Der Skicross-Final der Frauen schien lange Zeit die 13. Medaille in Peking zu bringen. Fanny Smith, die grosse Schweizer Hoffnung, fuhr als Dritte ins Ziel und damit, so dachten alle, zum zweiten Mal nach Pyeongchang zu Bronze. Die Waadtländerin blieb beim Sieg der Schwedin Sandra Näslund in einem intensiven Finish zwar hinter der Kanadierin Marielle Thompson, aber vor der Deutschen Daniela Maier.
Nach dem Ende des Rennens standen die vier Finalistinnen im Zielraum und warteten auf die Medaillenzeremonie. Es stand einzig noch die Bestätigung des Resultates aus. Eine Formsache – davon gingen zumindest die Fahrerinnen aus, die immer wieder mit den Schultern zuckten und sich wunderten, warum dieser Prozess so lange dauerte.
Nach einigen Minuten Wartezeit kam dann der Schweizer Schock: Fanny Smith wurde disqualifiziert und ging somit leer aus. Die Jury hatte ein Vergehen der Schweizerin an Daniela Maier gesehen, welches die Deutsche behindert haben soll.
Somit erbte Maier Bronze – ein Entscheid, der sogleich für erhitzte Gemüter sorgte. SRF-Kommentator Dani Kern bezeichnete den diesen als «Skandal» und auch Expertin Sanna Lüdi, selber eine Skicrosserin, konnte den Entscheid nicht verstehen. «Das ist einfach nur ein Witz, man kann es nicht anders sagen», so die 36-Jährige, «eine solche Situation geht so schnell. Sie hat einfach das einzige gemacht, was in dieser Situation möglich war.»
Auch Smith selbst konnte den Entscheid nach dem Rennen nicht fassen. «Das ist ein Witz», sagte die Romande zu einer Zuständigen der FIS, welche erwiderte, man habe sich die Situation mehrmals angeschaut, ehe man entschieden habe. Smith versuchte daraufhin zu erklären, der Zwischenfall sei nicht absichtlich gewesen. «Der Ski ist verkantet. Kann den niemand in der Jury Ski fahren?», fragte sie. Doch auch sämtliche Diskussionen halfen Smith nicht weiter.
Auch beim Schweizer Trainerteam sorgte die Disqualifikation für Fassungslosigkeit. «Der Entscheid ist ein völliger Unsinn und schwer zu akzeptieren», sagte der Schweizer Trainer Ralph Pfäffli. «Die Rede ist von Absicht, dabei ist es ganz offensichtlich keine. Da gibt es keinen Graubereich.» Alle seien überrascht. Für alle vier Finalistinnen und für die ganze Menge im Ziel habe das Resultat gestimmt, niemand könne sich den Entscheid erklären. «Ich muss die Contenance wahren», so Pfäffli. Er kündigte an, die juristischen Optionen zu prüfen, machte sich aber keine grossen Hoffnungen.
Selbst Maier, die von Smith die Bronzemedaille erbte, konnte zu Beginn kaum fassen, was passiert war. Gleich nach dem Jury-Entscheid stand sie Smith zur Seite und beteuerte immer wieder, die Disqualifikation sei unfair.
«Es tut mir unglaublich Leid für Fanny», sagte die Deutsche nach dem Rennen im Interview mit SRF. «Sie war so lieb und hat mich im Ziel auch noch getröstet. Dass es jetzt so gekommen ist, ist zwar gut für mich, aber es tut mir wirklich leid. Trotzdem versuche ich, diesen Moment jetzt zu geniessen.»
Die FIS hingegen betonte auch nach dem Rennen, man habe einen korrekten Entscheid gefällt. «Fanny hätte geradeaus fahren können, sie hätte Platz gehabt», erklärte Renndirektor Klaus Waldner gegenüber SRF. «Sie macht aber einen grossen Schritt nach links und steht Dani damit auf den Ski. Diese verliert dadurch die Balance und den Speed. Sonst hätte sie Fanny vermutlich noch überholt.»
Ein einfacher Entscheid sei es dennoch nicht gewesen, räumte Waldner ein. «Wir haben zehn Minuten diskutiert, weil es eine sehr harte Entscheidung ist», erklärte er, «aber es sind die Regeln.» Es sei schwierig, bei Olympia ein gutes Fingerspitzengefühl zu haben. «Es ist die blödeste Entscheidung, die man treffen muss», so Waldner. Dennoch sei es die richtige.
Smith war damit das Glück nicht hold – wie vor vier Wochen, als sie beim Weltcup in Nakiska stürzte. Die erlittene Knochenprellung im Knie behinderte die Romande in der Vorbereitung auf den Wettkampf. Doch Smith biss sich durch, auch wenn sie bereits auf dem Weg in den Final eine Schrecksekunde zu überstehen hatte. Nach ihren knappen Siegen in den ersten beiden Runden lag sie auch in ihrem Halbfinal lange souverän in Führung, ehe sie kurz vor dem Ziel nach einem Verschneider beinahe noch den Finaleinzug verpasste.
Ohne Chance auf den Einzug in den Kampf um die Medaillen blieben Talina Gantenbein und Saskja Lack, die in den Viertel- bzw. in den Achtelfinals scheiterten. (dab/sda)