Es gäbe so vieles. Doch am Ende ist es für Lara Gut ganz simpel. Es geht um sie und den Berg. So einfach.
Eigentlich ist sie ja die Gejagte, die Gesamtweltcupgewinnerin der vergangenen Saison, Inhaberin des wichtigsten und am schwierigsten zu erreichenden Titels im alpinen Skisport. Und trotzdem: «Es gibt für mich nichts zu verteidigen, es gibt nur etwas zu gewinnen. Es ist kein Duell mit anderen Athletinnen. Es ist der Berg und ich.» So einfach.
Und typisch Lara Gut. Sie schützt sich selbst, seit Jahren, weil früh fast alles von ihr erwartet wurde. Und es klappt. Ehrgeizig im Innern, gelassen gegen aussen. Es ist quasi ihr Rohmodell für Erfolg. «Für mich ging es schon immer um jedes Tor und um jede Sekunde. Plötzlich geht es dann für die ganze Schweiz um jedes Tor und jede Sekunde.»
Nicht sie verändert sich, nur die Erwartungshaltung von aussen. Diesen Druck lässt sie nicht zu, sie macht ihn sich selbst. Das reicht ihr zu Recht. «Ich versuche, jeden Tag besser zu werden. Das ist alles, was ich beeinflussen kann. Meine Fahrt und meine Technik.» Nicht die Gegnerinnen, nicht die Medien. Nur sie und der Berg. So einfach.
Vieles hat Lara Gut bereits erreicht – mit erst 25 Jahren: 18 Weltcupsiege, Medaillen an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, und eben: Kristallkugeln. «Deswegen setzte ich mich jetzt aber nicht hin und blicke zurück. Sonst schaut man nur noch auf das und nicht mehr nach vorne. Wer nicht vorausschaut, sieht die nächsten Chancen nicht.»
Nur ist das wirklich so einfach? «Es wäre wohl schwierig, wenn der Sieg im Gesamtweltcup mein wichtigstes Ziel im Leben gewesen wäre. Doch das ist es nicht und war es nie. Mein Ziel bleibt, immer besser zu werden.»
Es ist ein Ziel ohne Ende. Es geht immer weiter. Bereits am Samstag, mit dem Riesenslalom in Sölden zum Saisonstart. Prognosen gibt es von Lara Gut keine, nicht zum Rennen, nicht zur Saison, nicht zur Heim-WM im Februar in St.Moritz. Obwohl es ihr bei diesem Thema schwerer fällt als gewohnt, den Druck von sich zu weisen.
St.Moritz ist speziell für Lara Gut. Im noblen Skiresort in den Bündner Bergen stand sie zum ersten Mal auf einem Weltcuppodest, gewann ihr erstes Weltcuprennen und erhielt im vergangenen März die grosse Kristallkugel für den Sieg im Gesamtweltcup. Dass an der WM Medaillen folgen, scheint die logische Fortsetzung. Nichts anderes wird von ihr erwartet werden.
Lara Gut versucht, auf den Druck mit Humor zu reagieren: «Meine Erfolgsquote bei den Rennen auf der Lenzerheide ist noch besser», sagt sie. Um anzufügen: «Der Druck wird an der WM enorm hoch sein. Zum Glück sind es dann bereits meine sechsten Weltmeisterschaften. Ich weiss mittlerweile, wie ich mich schützen kann.»
Selbstschutz. Dieses Thema prägt die Gespräche in den letzten Jahren mit Lara Gut. «Ich konnte in diesem Bereich in der vergangenen Saison enorm viel lernen.» Weil der Druck schon im März gross war. In St.Moritz, als es um die grosse Kugel ging.
Um diese wird es für Lara Gut auch in dieser Saison gehen. Obwohl sie sagt: «Der Gesamtweltcup wird im März in Aspen entschieden sein.» Weit weg also, in ferner Zukunft.
Nur: Worte lassen sich steuern, bei den eigenen Gedanken wird es schwieriger. Natürlich weiss Lara Gut, dass sie die Gejagte ist, natürlich weiss sie, was möglich ist: alles! Nur hat die 25-Jährige eben ihr Rezept gefunden, um nicht zu selbstsicher zu sein.
Es gäbe so vieles, das zu erwarten wäre. So vieles, das sie sagen könnte. So vieles, das Angst machen könnte. Doch für Lara Gut ist es ganz simpel. Sie will täglich besser werden.
Sie und der Berg. Lassen wir ihr diese Freiheit. So einfach.