Zwei Stunden lang wird Sepp Blatter, der ehemalige Präsident des Weltfussballverbands Fifa, von der Bundesanwaltschaft in Bern befragt. Es geht um seine Rolle im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft von 2006 in Deutschland. Die Protokollführerin hält auf 57 Seiten fest, wie der 83-Jährige stammelt.
Ein typischer Satz, den sie von ihm zitiert, geht so: «Die anderen Vorgänge, von denen weiss ich nichts. Und kann...kann...wenn ich nichts weiss, kann ich mich auch nicht erinnern.» Als Blatter am Schluss gefragt wird, ob die Gespräche damals in irgendeiner Aktennotiz aufgezeichnet worden seien, macht er einen Witz. Er sagt: «Wie bei der Bundesanwaltschaft?»
Dazu muss man wissen: Bundesanwalt Michael Lauber hat beinahe seinen Job verloren, weil er sich im Geheimen mit Blatters Nachfolger Gianni Infantino getroffen hat und nicht einmal in seinem Gedächtnis ein Protokoll abgelegt hat. Blatter macht nun ebenfalls Erinnerungslücken geltend. So gelingt es ihm, sich aus dem Spiel herauszuhalten. Er gehört nicht zu den Angeklagten, sondern gilt juristisch nur als Auskunftsperson. Eine Auskunftsperson allerdings, die kaum Auskunft gibt.
Seit dieser Woche steht fest, wann das Nachspiel der Fussball-WM von 2006 stattfindet: Es beginnt am 9. März und dauert bis im April. Auf 16 Tage hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona den Prozess um das «Sommermärchen» angesetzt, kurz vor der Verjährung.
Die Fussball-WM von 2006 ging wegen ihrer märchenhaften Stimmung in die Sportgeschichte ein. Deutschland präsentierte sich der Welt als fröhliche Nation, die sich ohne Nationalismus selbst feierte.
Die Aufarbeitung findet so spät statt, weil die Geschichte hinter dem Märchen erst neun Jahre nach dem Abpfiff der Fussball-WM im «Spiegel» publik wurde: Franz Beckenbauer, ehemaliger Fussballstar und Präsident des deutschen Organisationskomitees, hatte 2002 zehn Millionen Franken auf ein Konto von Mohamed bin Hammam überwiesen, einem korrupten Fifa- Funktionär aus Katar.
Beckenbauer behauptet, er habe die zehn Millionen als Provision bezahlen müssen, damit die Fifa die WM in Deutschland mit 250 Millionen mitfinanziert. Blatter habe ihm nämlich 2001 in einem Gespräch unter vier Augen mitgeteilt, dass Beckenbauer den Fifa-Scheich in Katar überzeugen müsse, damit der Geldfluss in Gang komme.
Beckenbauer trieb die zehn Millionen selber auf, da der deutsche Fussballbund anfangs nichts mit dieser Überweisung zu tun haben wollte. Fündig wurde er beim inzwischen verstorbenen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, der an der Zürcher Goldküste wohnte und ihm ein persönliches Darlehen gewährte.
Als dieser 2003 sein Geld zurückwollte, hatte Beckenbauer ein Problem. Er setzte seine OK-Kollegen unter Druck und drohte ihnen mit seinem Rücktritt, wenn der deutsche Fussballbund die Schuld nicht begleiche. Dann wäre es nie zu einem «Sommermärchen» gekommen.
Schliesslich zeigte die Einschüchterung Wirkung: Am 27. April 2005 floss das Geld in einer getarnten Transaktion vom deutschen Fussballbund über ein Fifa-Konto zu Louis-Dreyfus. Das Datum ist heute von grosser Bedeutung: 15 Jahre später, am 27. April 2020, verjährt die mutmassliche Straftat.
Vor Gericht müssen sich die Männer verantworten, welche die Rückzahlung ausgeführt haben. Angeklagt sind die Altfunktionäre Theo Zwanziger, Horst Schmidt, Wolfgang Niersbach und Urs Linsi.
Jene, die den Deal eingefädelt haben, kommen hingegen unbehelligt davon: Beckenbauer, Blatter und Bin Hammam. Es wird auch nicht um die grosse Frage gehen: Wofür zahlte Beckenbauer das Geld wirklich? Es wird lediglich um das Täuschungsmanöver danach gehen. Haben sich die Funktionäre strafbar gemacht, indem sie das Geld auf verdeckten Wegen zurückzahlten?
Normalerweise geht es bei einem Betrugsvorwurf darum, herauszufinden, wer der Betrüger ist. In diesem Fall ist aber nicht einmal klar, wer der Betrogene ist. Gemäss der Bundesanwaltschaft ist es der deutsche Fussballbund, der in seinem Vermögen geschädigt sein soll.
Dieser sieht bei sich jedoch keinen Schaden, sondern einzig ein Kommunikationsproblem. Das hält die Führung des deutschen Fussballbundes in einem Schreiben fest, das zu den Verfahrensakten gehört.
Das Bundesstrafgericht hat den Parteien vor einer Woche mitgeteilt, dass es eher von einer ungetreuen Geschäftsbesorgung als von einem Betrug ausgehe. Die Bundesanwaltschaft musste in einer Hauruckaktion die Anklageschrift ergänzen. Diese Woche reichte sie die neue Version ein, die zusätzliche Beschreibungen der Aufgabenteilung enthält.
Welche Rolle hatte die Fifa? Blatter in der Einvernahme: «Die Fifa hat in dieser Angelegenheit nur Bank gespielt.» War er persönlich in die Rückzahlung dieses Darlehens involviert? «Involviert sicher nicht.» War es nach der Kompetenzordnung der Fifa überhaupt möglich, dass diese Zahlung ohne ihn abgewickelt worden ist? «Das war Management by Confidence. Vertrauen.»
Und worum ging es im berühmten Gespräch unter vier Augen mit Beckenbauer? Blatter gemäss Protokoll: «Äähm. Weil ich gesagt habe in diesem Gespräch, äähm also für Deutschland gibt’s keinen Zuschuss, weil Deutschland ist so reich und die sollen, die sollen das selber machen. Dann sagte Franz: ‹Ist doch nicht dein Ernst.›» Dann hätten sie sich geeinigt. Die Erinnerung daran sei aber wirklich vage.
Bananenrepublik Schweiz.
Und wir nehmen es uns raus über die USA oder über GB zu spotten, dabei haben wir einen riesigen Misthaufen direkt im Haus.
Es handelt sich hier um Blatter, Infantino ist eher schlimmer und es könnte sich genausogut um Trump handeln. Hauptsache der Rubel rollt.