Caballé. Oder das nach dem Mauerfall wiedervereinigte deutsche Team, das 82 Medaillen holte.
Auch Spanien schnitt an den Heimspielen gut ab, wesentlich besser als noch vier Jahre zuvor. Am Schluss standen 13-mal Gold, 7-mal Silber und 2-mal Bronze zu Buche. Die Aussagen von Fuentes werfen nun einen Schatten auf diesen Erfolg.
Um an den Spielen im eigenen Land möglichst viele Medaillen zu holen, so Fuentes, habe man auf Methoden und Personal gesetzt, die in der DDR erfolgreich waren: «Wir kopierten das System. Wir hatten Geld, um Informationen mit ostdeutschen, polnischen, russischen, tschechoslowakischen Ärzten auszutauschen. Und wir kauften die Informationen mit Dollar.» Fuentes ging nicht konkret auf die Informationen ein, die er von den Ländern erhalten hatte, in denen Staatsdoping betrieben worden war.
Der 69-Jährige erklärte weiter: «Wir kopierten das System aus den Ländern des Ostblocks. Acht Jahre vorher suchten wir nach Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren, die bei Olympia Anfang bis Mitte 20 sein würden. Wir holten sie, bereiteten sie technisch vor, trainierten sie körperlich und halfen ihnen medizinisch.»
Bei den Videoaufnahmen, welche die Undercover-Journalisten 2001 aufzeichneten, nannte Fuentes auch einen Namen. So soll er den ehemaligen 400-Meter-Läufer Cayetano Cornet mit «Wachstumshormonen, Testosteron, Anabolika» unterstützt haben. Cornet gewann 1992 zwar keine Medaille, führt aber als Funktionär seit Turin 2006 die spanischen Olympia-Teams.
2013 wurde unter die Affäre Fuentes ein vorläufiger Schlussstrich gezogen. Das Madrider Gericht, das mit dem Fall betraut war, sah es als erwiesen an, dass Fuentes Radprofis mit Eigenblutdoping versorgt und damit deren Gesundheit gefährdet hat. Fuentes erhielt ein Jahr Haft auf Bewährung und vier Jahre Berufsverbot.
2016 wurde beides aufgehoben mit der Begründung, dass «Blut an sich (…) kein Medikament» sei. Mit den Aussagen, die Fuentes gegenüber ARD getätigt hat, bringt er sich selbst zurück ins Zwielicht und in Spanien den Staat und die Justiz in Erklärungsnot.
🚨 Comunicado @COE_es
— Jaime Gómez (@Rincon_Deporte) July 18, 2024
Respuesta ante la emisión del documental en la ARD sobre la dirección médica de Eufemiano Fuentes durante Barcelona 1992.
Defensa a ultranza de nuestros deporte y deportistas, así como de Cayetano Cornet, mítico jefe de expediciones olímpicas de España. pic.twitter.com/BeMFHmTLOI
Das spanische Olympische Komitee hat sich bereits zu den Vorfällen geäussert und dementiert Fuentes' Anschuldigungen:
(kat)