Gold, Gold, Gold, Gold und Silber. 2021 ist der Schweizer Jubel weiblich. Unsere Athletinnen schrieben wunderbare Geschichten. Nach der märchenhaften WM der Skifahrerinnen zogen auch die Langläuferinnen und Leichtathletinnen nach. Doch vielleicht war das alles nur der Anfang. Es warten viele weitere Highlights. Mit welchen Schweizer Frauen dürfen wir in diesem Jahr noch jubeln? Die Auswahl ist zahlreich.
Im April spielen die Fussballerinnen in der Barrage gegen Tschechien um die EM-Teilnahme. Die Qualifikation wäre enorm wichtig, um dem Frauenfussball hierzulande noch einmal Schub zu verleihen.
An der Kunstturn-EM in Basel Ende April kann Giulia Steingruber eine erste Medaille gewinnen – die Gelegenheit scheint günstig.
Im Sommer liegt der Fokus dann auf den Olympischen Spielen. Und auch in Tokio trauen wir einigen Schweizerinnen einen Exploit zu. Krönt Bikerin Jolanda Neff ihre grosse Karriere? Rennt Mujinga Kambundji in den Sprint-Olymp? Gelingt Triathletin Nicola Spirig ein letztes Hurra? Findet Ruderin Jeannine Gmelin auf den Punkt zur Topform? Sorgen die Beachvolleyballerinnen für Party im Sand? Wird der Aufstieg von Radfahrerin Marlen Reusser noch imposanter? Klettert Petra Klinger zur Medaille?
Natürlich, die Aufzählung ist nicht vollständig, aber eines ist jetzt schon klar: 2021 wird ein aufregendes Schweizer Sportjahr bleiben, vor allem dank den Frauen.
Der schönste Tag im Leben! Nichts weniger als das war der Samstag, 13. Februar 2020 für Corinne Suter. Der Tag, an dem sie Abfahrtsweltmeisterin wurde. Suter krönte sich damit zur Speedkönigin. Es ist der Lohn für einen beschwerlichen Weg. «Ich brauchte länger als andere, um mich im Skizirkus zurechtzufinden», sagt sie nach dem WM-Triumph. Suter musste lernen, auch mal egoistisch zu denken. Und vor allem: sich nicht von ihren Konkurrentinnen beeinflussen zu lassen. Längst ist das gelungen. Mittlerweile ist sie diejenige, zu der die Konkurrenz aufschaut. An den Weltmeisterschaften 2019 und 2021 hat sie insgesamt vier Medaillen gewonnen – beeindruckend.
Gold im Super-G. Gold im Riesenslalom. Bronze in der Abfahrt. Lara Gut-Behrami hat aus der Ski-WM ihre persönlichen Festspiele gemacht. Und dabei ihr Lächeln wiedergefunden. In den letzten Jahren sah man sie öffentlich nie mehr so zufrieden wie in den Tagen von Cortina d’Ampezzo. Gut-Behrami ist die grosse Figur dieses märchenhaften Schweizer-Sport-Winters. Und noch ist dieser ja nicht zu Ende. Es lockt nach den drei WM-Medaillen sogar noch der Sieg im Gesamtweltcup. Auch, wenn dafür sehr viel zusammenpassen müsste.
Es gab Momente in ihrer Karriere, wo ihr alles zu viel wurde. Der Kreuzbandriss an der WM 2017 in St.Moritz war ein Signal ihres Körpers, der «Stopp!», schrie. Es folgten schwierige Jahre, geprägt auch von Zweifeln. Die Rückkehr an die Weltspitze dauerte länger, als sich das Gut-Behrami selbst erhoffte. Auch darum sind die grossen Erfolge nun umso süsser. Ein wichtiger Faktor auf dem Weg zurück war Ehemann Valon Behrami. In ihm hat die Skifahrerin den Seelenverwandten gefunden, der sich wie sie selbst auch häufig unverstanden fühlte.
Erfolge von Schweizer Frauen im Langlauf haben Seltenheitswert. An Titelkämpfen gab es ein solches Ereignis erst zweimal. 1987 gewann Evi Kratzer WM-Bronze, 34 Jahre danach sorgt das Duo Nadine Fähndrich und Laurien van der Graaff mit Silber im Teamsprint für die einzige Schweizer Medaille in Oberstdorf. Einerseits war es ein Triumph mit Ansage. Viermal in Serie stand das Duo im Weltcup vor Oberstdorf auf dem Podest. Die 25-jährige Luzernerin Fähndrich und die 33-jährige Bündnerin van der Graaff galten teamintern als grösste Medaillenhoffnung.
Andererseits hiess dieses Vorhaben für beide Athletinnen auch, den mit Abstand grössten Erfolg ihrer Karriere einzufahren. Dass die Ausgangslage mental nicht einfach zu meistern war, zeigte sich bei Nadine Fähndrich. Sie zweifelte bis zum Final und war auf der Loipe lange blockiert. Die zwei Skiheldinnen sind Zimmerkolleginnen, unterscheiden sich aber durchaus. Van der Graaff steht am Ende ihrer Karriere, Fähndrich noch am Anfang. Die Bündnerin wählte oft eigene Wege, die Luzernerin bewegte sich stets in den Verbandsstrukturen.
Wie sich Titel anfühlen, weiss die 23-jährige Stabhochspringerin eigentlich ziemlich gut. Schliesslich gewann sie als Juniorin bereits sieben Mal bei einem internationalen Grossanlass. Doch nun folgte an der Hallen-EM der Durchbruch bei den Profis. Mit der Goldmedaille einher geht die Qualifikation für die Olympischen Spiele – es scheint auch in Tokio einiges möglich. Im vergangenen Sommer fand Moser den Mut, öffentlich über ihre Essstörung zu reden. Es wirkte wie eine Befreiung. Seither kann sie sich wieder auf Training und Wettkämpfe fokussieren.
Überzeugender kann man einen EM-Titel nicht gewinnen. Während im Sprintfinal über 60 m an den Hallen-Titelkämpfen in Polen zwischen Platz 2 und Platz 6 teilweise Tausendstelsekunden entschieden, lief die 24-jährige Tessinerin hochüberlegen vorne weg. Neben der Leistungssteigerung von Ajla Del Ponte im Coronajahr ist ihre enorme Nervenstärke die beeindruckendste Fähigkeit. Die Philosophiestudentin liefert auch auf der grossen Bühne. Als sie im Sommer 2020 in Monaco zum ersten Mal als Einzelstarterin über 100 m in der Diamond League laufen durfte, gewann sie auf Anhieb – und doppelte in Stockholm nach. Und nun rennt sie beim bisher grössten Karriereerfolg die Konkurrenz in Grund und Boden.
Ein bisschen mehr als einen Monat dauert es noch, bis in Basel die Kunstturn-Europameisterschaften stattfinden. Für Giulia Steingruber wird es der erste Test in diesem Olympia-Jahr. Wobei sie ihre neuen Elemente, die sie derzeit trainiert, in Basel noch nicht zeigt. Der Fokus liegt klar auf Tokio. Die Olympischen Spiele sollen einen weiteren Höhepunkt in ihrer grossartigen Karriere darstellen – vielleicht einer der letzten, wer weiss das schon, schliesslich sind Kunstturnerinnen mit (bald) 27 Jahren näher am Rücktritt als manch ein Tennisspieler mit 39. Im Sommer vor drei Jahren hat sich Steingruber das Kreuzband gerissen. Freude und Motivation am Turnen hat sie trotzdem nie verloren. 2021 ist es Zeit für die Belohnung.
Ihre Bronzemedaille an der WM 2019 in Doha war eine Sternstunde der Schweizer Leichtathletik. Das Coronajahr danach wird sie dagegen schnell vergessen. Sie litt unter Oberschenkelproblemen, bestritt fast keine Rennen. Und das Pech hielt auch zum Jahresende an, als sie erneut gestoppt wurde, von einem Fussbruch. Darum verpasste sie die Hallensaison, das Schweizer Duell mit Del Ponte muss noch warten. Doch spätestens im Sommer ist wieder mit Kambundji zu rechnen. Vielleicht etabliert sie sich an Olympia definitiv in der Hors-Categorie der Leichtathletik.
«Endlich ist der lange und manchmal langweilige Winter vorbei!!» – so beschreibt die Mountainbikerin ihre Gefühlslage zum Saisonstart. Knapp 15 Monate ist es nun her, seit Neff im Training in den USA schwer gestürzt ist. Es folgten Monate, in denen alles nur ganz langsam ging, doch Neff hat den beschwerlichen Weg zurück aufs Bike gemeistert. Und darf nun, nach einer Übergangssaison, in welcher die Resultate für einmal nicht alles bedeuteten, wieder nach vorne blicken. Der Olympiasieg fehlt ihr noch, um die herausragende Karriere zu krönen – es ist ihr grosses Ziel in diesem Jahr. Zuzutrauen ist ihr ein Coup in Tokio alleweil. Genauso wie danach Ende August der Sieg an den Weltmeisterschaften.