Seit der Silber-WM von 2018 stagniert unsere Nationalmannschaft. Mit oder ohne NHL-Stars: Im Viertelfinal war seither jedes Mal Lichterlöschen. Bei der WM 2019 und 2021. Und nun in Peking.
Ob im Klub oder bei der Nationalmannschaft: Am einfachsten ist es, den Trainer zu kritisieren. Beim Nationaltrainer gibt es allerdings mildernde Umstände.
Zu seiner Verteidigung können wir einwenden, Liga sei halt nicht besser und man überschätze sowieso unser Eishockey. Es ist ein wenig wie in der Politik: Man kann nichts machen. Die Gesellschaft ist schuld. Es bringt nichts, den Trainer zu wechseln. Er kann ja unsere Liga und unsere Hockeykultur nicht verändern.
Trotzdem ist in der Geschichte unseres Hockeys der Nationaltrainer nach enttäuschenden Titelturnieren ab und an gefeuert worden. 1992 musste Bryan Lefley nach dem olympischen Turnier gehen. Bill Gilligan und sein Assistent John Slettvoll führten anschliessend die Schweiz bei der WM 1992 in den Halbfinal («Prager Hockeyfrühling»). Ein Jahr später wurde Bill Gilligan nach dem Abstieg entlassen. Simon Schenk ist nach der WM 1997 des Amtes enthoben und durch Ralph Krueger ersetzt worden.
Seither ist der Nationaltrainer nicht mehr gefeuert worden. Ralph Krueger tritt nach dem olympischen Turnier von 2010 zurück, Sean Simpson verlängert nicht und wechselt nach der WM 2014 in die KHL. Sein Nachfolger Glen Hanlon wirft nach der WM 2015 das Handtuch. Seither ist Patrick Fischer im Amt.
Keine Frage: Patrick Fischer hat in Peking nicht das Maximum aus der Mannschaft herausgeholt. Aber wäre dazu ein anderer Nationaltrainer in der Lage gewesen? Sean Simpson stürmte 2013 bis in den WM-Final. Dann blieb auch er beim olympischen Turnier 2014 im Achtelfinal stecken. Mit unseren NHL-Stars. Und bei der WM 2014 reichte es nicht einmal mehr zum Viertelfinal (10. Schlussrang).
Bis heute hat nur einer meistens ein Maximum herausgeholt: Ralph Krueger. Nationaltrainer von 1997 bis und mit dem olympischen Turnier von 2010. Er kompensierte fehlendes Talent mit Disziplin und Taktik und führte die Schweiz an die Weltspitze heran. Eine der interessantesten Fragen unseres Hockeys, auf die wir nie eine Antwort bekommen werden: Was hätte Ralph Krueger mit der Mannschaft von heute erreicht?
Patrick Fischer führt auf die sanfte Tour. Mit Erklären. Nicht mit Kommandieren. Er ist mehr Tafelmayor als Bandengeneral. Er setzt mehr auf Eigenverantwortung als auf Systemzwang. Er ist ein charismatischer Kommunikator, der auch ausserhalb der Hockeywelt zu überzeugen vermag. Eine Autobiografie hat er auch schon geschrieben (GAME TIME. Zwei Welten. Ein Weg). Das hat vor ihm in der ganzen Geschichte unseres Hockeys (seit 1908) noch kein Nationaltrainer getan. Nur Ralph Krueger hat einen Lebenshilfe-Bestseller geschrieben: Teamlife. Über Niederlagen zum Erfolg. Ironie der Hockey-Geschichte: Der Titel passt eigentlich auch zur Trainerkarriere von Patrick Fischer.
Sein eher weicher Führungsstil ist in der rauen Hockeywelt ungewöhnlich. Hier setzen seine Kritiker an: Zu weich. Zu viel Blabla. Zu wenig zackbum.
Ist die Kritik berechtigt? Nein. Patrick Fischer hätte zwar mit dem autoritären Führungsstil von Ralph Krueger, mit der stärkeren Betonung von Taktik und Disziplin nach 2018 mehr erreichen können. Aber viel mehr wohl auch nicht. Und die Frage ist berechtigt: Wie lange würde die neue Spielergeneration einen so autoritären Chef akzeptieren, wie Ralph Krueger einer war?
Ein Nationaltrainer ist eben mehr als bloss ein Coach. Er ist auch ein Botschafter unseres Hockeys. Je stärker seine Ausstrahlung über die Eishockey-Welt hinaus, desto besser. Patrick Fischer ist der perfekte Hockey-Botschafter.
Und doch: Patrick Fischer ist in Peking an einem Wendepunkt angelangt. Er denkt gross und dieses grosse Denken ist die Voraussetzung, um Grosses zu erreichen. Er hat den Halbfinal als Ziel ausgegeben und er spricht vom WM-Titel. Das ist richtig so. Aber den Worten müssen hin und wieder Taten folgen. Sonst werden sie in der Sportöffentlichkeit nicht mehr ernst genommen. Und es darf nicht sein, dass unsere Liga, unsere Hockeykultur schlechtgeredet wird, nur um den Nationaltrainer zu entschuldigen.
Das WM-Silber von 2018 verliert nun durch den Lauf der Zeit an Glanz. Es bedarf der Politur durch neue grosse Taten. Sonst verblassen auch Charisma und Autorität von Patrick Fischer.
In Peking haben einige Spieler Patrick Fischer zum ersten Mal seit der Silber-WM 2018 im Stich gelassen. Das darf nicht mehr passieren. Der Zeitpunkt ist für den Zuger gekommen, mehr Chef als Spielerversteher zu sein. Mehr Bandengeneral als Tafelmayor.
Es ist gar nicht so kompliziert. Wenn Patrick Fischer sich Auftritte wie jenen von Grégory Hofmann in Peking gefallen lässt, ist er selbst schuld.
5 Spiele ein Sieg, also bitte da ist doch jede Diskussion überflüssig...
Zwischen schlecht spielen.
Und schlecht abschneiden.
Ich habe ein CH-Mannschaft gesehen, die, über alles gesehen, gut gespielt hat.
Gut. Aber nicht überragend.
Und für eine HF-Qualifikation hätte man überragend spielen müssen.
Oder ganz viel Glück haben.
Beides war nicht. Darum entspricht die erreichte Platzierung dem Erreichbaren.
Die Schweiz gehört seit Jahren zu den top 10 Mannschaften. Aber nicht zu den top 4.